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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Pflichtexemplare; Pflichtteil

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Pflichtexemplare – Pflichtteil

rungen auftreten, denen gleichmäßig zu genügen unmöglich ist. Die Lehre von der Entscheidung solcher Kollisionsfälle heißt Kasuistik (s. d.).

Pflichtexemplare, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften an Behörden, Bibliotheken oder andere Institute meist unentgeltlich abzugebenden Exemplare neuer Erzeugnisse der Buchdruckerkunst oder verwandter mechan. Vervielfältigungsverfahren. Ihre Quelle war einerseits vorbeugende Censur, deren Anfänge in die nächsten Decennien nach Erfindung der Druckerkunst zurückgehen, oder behördliche Überwachung, die teils wie in Frankreich (Gesetz vom 29. Juli 1881) und Italien (Gesetz vom 26. März 1848) auf die gesamte gedruckte Litteratur, teils wie in Deutschland (ohne Elsaß-Lothringen) nur auf die polit. Zeitungen (Reichspreßgesetz vom 7. Mai 1874) oder zugleich auf die Litteratur geringen Umfangs sich erstreckt wie in Österreich (Preßgesetz vom 17. Nov. 1862). Auf der andern Seite knüpfte die Forderung an Privilegien und Vergünstigungen an, welche (seit dem 15. Jahrh.) die Landesherren den Druckern verliehen. In England ist der Autorschutz gesetzlich an die Einlieferung der P. gebunden (Copyright-law vom 1. Juli 1842), ähnlich in Indien, wo aber die drei P. von der Regierung bezahlt werden, in Norwegen (Gesetz vom 20. Juni 1882), Niederlanden (Gesetz vom 28. Juni 1881), Spanien (Gesetz vom 12. Jan. 1879), Portugal (Gesetz vom 1. Juli 1867), Vereinigte Staaten von Amerika (Gesetz vom 8. Juli 1870) und in kleinern Staaten, aber auch in Frankreich und Italien neben den zur Überwachung dienenden P. Seitdem im Deutschen Reich Preß- und Gewerbefreiheit eingeführt, die Regelung der Frage der P. dagegen den Einzelstaaten überlassen ist, fehlt hier der Zusammenhang zwischen dieser einzelstaatlichen Abgabe und dem Schutz durch das Reich. In Sachsen, Baden, Mecklenburg, Oldenburg, Braunschweig u. s. w. ist die Abgabe von P. aufgehoben worden. – Die Zahl der verlangten Exemplare wechselt sehr; bald ist der Verleger, bald der Drucker abgabepflichtig, bald umfaßt sie Karten, Musikwerke, Kunstblätter mit, bald wird für die P. oder einen Teil von ihnen (Österreich) Zahlung geleistet. Die Stellen, welchen die P. vom Staate zugewiesen werden, sind fast ausschließlich öffentliche Bibliotheken (früher zunächst die der Landesfürsten), welche so zu Sammelstätten der gedruckten Litteratur des betreffenden Landes oder Landesteiles werden sollen. – Vgl. Joh. Franke, Die Abgabe der P. von Druckerzeugnissen (Berl. 1889).

Pflichtteil (Portio legitima). Es giebt gewisse Personen, welche der Erblasser nicht gänzlich von seinem Nachlaß ausschließen darf. Hinterläßt er solche pflichtteilsberechtigte Personen, so darf er, wie der Code civil und das Badische Landrecht es ausdrücken, nur über einen Bruchteil seines Nachlasses verfügen. Die andern Rechte fassen die Sache von dem Standpunkt des pflichtteilsberechtigten Erben aus auf. Ihm muß etwas gelassen werden. Würde er, wenn der Erblasser nicht verfügt, den ganzen Nachlaß erben, ist er also der einzige gesetzliche Erbe, so berechnet sich der P. als Teil des Nachlasses. Der pflichtteilsberechtigte Erbe hat Anspruch auf die Hälfte oder ein Dritteil des Nachlasses. Ist er einer von mehrern gesetzlichen Erben, so würde er, wenn der Erblasser nicht verfügt hätte, einen Bruchteil des Nachlasses als gesetzlichen Erbteil erhalten, z. B. wenn drei Söhne und von vier verstorbenen Töchtern je zwei Enkel vorhanden wären, jeder Sohn ⅐, jeder Enkel 1/14. Hier muß der Erblasser dem Sohn 1/14, dem Enkel 1/28 vom Nachlaß hinterlassen. Man kann das so ausdrücken: der P. ist ein Bruchteil des gesetzlichen Erbteils. Damit ist nur ausgedrückt, wie im einzelnen Fall die Größe des P. rechnerisch zu finden ist.

Einen P. gewähren die geltenden Rechte den Abkömmlingen; eine große Zahl derselben versagt ihn noch unehelichen Kindern, teils überhaupt, wie das Bayrische Landr. Ⅲ, 3, §. 14, und das Frankfurter Recht, teils gegenüber den Vorfahren der Mutter, wie das Preuß. Allg. Landr. Ⅱ, 2, §. 661 und das Österr. Bürgerl. Gesetzb. §. 754, teils nur dann, wenn eheliche Abkömmlinge vorhanden sind, wie das Bamberger Landr. S. 341, die Fränk. Landgerichtsordnung Tit. 82, das Lübische Gesetz vom 10. Febr. 1862, Art. 19. Für das Gebiet des Code civil ist bestritten, ob uneheliche Kinder überhaupt sog. Vorbehaltserben sind. Dem Erzeuger gegenüber haben uneheliche Kinder nur ausnahmsweise ein Erbrecht. Nach dem Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §. 2565 mit 2019, dem württemb. Recht u. a. gebührt unehelichen Kindern, soweit ihnen ein gesetzliches Erbrecht zusteht, auch ein P. – Nach vielen Rechten haben alle Vorfahren, sofern sie gesetzliche Erben sein würden, ein Recht auf einen P., so nach dem Gemeinen Recht, dem Preuß. Allg. Landr. Ⅱ, §§ 501 fg., dem Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §. 2565, dem Code civil Art. 915, dem Österr. Bürgerl. Gesetzb. §§. 762, 763; nach einigen Rechten nur die Eltern, so nach den meisten Thüring. Erbgesetzen, dem Lübischen Gesetz von 1862, dem Frankfurter Recht; vereinzelt die Eltern und Großeltern. Geschwistern gebührt ein P. nur nach dem Gemeinen Recht und einigen ihm folgenden ältern Rechten, zumeist unter der Voraussetzung, daß sie von demselben Vater abstammen und ihnen eine nicht ehrenhafte Person vorgezogen ist (vgl. Persona turpis). – Dem Ehegatten gewähren die neuern Rechte zumeist einen P., so das Preuß. Allg. Landr. Ⅱ, 1 §§. 631 fg., das Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §§. 2578 fg., die Thüring. Erbgesetze, das Lübische Gesetz von 1862, die Oldenburger Gesetze von 1873 und 1879 (Fürstentum Lübeck). Das Österr. Bürgerl. Gesetzb. §. 796 giebt ihm nur unter gewissen Voraussetzungen Anspruch auf Gewährung des mangelnden anständigen Unterhalts. Zweifel bestehen in Ansehung des Code civil. Viele Rechte geben dem Ehegatten einen unentziehbaren Anspruch als Ausfluß des bestandenen ehelichen Güterrechts.

Die Größe des Bruchteils, welcher für die Berechnung des P. maßgebend ist, wird in den verschiedenen Rechten verschieden bestimmt. Das Gemeine Recht und viele ihm folgende Rechte, auch das Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §. 2566 bestimmen den Bruchteil für Abkömmlinge auf ein Drittel oder die Hälfte, je nachdem vier oder mehr Stämme in Betracht kommen. Das Preuß. Allg. Landr. Ⅱ, 2, §. 392 bestimmt den Bruchteil auf ein Drittel, die Hälfte oder zwei Drittel, je nachdem zwei, drei, vier oder mehr Kinder vorhanden sind. Andere Rechte bestimmen den Bruchteil stets auf die Hälfte, so eine Anzahl thüring. Gesetze und das Österr. Bürgerl. Gesetzb. §. 765. Noch andere Rechte bestimmen den P. stets auf ein Drittel, wieder andere auf zwei Drittel. Der Code civil Art. 913 bestimmt den der freien Verfügung unterliegenden Bruchteil auf die