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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Perugia

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Perugia

P.

Perugia (spr. -uhdscba). 1) Provinz und Landschaft im Königreich Italien, auch Umbrien genannt, grenzt im N. und O. an die Marken, im SO. an die Provinz Aquila, im S. und SW. an Latium und im W. und NW. an Toscana, hat 9633 (nach Strelbitskij 9474) qkm mit (1881) 572000, nach einer Berechnung vom 31. Dez. 1892: 597930 E., d. i. 62 E. auf 1 qkm, und zerfällt in die sechs Kreise Foligno, Orvieto, P., Nicti, Spoleto und Terni mit zusammen 152 Gemeinden. Die Provinz ist größtenteils gebirgig (im Norden der Römische Apennin, im Süden die Sabinerberge), hat aber auch Ebenen und ist bewässert durch den Tiber und seine Nebenflüsse Nestore, Paglia mit Chiana, Chiascio mit Topino (mit Clitunno oder Maroggia), Nera mit Velino (mit Salto und Turano) sowie durch den Lago Trasimcno. Gebaut werden besonders Weizen, Mais, Hülsenfrüchte, Wein, Maulbeer-, Öl- und Obstbäume; in den höhern Gegenden findet sich Viehzucht. An Mineralien kommen Marmor, Töpfer- und Porzellanerde, Eisenerze und Kohlen vor. Die Industrie erstreckt sich auf Seidenfabrikation, Eisenhütten und Papierfabritation. Die Provinz wird von mehrern Eisenbahnlinien durchschnitten.

2) Hauptstadt der Provinz P., zwischen dem Tiber und dem Lago Trasimeno, in schönster Lage, 400 m über dem Tiber, 493 m ü. d. M., an der Linie Terontola-Foligno des Adriatischen Netzes, Sitz des Präfekten, eines Bischofs, Appellationshofs, Tribunals erster Instanz und des Kommandos der Infanteriebrigade "Brescia", hat (1881) 17395, als Gemeinde 51354, nach einer Berechnung vom 31.Dez. 1892: 54500 E., in Garnison das 20. Infanterieregiment und eine Eskadron des Kavallerieregiments "Foggia", eine Universität, ein Lyceum, Gymnasium, eine Obcrrealschule, technische Schule, höhere Lehr- und Erziehungsanstalt (Collegio della Sapienza), Akademie der schönen Künste, Ökonomisch-agrarische Gesellschaft und ein großes Waisenhaus; Fabriken für Seidenzeuge, Sammet, Leinwand und Branntwein, Handel mit Getreide, Öl und Wein.

Die Universität war im Mittelalter eine der berühmtesten. Schon im 13. Jahrh, gab es Rechtslehrer in P., 1308 erlieh Papst Clemens V. den Stiftsbrief; in den folgenden Jahren blühte die Universität besonders durch den berühmten Rechtslehrer Jacob von Belvisio. 1362 wurden die tbeol. Studien eingeführt, und unter der päpstl. Herrschaft war die Universität in hoher Blüte. 1860 wurde sie zur freien Hochschule erklärt und ist seitdem bedeutend gesunken. Sie hat eine jurist. und eine mediz.-chirurg. Fakultät, einen pharmaceutischen und einen Veterinär-Kurs mit (1891/92) 23 Docenten, 182 Studierenden und 16 Hörern; ferner eine Bibliothek (15000 Bände, 2000 kleinere Schriften), einen botan. Garten, naturwissenschaftliche und kunstgeschichtliche Sammlungen und ein Musenm etrusk. und röm. Altertümer. Die Biblioteca di San Pietro hat 10497 Bände, 553 kleinere Schriften und 109 Handschriften.

Denkmäler. Auf der Piazza del Municipio erhebt sich der schöne dreischalige Brunnen Fönte Maggiore von 1277, der schönste italienische jener Zeit, mit zahlreichen Reliefs von Niccolò Pisano und dessen Sohn Giovanni und 24 Statuetten von Arnolfo di Cambio; auf der Piazza del Papa eine Bronzestatue des Papstes Julius III., von Vincenzo Danti (1556); auf der Piazza del Eopramuro ein Denkmal Garibaldis; auf der Piazza Vittorio Emanuele das Reiterstandbild Victor Emanuels II., Erzguß nach Tadolinis Entwurf (1890); auf dem Friedhof das Denkmal für die 1859 gefallenen Freiheitskämpfer P.s. Besonderes Interesse für P. gewähren die zahlreichen herrlichen Gemälde Peruginos (s. d.) sowie die Werke anderer umbrischer Meister.

Gebäude. Die schönsten Gebände sind der got. Dom San Lorenzo (15. Jahrh.), außen unvollendet, mit Altarbild von Luca Signorelli (1481), einem Marmorsarkophag mit den Resten der Päpste Innocenz III., Urban IV. und Martin IV. und kostbaren Handschriften in der Bibliothek, wie dem Codex des heil. Lucas aus dem 6. Jahrh. (Gold auf Pergament); die Basilika San Pietro de'Cassinensi, um 1000 vom heil. Pietro Vincioli von P. gestiftet, mit 18 antiken Säulen und schön geschnitztem Stuhlwerk von Stefano da Bergamo (1535); San Domenico, ein got. Bau von 1304, 1614 von Carlo Maderno erneuert, mit herrlichem Grabmal Papst Benedikts XI. von Giovanni Pisano und einem gewaltigen got. Fenster (182 qm groß), dem größten dieser Art in Italien, 1441 von Fra Bartolommeo von P. ausgeführt; Oratorio di San Bernardino mit polychromer Facade, einem Prachtwerk der Frührenaissance von Agostino d'Antonio aus Florenz (1459-61); San Severo, ein früheres Camaldulenserkloster, jetzt Kolleg, birgt in seiner Kapelle das erste selbständige Freskogemälde Raffaels von 1505. Der Bogen des Augustus ist ein antikes Stadtthor mit der Inschrift Colonia Vibia Augusta Perusia; seine Fundamente stammen aus etrusk. Zeit, der obere Teil aus dem 3. Jahrh. n. Chr. Der Palazzo Pubblico (Comunale), ein gewaltiger Bau im ital.-got. Stil von 1281 und 1333, enthält eine Gemäldegalerie (Pinacoteca Vannucci), seit 1863 aus dem Besitz der aufgehobenen Klöster und Kirchen entstanden, für die Kenntnis der umbrischen Malerei von Wichtigkeit, und die Biblioteca pubblica (76585 Bände, 1200 kleinere Schriften, 1781 Handschriften vom 11. bis 15. Jahrh, und Miniaturen). Das Collegio del Cambio, die alte Handelskammer, hat berühmte Fresken Peruginos (1500) sowie vorzüg-