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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Paraguay

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Paraguay'

missionen, mit eiserner Hand, behielt auch nach gelungener Befestigung seiner Macht das Schreckensystem bei und schloß das Land vollständig ab. Der Tod des Diktators 20. Sept. 1840 bewirkte ein Schwanken der öffentlichen Verhältnisse und mehrere Usurpationsversuche. Unter dem zunächst erwählten Gouverneur Vidal behielt das Land seine Absperrung bei. Ein Nationalkongreß wählte 1842 Don Alonso und Don Carlos Antonio Lopez, Neffen des Francia, zu Konsuln. Ein anderer Nationalkongreß beschloß 13. März 1844 ein Staatsgrundgesetz und ernannte hiernach 14. März Don Carlos Antonio Lopez zum Präsidenten auf zehn Jahre. Dieser eröffnete sofort durch ein Dekret vom 20. Mai 1845, dem 1846 eine wesentliche Änderung des Zollwesens im Sinne des Freihandels folgte, das Land den Fremden und dem auswärtigen Verkehr; er reorganisierte das Heer nach preuß. Muster und verstärkte es auf 8000 Mann, schuf eine Flottille, erbaute die starke Festung Humaïta und befestigte Asuncion sowie den Passo de la Patria. Der Gouverneur von Argentina aber, Rosas, der P. als eine Provinz der Argentinischen Republik ansah, verbot jeden Verkehr mit P., worauf ihm 4. Dez. 1845 die Regierung P.s den Krieg erklärte, nachdem sie 11. Nov. 1845 ein Bündnis mit Corrientes geschlossen hatte. Dieser Schutz-und Trutzvertrag wurde 1847 erneuert, und 1851 schlossen beide Staaten ein ähnliches Bündnis gegen Rosas mit Brasilien, Uruguay und dem aus dein argentin. Bunde getretenen Staate Entre-Rios. Nachdem Rosas 1852 gestürzt war, erfolgte alsbald die Anerkennung der Unabhängigkeit P.s durch die Argentinische Konföderation, nachdem sie schon seit 1845 von den meisten übrigen Staaten erlangt war. Der Präsident Lopez schloß zahlreiche Handels- und Schiffahrtsverträge, regelte die Gerichtsverwaltung, gründete Volksschulen und eine wissenschaftliche Gesellschaft, sorgte für Straßen und Wege und führte die allgemeine Wehrpflicht und jährliche Übungen der Reservemannschaft ein. 1857 übernahm er die Fortführung der Präsidentschaft auf weitere sieben Jahre und blieb nach wie vor unumschränkter Herrscher. Er starb 10. Sept. 1862, nachdem er 18 Jahre das Land beherrscht hatte, und sein Sohn Francisco Solano Lopez, den er zu seinem Nachfolger bestimmt hatte, übernahm die Präsidentschaft. In dem in Uruguay (s. d., Geschichte) ausgebrochenen Bürgerkriege hatte 1864 Brasilien, für den Expräsidenten General Flores Partei nehmend, ein Ultimatum erlassen. Hiergegen erhob Lopez Protest, und als dennoch die Brasilianer 12. Okt. in Uruguay einfielen, wurde 11. Nov. ein brasil. Postdampfer durch ein Kriegsschiff P.s aufgebracht. Bald kam es, nachdem sich Brasilien mit Uruguay und der Argentinischen Republik gegen P. verbunden hatte, auch zu weitern Feindseligkeiten, unter denen insbesondere ein 2. Mai 1866 von den Verbündeten errungener Sieg bei Estero-Velhaco in P. und ein unentschieden gebliebenes Treffen bei Tuyutu 24. Mai 1866 hervorzuheben sind. Darauf trat ein Stillstand ein, dem aber im Sommer 1867 wieder ein neuer Ausbruch der Feindseligkeiten folgte; doch wurde die Leitung der Operationen erst eine energischere, als der argentin. Präsident Mitre 15. Febr. 1868 den Oberbefehl über die gesamte verbündete Armee niederlegte und ihn dem brasil. Marschall Caxias übertrug; die Alliierten nahmen nun 19. Febr. das zu Humaïta, der Hauptfestung von P., gehörige Fort ↔ Estabelecimiento und ließen dann ein brasil. Panzergeschwader den Rio P. aufwärts gehen. Unter diesen Verhältnissen beschloß Lopez, sich mit seiner Hauptmacht durch den Chaco zurückzuziehen. Die kleine Besatzung von Humaïta hielt sich noch bis 3. Aug., bis endlich der Hunger den Kommandanten Martinez zur Übergabe zwang. Nach der Übergabe von Humaita zog sich Lopez nach Angostura, einem Engpaß unterhalb Asuncion, zurück. Sein Lager wurde jedoch umzingelt und 25. Dez. erstürmt; Lopez selbst entkam. Im Jan. 1869 zogen die Verbündeten in Asuncion ein, wo sie eine provisorische Regierung ernannten. Der Kampf dauerte jedoch noch ununterbrochen fort, ohne zu einer Entscheidung zuführen. Anfang Mai übernahm Graf von Eu (s. d.), der Schwiegersohn des Kaisers von Brasilien, das Kommando, stürmte 12. Aug. die von Lopez bei Piritebu besetzte Stellung und schlug ihn auch 15. Aug. bei Caraguatay. In einer Reihe von Kämpfen wurden die Truppen des Diktators immer mehr aufgerieben; er selbst mit nur wenigen hundert Mann immer weiter nach den Schluchten des paraguitischen Hinterlandes zurückgedrängt, wo er 1. März 1870 in einem Gefecht am Aquidaban fiel. Mit dem Tode des Diktators war der Krieg beendigt; aber erst 27. März 1872 wurden die Ratifikationen des Friedens zwischen Brasilien und P. ausgewechselt, in dem P. den nördlichsten Teil der Republik an Brasilien abtrat und sich auch zur Zahlung der Kriegskosten verpflichtete. Im Oktober desselben Jahres schloß auch die Argentinische Republik einen Vertrag mit P., der den Pilcomayo als Grenze im streitigen Chacogebiet festsetzte.

Nach dem Frieden gab eine frei gewählte Konstituante dem Lande eine liberale Verfassung. Die letzten Besatzungstruppen der Verbündeten verließen 22. Juni 1876 das Land. Der 25. Nov. 1874 zum Präsidenten der Republik erwählte Don J. Bautista Gill wurde 12. April 1877 nebst seinem Bruder Don Emilio Gill, früherm Finanzminister, auf offener Straße meuchlings ermordet. Man schrieb diese Verbrechen den Häuptern einer polit. Verschwörung zu, die eine Revolution hervorrufen und den frühern Minister des Äußern Dr. Machain zum Präsidenten erheben wollten. Ihr Vorhaben wurde jedoch 17. Okt. entdeckt und die Hauptverschworenen verhaftet, die mit dem Dr. Machain bei einem Befreiungsversuch 29. Okt. umkamen. Der Vicepräsident der Republik, Don Oliginio Uriarte, übernahm interimistisch die Präsidentschaft, bis ihm 1878 Bareiro folgte, der jedoch schon 1880 starb. Ihm folgte Caballero und diesem 1886 Escobar. 1890 wurde Juan Gonzalez zum Präsidenten gewählt, der 1891 einen Aufstandsversuch mit leichter Mühe unterdrückte. 1894 bemächtigte sich General Morinigos Egusquiza der Regierung und wurde darauf zum Präsidenten gewählt. Die neueste Geschichte P.s ist wenig ereignisreich. Nach den langdauernden Kämpfen herrschte allgemeine Erschöpfung; Handel und Ackerbau lag danieder, die Bevölkerung hatte abgenommen, und die Regierung suchte durch Gewährung freier Überfahrt und unentgeltliche Landverleihung namentlich Landarbeiter herbeizuziehen.

Vgl. Charles Quentin, Le P. (Par. 1865); Thompson, The Paraguayan war (Lond. 1869); Der Krieg gegen P. (in "Unserer Zeit", Neue Folge, Bd. 5, Lpz. 1869); Mastermann, Seven eventful years in P. (Lond.1869; 2. Aufl. 1870); Washburn,

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 885.