Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Petersburg (in Rußland)

Anlage, Brücken. P. ist sehr regelmäßig gebaut, mit weiten und langen Straßen und großen Plätzen. Der nördlich gehende Teil der Newka trennt die sog. Petersburger Seite (links) von der Wiborger Seite (rechts). Der Hauptteil der Stadt liegt links an der Newa. Sie zerfällt in 12 Stadtteile (tschasti) und 38 Distrikte. Den Mittelpunkt bildet der Admiralitätsteil zwischen der Großen Newa und dem Mojkakanal, mit den größten Regierungsgebäuden, den schönsten Palästen und den reichsten Kaufläden. Die übrigen Stadtteile sind: der Kasansche, der Spaßkische, der Kolomna- und Narwateil (zwischen Newa, Fontanka und Obwodnyjkanal), der Moskauer Stadtteil (zwischen Fontanka, Obwodnyj- und Ligowokanal), der Alexander-Newskij-Stadtteil (zwischen Newa, Obwodnyj- und Ligowokanal), der Litejnyjteil (zwischen Newa, Fontanka und Ligowokanal), der Roshdestwenskij-Stadtteil (östlich vom vorigen, zwischen Newa und Ligowokanal), der Wassiljewskijteil (Wassiljewskij-Ostrow umfassend), der Petersburger Teil (auf den Inseln nördlich von Wassiljewskij-Ostrow), rechts an der Newa der Wiborger Teil mit Groß- und Klein-Ochta. Dazu vier Vorstädte (prigorodki): die Schlüsselburger, Poljustrower, Ljeßnoj und Peterhofer Vorstadt. Der älteste Stadtteil ist die Peter-Pauls-Festung mit Kathedrale und Münzhof, auf der Krepostnyj-(Festungs-) Insel (1,43 ha), vor der Gabelung der Kleinen und der Großen Newa. Über die Newa und ihre Kanäle führen 191 Brücken. Von den Newabrücken sind nur zwei feststehend: die eiserne Nikolausbrücke (1851 erbaut), vom Englischen Quai nach Wassiljewskij-Ostrow führend, und die ebenfalls eiserne Alexanderbrücke (1873-79 erbaut), vom Litejnyj-Prospekt nach der Wiborger Seite; die übrigen sind Schiffbrücken, und im Winter findet der Verkehr über das Eis statt. Über die Fontanka führt die Anitschkowbrücke mit vier berühmten Reiterstatuen von Clodt.

Straßen, Plätze, Parkanlagen. Als Mittelpunkt von P. gilt das Admiralitätsgebäude links an der Newa, der Ostspitze von Wassiljewskij-Ostrow gegenüber. Von ihm strahlen fächerförmig nach Südost und Süd die drei schnurgeraden Hauptstraßen P.s aus: der Newskij-Prospekt (fast 5 km lang, 35 m breit), von kolossalen Palästen und Prachtbauten eingefaßt, die etwas schmälere Gorochowaja-(Erbsen-)Straße und der Wosneßenskij-(Himmelfahrts-)Prospekt. Andere Straßen ersten Ranges, hier Prospekte oder Perspektiven genannt, sind der Litejnyj-, Wladimirskij-, Sagorodnyj-, Sabalkanskij-Prospekt u. a.; Straßen zweiten Ranges (russ. ulizy, Einzahl uliza) sind die Große und Kleine Morskaja, Millionnaja, Sadowaja, Kasanskaja, Konjushennaja (Stallhofstraße) u. a. Die Straßen dritten Ranges heißen Pereulki (Einzahl: pereulok, Querstraße). Von den 64 öffentlichen Plätzen sind bemerkenswert der Admiralitätsplatz, einer der schönsten Plätze Europas, der mit dem Peter- oder Senatsplatz sowie den östlich angrenzenden Roswodnaja- und Palastplatz ein großes Ganzes bildet; der Isaaks-, Marien-, Alexandra-, Snamenskijplatz; das Marsfeld, auf dem die Paraden stattfinden; auf Wassiljewskij-Ostrow der Börsen- und der Rumjanzewplatz. Parkanlagen sind: der Alexander-, Sommer-, der Michajlowsche, der Jussupowsche, der Zoologische Garten, der Alexanderpark (an der Festung).

Denkmäler. Das Reiterstandbild Peters d. Gr., von Falconet modelliert und von Katharina II. 1782 errichtet, auf dem Petersplatz; ein Standbild desselben in Imperatorentracht von Rastrelli (1800 errichtet) hinter der Ingenieurschule; das Denkmal der Kaiserin Katharina II. (Bronzefigur auf Granitsockel, 1873 errichtet); die Alexandersäule (25 m hoch, 4 m im Durchmesser, von poliertem roten Granit, 1834 zu Ehren von Alexander I. errichtet) auf dem Palastplatze; die Reiterstatue Nikolaus' I. (von Clodt, 1859 errichtet) auf dem Marienplatz; Denkmäler der Feldherren Barclav de Tolly, Kutusow, Rumjanzew, Suworow, des Admirals Krusenstern, des Prinzen Peter von Oldenburg, der Dichter Krylow, Puschkin und Shukowskij, des Reisenden Prschewalskij; das Denkmal zur Erinnerung an den Türkenkrieg 1877-78 (nach Art der Berliner Siegessäule); Triumphpforten am Eingang der Chausseen von Moskau und von Narwa.

Kirchen und Klöster. P. hat etwa 400 Kirchen und Kapellen, darunter 231 russisch-orthodoxe, 14 evangelische, 15 katholische, 2 englische, 2 armenische; ferner 1 Synagoge, 6 israel. und 3 mohammed. Bethäuser. An der Spitze der russ. Kirchen steht die Isaaks-Kathedrale (1858 vollendet nach den Plänen Monferrands), in Form eines griech. Kreuzes, mit 48 Monolithsäulen von 17 m und einer Kuppel von 82 m Höhe und mit prachtvollem Ikonostas. Erwähnenswert sind ferner: die Kasansche Kathedrale (1733 gegründet, 1801-11 umgebaut) mit halbkreisförmiger Kolonnade von 132 korinth. Säulen und im Innern mit 56 polierten, 11 m hohen Granitsäulen; die Peter-Pauls-Kathedrale in der Festung mit den Sarkophagen der russ. Kaiser (außer Peter II.), die Preobrashenskij-, die Blagowjeschtschenskij-Kirche, die Sühnkirche (im Bau begriffen) zum Andenken an den Tod des Kaisers Alexander II. am Jekatarinenkanal. Dazu das Alexander-Newskij-Kloster (s. d.), das Nowodjewitschij-(Nonnen-)Kloster und das Smolnyj-Kloster. Von den Kirchen der übrigen Konfessionen sind bemerkenswert: die luth. Peter-Pauls-Kirche (mit Altarbild von Brüllow) auf dem Newskij-Prospekt, die kath. Katharinenkirche auf derselben Straße und die deutsch-reform. Kirche unweit der Post. P. hat 25 Friedhöfe.

Weltliche Bauten. Von kaiserl. Palästen steht obenan: der Winterpalast (137 m lang, 106 m breit, 24 m hoch), 1751-64 von Rastrelli erbaut, 1837 nach einem Brande umgebaut, mit der kaiserl. Schatzkammer, in der sich unter andern der berühmte Diamant Orlow befindet (s. Diamant, Bd. 5, S. 248 a). Er ist durch Bogengänge mit der Alten und der Neuen Eremitage (letztere rechteckig in griech. Stil, 1840-52 von Klenze erbaut) verbunden. Dann sind bemerkenswert: das Anitschkow-Palais, 1741-44 erbaut, gewöhnlich Wohnung des Thronfolgers nach seiner Verheiratung, von Kaiser Alexander III. aber auch nach der Thronbesteigung als Wohnung beibehalten; das Marmorpalais, 1770-83 erbaut, an der Newa; die Palais mehrerer Großfürsten und Großfürstinnen, darunter das alte Michaelsche Palais (1819-24 erbaut; jetzt Ingenieurschule); das Taurische Palais (1783 von Katharina II. erbaut) mit einem Riesensaal (dem sog. Wintergarten; jetzt Skulpturenmuseum) und großem Park. Zahlreich sind die Regierungsgebäude: die prächtige Admiralität, Sitz des Marineministeriums, mit Bibliothek, einer Sammlung von Schiffsmodellen u. a.; das Generalstabsgebäude mit einer Façade von 768 Fenstern, das Reichsratsgebäude (ein ehemaliges Leuchtenbergsches Palais), das alte und das neue