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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Pariser Friede

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Pariser Friede

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Pariser Formation'

(s. d.) bilden. Die wichtigsten der hierher gehörigen Gebilde sind der Grobkalk (s. d.) und der an Säugetierskeletten reiche Gips des Montmartre.

Pariser Friede. Am 10. Febr. 1763 wurde zwischen England und Portugal einerseits, Frankreich und Spanien andererseits zu Paris ein Friede geschlossen, der den mit dem Siebenjährigen Kriege verbundenen Kolonialkrieg zwischen diesen Mächten beendete. Frankreich erhielt seine Kolonien in Ost- und Westindien zum größten Teil zurück, mußte aber seine Besitzungen aus dem amerik. Festlande abtreten, wovon England Canada, Acadia und Louisiana östlich vom Mississippi erhielt, während der Teil westlich vom Mississippi mit Neuorleans an Spanien fiel, das außerdem Cuba und die Philippinen zurückerhielt. Frankreich wurde sodann noch das Fischereirecht bei Neufundland (s.d.) zugestanden. – Über den 1763 zwischen Frankreich und England zu Versailles abgeschlossenen Frieden, der auch häufig als P. F. bezeichnet wird, s. Versailles.

Nach dem Sturze Napoleons I. wurde der erste P. F., der den Russisch-Deutsch-Französischen Krieg von 1812 bis 1815 (s. d.) vorläufig beendete, am 30. Mai 1814 abgeschlossen zwischen König Ludwig XVIII. von Frankreich einerseits und den alliierten Mächten Österreich, Großbritannien, Preußen und Rußland andererseits. Danach ward das Königreich Frankreich innerhalb seiner Grenzen vom 1. Jan. 1792 belassen und behielt außerdem einen Teil des vormals sardin. Herzogtums Savoyen, die vormals päpstl. Besitzungen Avignon und Venaissin sowie mehrere vormals deutsche und belg. Grenzdistrikte und Enklaven. England behielt Malta, Tabago, Sta. Lucia und Isle-de-France (Mauritius), gab aber alle andern eroberten Kolonien an Frankreich, sowie den vormals span. Anteil von Haïti (Domingo) an Spanien zurück. Auch Schweden gab die franz. Insel Guadeloupe und Portugal das franz. Guayana wieder heraus. Die Niederlande sollten unter die Herrschaft des Hauses Oranien gestellt und vergrößert werden. Den deutschen Staaten ward die Unabhängigkeit und die Vereinigung durch ein föderatives Band zugesichert, ebenso der Schweiz ihre Unabhängigkeit und Selbstregierung. Dagegen sollte Italien, außer den Österreich zufallenden Provinzen, aus lauter souveränen Staaten bestehen. Die Schiffahrt auf dem Rhein bis ans Meer (jusqu'à la mer) ward für frei erklärt; desgleichen die Schiffahrt auf der Schelde. Dem Wiener Kongreß wurde die endgültige Erledigung der vorläufigen Bestimmungen übertragen.

Als nach der Schlacht von Waterloo die Verbündeten wieder in Paris eingerückt waren, schlossen König Ludwig XVIII. einerseits, Österreich, Großbritannien, Preußen und Rußland andererseits den zweiten P. F. vom 20. Nov. 1815. Frankreich ward hiernach im wesentlichen auf die Grenze von 1790 beschränkt. Danach mußten abgetreten werden die Festungen Philippeville und Marienburg nebst Gebiet sowie das Herzogtum Bouillon an die Niederlande, die Festung Saarlouis und die Saarbrücker Landschaft an Preußen, die Festung Landau und das linke Ufer der Lauter an Bayern, ausgenommen die Stadt Weißenburg nebst einem Rayon, ein Teil der Landschaft Gex an den Schweizer Kanton Genf, endlich der Rest von Savoyen und die Oberhoheit über das Fürstentum Monaco an Sardinien. Außerdem mußte Frankreich eine Entschädigung von 700 Mill. Frs. an die ↔ Alliierten bezahlen und sich eine teilweise Occupation gefallen lassen, die durch den Aachener Kongreß (9. Okt. 1818) aufgehoben ward. Alle Schätze der Litteratur und Kunst, welche die Franzosen aus den früher besetzten Ländern mitgenommen hatten, mußten zurückgegeben werden. In einem Zusatzartikel verpflichteten sich die Mächte für vollständige Abschaffung des Negersklavenhandels. Eine besondere Akte der fünf Großmächte verbürgte die immerwährende Neutralität und Unverletzlichkeit der Schweiz sowie der angeschlossenen savoyischen Distrikte. Eine andere schuf einen Allianzvertrag zwischen Österreich, Großbritannien, Preußen und Rußland, kraft dessen diese Mächte sich verbindlich machten, den P. F. und die Ausschließung der Familie Bonaparte auf ewige Zeiten vom franz. Thron nötigenfalls mit aller Macht aufrecht zu erhalten. – Vgl. Schaumann, Geschichte des zweiten P. F. (Gött. 1844); Gagern, Der zweite P. F. (2 Bde., Lpz. 1845).

Der dritte P. F. ward nach Beendigung des Orientkrieges (s. d.) 30. März 1856 zwischen Rußland einerseits, Frankreich, Großbritannien, Sardinien und der Türkei andererseits unter Mitwirkung Österreichs und Preußens abgeschlossen. In dem Hauptvertrag wurde ausgesprochen, daß die Hohe Pforte nunmehr zu den Vorteilen des europ. öffentlichen Rechts zugelassen sei; zugleich ward die Unabhängigkeit und territoriale Unverletzlichkeit des Osmanischen Reichs garantiert, und die Mächte nahmen Kenntnis von dem Hatt-i-Humajun vom 18. Febr. 1856 (s. Osmanisches Reich, S. 685a), betreffend die Verhältnisse der Christen im Osmanischen Reich. Die gemachten Eroberungen wurden gegenseitig herausgegeben; doch verstand sich Rußland, unter dem Namen einer Grenzberichtigung, zur Abtretung eines Teils von Bessarabien mit der Festung Ismail, der mit der Moldau wieder vereinigt wurde. Den Fürstentümern Moldau und Walachei ward die Aufrechterhaltung ihrer hergebrachten Privilegien und Immunitäten zugesagt und diese unter die Garantie der Vertragsmächte gestellt; gleiches ward auch für das Fürstentum Serbien festgesetzt, wobei das dortige türk. Besatzungsrecht (in Belgrad u.s.w.) gewahrt blieb. Die Schiffahrt auf der Donau ward für-frei erklärt und unter europ. Garantie gestellt, zur Regelung der dahin einschlagenden Fragen aber eine Kommission der Vertragsmächte (s. Europäische Donaukommission) und eine zweite Kommission der Uferstaaten eingesetzt (s. Kommission der Donau-Uferstaaten). Das Schwarze Meer ward neutralisiert (s. Pontusfrage) und der Dardanellenvertrag von 1841 (s. Dardanellen) im wesentlichen bestätigt. Endlich wurde gleichfalls 30. März noch eine Konvention zwischen Frankreich, Großbritannien und Rußland unterzeichnet, wonach künftig keinerlei Festungswerke, Militär- oder Marine-Etablissements auf den Ålandsinseln sein dürfen. Außerdem unterzeichneten wenige Tage später (16. April) die sämtlichen Vertragsmächte eine Deklaration, wodurch neue liberale Grundsätze des Seerechts festgesetzt wurden, nämlich:

  • 1) die Privatkaperei ist und bleibt abgeschafft;
  • 2) die neutrale Flagge deckt auch feindliche Ware, ausgenommen Kriegskonterbande;
  • 3) neutrale Ware, ausgenommen Kriegskonterbande, darf auch unter feindlicher Flagge nicht weggenommen werden;
  • 4) die Blockaden sind nur dann obligatorisch, wenn sie effektiv sind, d. h. wenn sie durch eine Macht

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 913.