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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Ostindien (Vorderindien)

fördern hauptsächlich die Landeserzeugnisse nach den Stapelplätzen. Der Küstenhandel betrug (1894-95) im ganzen 703 Mill. Rupien. Der Handel mit den nördl. Nachbarvölkern ist Karawanenhandel, welchen besonders Parßi, Pathanen und Armenier unterhalten. Dieser Landhandel betrug (1895) 81 Mill. Rupien in Ein- und Ausfuhr. Der Seehandel in den großen Häfen Kalkutta, Bombay sowie in Madras, Rangun, Karatschi ist überwiegend in den Händen der Briten, doch ist O. längst ein wichtiges Gebiet des Welthandels geworden. Der Wert des Seehandels hat sich in den letzten 60 Jahren vervierzehnfacht, besonders groß war der Aufschwung 1875-89. Die Einfuhr auf Rechnung der Regierung und Privaten betrug 1894-95: 831,1, die Ausfuhr 1171,4 Mill. Rupien, und zwar entfallen auf die fünf großen Handelsgebiete Bengalen, Birma, Madras, Bombay, Sindh in der Einfuhr 277, 35, 68, 368 und 48 und in der Ausfuhr 469, 98, 126, 415 und 62 Mill. Rupien. Gold wurde 1895 für 17,6, Silber für 78 Mill. ein- und für 67 und für 15 Mill. Rupien ausgeführt. Die wichtigsten Verkehrsländer (1895) sind:

Verkehrsländer Einfuhr in Mill. Rupien Ausfuhr

Großbritannien und Irland 511 328

China 26 125

Frankreich 8 87

Deutschland 17 77

Ägypten 3 46

Vereinigte Staaten von Amerika 11 58

Straits Settlements 21 52

Belgien 19 38

Ceylon 5 33

Österreich-Ungarn 12 24

Die wichtigsten Waren des Privathandels ind. Herkunft und ohne Berücksichtigung der Durchfuhr waren 1894-95:

Einfuhrwaren Mill. Rupien

Baumwollwaren 327

Metalle, Eisenkurzwaren 63

Öle 22

Seide 23

Zucker 29

Maschinen und Spindeln 24

Provisionen 16

Wollwaren 15

Spirituosen 15

Kleidungsstücke 14

Kohlen 15

Eisenbahnmaterialien 16

Ausfuhrwahren Mill. Rupien

Baumwolle, roh 87

Reis 138

Ölsamen 142

Opium 91

Baumwolle, verarbeitet 71

Weizen 26

Jute, roh 106

Thee 76

Felle und Häute 66

Indigo 47

Jute, verarbeitet 42

Kaffee 21

Wolle, roh 14

Gummilack 14

Verkehrswesen. Es giebt 245000 km öffentliche Straßen; wichtige Verkehrsadern bieten die großen nordind. Ströme und im S. die Kanäle, großartig hat sich das Eisenbahnnetz entwickelt. Die ersten Bahnen waren die East-Indian- und die Great-Indian-Peninsula-Eisenbahn. Die Teilstrecke der letztern von Bombay nach Tannah wurde bereits 18. Nov. 1852 eröffnet und kurz darauf die Strecke Kalkutta-Bardwan. Später entstanden die Bombay-Baroda-, die Madrasbahn, die Central-India-, die Sindh-Pandschab-Dehli- und die Oudh and Rohilkhandeisenbahn. Von 350 km im J. 1855 hatte das Eisenbahnnetz 1873 sich bereits auf 9107 km ausgedehnt. Von 1874 ab entstanden unter Zusammenwirken des Staates und von Privaten jährlich 690-856 km, so daß 1880 schon 14777 km im Betriebe waren. Von 1880 ab traten hinzu die Linien, die sich durch Nordbengalen bis an die Berge von Dardschiling und an den Fuß des Himalaja fortsetzten (s. Himalajabahn), ferner die nördl. Panoschabbahn bis Pischawar, und südlich davon die Bahn von Sakkar am Indus nach Quetta, die South-Indian- und die große Radschputanabahn. Die Eisenbahnen hatten 31. März 1895 die Länge von 30338 km, nämlich 14107 km im Besitz und Betrieb von Gesellschaften, 8652 km in dem des Staates, 4162 im Betrieb von garantierten und 656 km von unterstützten Gesellschaften und 95 km fremde Linien; der Rest gehört Eingeborenenstaaten. Der Staat hatte bis Ende 1894 für Eisenbahnbauten im ganzen 2552,5 Mill. Rupien verwendet. Befördert wurden (1894) 146 Mill. Reisende und 33 Mill. t Güter. Die Bruttoeinnahmen betrugen 255 Mill., die Nettoeinnahmen 135 Mill. Rupien, d. i. 5,69 Proz. des Anlagekapitals. Mit dieser Entwicklung hat die der Post und der Telegraphen gleichen Schritt gehalten. 1856 bestanden 753 Bureaus und Briefkästen, 1894: 22853. Briefe, Karten, Zeitungen wurden 379 Mill. befördert. Die Länge der Telegraphendrähte betrug (1895) 222454 km. Im Küstenverkehr liefen 103003 Schiffe mit 11,2 Mill. t in die ind. Häfen ein; im ausländ. Handel 5309 Schiffe mit 4,16 Mill. t (3,4 Mill. t brit. Schiffe). Münzeinheit ist die Rupie (s. d.) = 16 Anna (s. d.) = 2 M., in Wahrheit aber infolge der niedrigen Silberpreise 1892-93 nur = 1,25, 1894 = 1, 1896 wieder = 1,25 M. Am 26. Juni 1893 wurde die freie Silberprägung in den Münzen zu Kalkutta und Bombay eingestellt. Der Versuch der engl. Regierung, die Rupie auf 16 d zu fixieren, blieb für den Handelswert derselben ohne Erfolg.

Verwaltung. Das Indobritische Reich steht unter dem Governor General of India, der meistens als Vicekönig bezeichnet wird und diesem Titel entsprechend auftritt und angesehen wird. Ihm steht ein ausführender Rat (Executive Council) zur Seite, dessen Mitglieder von der engl. Krone ernannt werden und in dem er selbst Sitz und Stimme hat, und ein gesetzgebender Rat (Legislative Council), der aus dem ausführenden Rat unter Zuziehung von 6 bis 12 vom Vicekönig ernannten Mitgliedern besteht. Ebenso wie der Vicekönig und sein ausführender Rat werden in England vom Könige ernannt die Gouverneure von Madras und Bombay, die Mitglieder ihres ausführenden Rates und die Lieutenant-Governors Bengalens, der Nordwestprovinzen und des Pandschab.

Der Vicekönig kann selbständig Krieg erklären und Frieden schließen, doch muß eine Kriegserklärung dem engl. Parlament innerhalb bestimmter Frist mitgeteilt werden. Gesetzentwürfe können nur unter Zustimmung des ausführenden Rates dem gesetzgebenden Rat unterbreitet werden, und der Vicekönig kann die Vorlage von Gesetzen, welche Finanzen, Religionsübung, Militärwesen und auswärtige Angelegenheiten betreffen, auch ohne die Ansicht des Rates einzuholen, verbieten. Er kann erlassenen Gesetzen seine Zustimmung ohne weiteres versagen, und in allen Fällen können die von ihm genehmigten Gesetze vom Staatssekretär wieder aufgehoben werden.

Den Präsidentschaften (Presidencies) Madras (Fort St. George) und Bombay ist eine gewisse Selbständigkeit bewahrt; ihre Gouverneure haben ebenso wie der Vicekönig den Beistand eines ausführenden und eines gesetzgebenden Rates, unter deren Mitwirkung sie Gesetze für das Gebiet der Präsident-^[folgende Seite]