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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Parlamentär - Parler
über das Frankfurter P., das Erfurter P.
und das deutsche Zollparlament s. Deutschland
und Deutsches Reich (Geschichte).
Parlamentär (frz. imrleinenwirs), ein an den
Feind zu Anknüpfung von Verhandlungen, Mit-
teilung wichtiger Nachrichten, Aufforderung zur
Kapitulation u. s. w. Abgesandter. Der P. ist ge-
wöhnlich ein Offizier, der sich durch eine vor ihm ge-
tragene Stange mit weißem Tuche oder durch das Bla-
sen (Trommeln) eines ihn begleitenden Trompeters
(Tambours) als P. kenntlich macht und nach Kriegs-
recht unverletzlich ist. Anlangende P. werden stets
mit großer Vorsicht behandelt, da sie zuweilen bei
überbringung unwesentlicher Nachrichten den Zweck
der Rekognoscierung verfolgen. Sie werden bei den
Vorposten angehalten; ein Offizier nimmt ihnen
gegen Quittung die Depeschen ab oder läßt sie, falls
sie mündliche Aufträge an höhere Befehlshaber
überbringen, mit verbundenen Augen auf Umwegen
zu diesen und wieder zu den Vorposten zurückführen.
Im Seelriege künden sich P. durch eine befondere
Parlamentärflagge ihres Bootes an.
Parlamentarier, Mitglied eines Parlaments,
besonders ein solches, das die parlamentarische
Thätigkeit als Beruf wählt.
Parlamentarisch, das Parlament betreffend,
sich darauf beziehend, ihm gemäß; fo spricht man von
parlamentarischer Beredsamkeit, von parlamentari-
schen Ausdrücken, parlamentarischer Geschäftsord-
nung u.s.w.; parlamentarische Regierungs-
form ist soviel wie Parlamentarismus (s. Konsti-
tutionelles System); unparlament arisch, gegen
den parlamentarischen Ton oder Brauch verstoßend.
Parlamentarismus, s. Konstitutionelles Sy-
Parlamentieren, unterhandeln. j^stem.
Parlamentsborough (engl. ?^iaw6ntar)'
Loi'ouAli), s. Voi'ou^Ii.
Parlamentsgebäude, Gebäude, in dem die
Volks- oder Landesvertreter ganzer Staaten oder
einzelner Landesteile zur Ausübung ihrer Obliegen-
heiten tagen. (Hierzu die Tafeln: Parlaments-
gebäude I und II.) Muster ist wie für die konstitu-
tionelle Verfassung, so auch für den Bau der P.,
England gewesen. Neben der damals noch vor den
Thoren von London liegenden Westminsterabtei
bauten die engl. Könige 1097 die Weftminsterhalle,
den Sitz des alten engl. Parlaments. Um 1400
umgebaut, erhielt sich dieser großartige 73:20m
messende Saal bis heute. Später fügten die Könige
noch eine Reihe von Bauten an diese Halle, welche
1834 vor Beginn des Neubaues des engl. Parla-
inentshauses abgebrochen wurden. Barry erbaute
dies im spätgot. Stil; es wurde 1847 vom Ober-
baus, 1852 vom Unterhaus bezogen und war 1868
äußerlich fertig gestellt. Die alte Weftminsterhalle
bildet jetzt den Vorsaal, durch den man in die Cen-
tralhalle unter dem Mittelturm gelangt. Nördlich
liegt das Unterhaus mit seinen Nebengemächern,
südlich das Oberhaus mit der Königsgalerie. Die
Ostfront erhebt sich in 275 in langer Front gegen
die Themse (s. Taf. II, Fig. 1). Die Einrichtung
ist auch jetzt noch nicht vollendet (s. London, Bd. 11,
S. 280). - Ahnlich großartig ist das P. der Ver-
einigten Staaten von Amerika, das Kapitol zu
Washington (s. Tafel: Amerikanische Kunst I,
Fig. 7), zu dem George Washington selbst 1793 den
Grundstein legte; 1851-69 wurde es durch Walter
und Clark erweitert. Das Haus der Repräsentanten
und die Staatcnkammer bilden die neu angebauten
getrennten Flügel, während die Mitte die große
Rotunde mit der mächtigen Kuppel und Festräume
einnehmen. Der Stil ist der eines strengen Klassi-
cismus. - Das Pariser P. ((^nidi-6 äes äeMek)
entstand aus dem ältern Palais Bourbon und wurde
1828-33 von de Ioly für seinen Zweck eingerichtet;
der Senat tagt im Palais Lurembourg (s. d.).
Der Reichstag des alten Deutschen Reichs hatte
anfangs kein festes Heim, sondern wanderte von Stadt
zu Stadt; aber auch als er in Negensburg 1663-
1803 Sitz nahm, kam es bei den traurigen innern
Verhältnissen nicht zu einem würdigen Bau. Nach
1871 wurde der Bau eines Neichstagshauses in
Berlin in Aussicht genommen, indem zwei Wett-
bewerbe ausgeschrieben wurden. Im ersten erhielt
L. Bohnstedt,^im zweiten P. Wallot und Fr. Thiersch
die ersten Preise. 1884 begann der Bau nach dem
in Hochrenaissance gehaltenem Entwürfe Wallots
(s. Tafel: Parlamentsgebäude I). Der Bau
bildet ein Rechteck mit Kuppel, breitem Flügel in der
Hauptachse, in welchem hintereinander die Festhalle,
der Sitzungssaal und die Treppe für den Bundes-
rat liegen. An die Halle schließen sich längs der
Hauptfacade die Festsäle und Restaurationsräume
an, an 'die Treppe die Säle für den Reichstags-
vorstand und den Bundesrat. Für die Presse, das
Publikum sowie für Kommissionssitzungssüle, Bi-
bliothek, Post u. s. w. ist reichlich gesorgt (Kosten
rund 25 Mill. M.). - Das Reichsratsgebäude für
Wien (s. Taf. II, Fig. 2) schuf 1874-83 Theophilus
von Hansen (s. d.) Dort liegt der Festsaal in der
Mitte, das Herrenhaus links, das Abgeordneten-
haus rechts, beide in der Außenarchitektur kräftig
hervorgehoben. Die Bauformen sind die des edlen
hellen.^Stils. Die Kosten betrugen 7^ Mill. Fl.
Das Reichsratshaus zu Budapest, 1885-96 nach
Plänen von Steindl erbaut, hat den Stil jenes zu
London. - In Rom wie in Stockholm ist ein Neu-
bau geplant. Kleinere P. für Provinziallandtage
u. s. w. sind in neuerer Zeit viele gebaut worden,
so in Hannover (von Wallbrecht 1878-80, Kosten
1,5 Mill. M.), in Berlin (Landeshaus der Provinz
Brandenburg, von Ende und Böckmann, 1888 voll-
endet), in Danzig (von denselben 1882 - 85), in
Düsseldorf (von Raschdorff 1876-79), in Brunn
(von Hefft und Raschta 1875-78, Kosten 1,6 Mill.
Fl.), in Straßburg (von Hartel und Neckelmann).
Von großer Wichtigkeit ist beim P. die Gestaltung
des Sitzungssaales. Dieser ist im Deutschen Reichs-
tagshause rechtwinklig. In der Achse einer Schmal-
seite sitzt auf hohem Podium das Präsidium, ihm zur
Seite der Bundesrat und zu Füßen die Schriftführer;
vor diesen stehen die Tische der Stenographen. Von
hier aus erheben sich amphitheatralisä) die Sitze der
Abgeordneten, die durch Wege keilförmig abgeteilt
sind. Nach alter Sitte sitzen die konservativen Par-
teien rechts, die oppositionellen links vom Präsi-
denten; das Centrum nimmt in der Mitte Platz.
?a.r1a.nÄo (?ai-Iant6, ital., "sprechend"), eine
mehr recitativische, sich dem Sprechen nähernde
Singweise; Parlando-Arie, s. Arie.
Parlatorlum (neulat.), in Klöstern der fürUnter-
redungen mit Besuchern bestimmte vergitterte Raum.
Parler, Arler, berühmte Steinmetzenfamilie
des Mittelalters. Der bedeutendste aus ihristPeter
P. von Gmünd, geb. 1333, gest. um 1397 zu Prag,
der 1356 von Kaiser Karl IV. zum Dombaumeister
von Prag ernannt wurde. Er erlangte dort eine
^ angesehene Stellung, baute den Chor des Doms