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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Philosophische Grammatik; Philosophischer Merkur; Philosophisches Ei; Philosoph von Sanssouci; Philostratus

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Philosophische Grammatik - Philostratus

begegnen und gleichsam Verständigung suchen müssen, um ihr Gebiet, nach den eigenen, innern Gesetzen des Bewußtseins selbst, gegeneinander zu begrenzen. Es ist von Kants großen Entdeckungen vielleicht eine der genialsten, daß jene Forderungen alle, die wir mit einer ziemlich unbestimmten Bezeichnung der "praktischen" Sphäre zuweisen, ihren genauen Zusammenhang mit der theoretischen Vernunft darin haben, daß sie ihr wahres und eigentümliches Objekt, in scheinbar unversöhnlichem Gegensatz zu jener, überhaupt nicht im Felde der Erfahrung (d. h. jenes unbegrenzten Fortschrittes der Erkenntnis, der, eben weil unbegrenzt, des Abschlusses in einer Erkenntnis des Gegenstandes, wie er "an sich" wäre, unfähig ist), sondern an der äußersten, bloß idealen Grenze derselben suchen, die wir denken und fordern, aber mit keiner wirklichen Erkenntnis zu erreichen vermögen. Denn sie alle, am ersichtlichsten die sittliche Erkenntnis und auf ihrem Grunde die religiöse, tiefer ergründet aber auch die ästhetische, verlangen einen Halt am Ewigen, Unwandelbaren, Unbedingten, der doch in der stets bedingten Erfahrung unerreichbar ist. Kants Lösung besteht hier darin, daß das Unbedingte, wenngleich nicht erkannt, doch gedacht werden kann und sogar muß, daß es aber in praktischer (besonders sittlicher) Absicht (da es hier um ein Sollen, nicht um ein Sein zu thun ist) auch nicht erkannt, sondern bloß gedacht zu werden, bloß als Idee, d. h. als Gesichtspunkt der Beurteilung festzustehen braucht. Gesetzt nun auch, diese Lösung wäre unzutreffend oder wenigstens unzureichend, so bleibt dennoch gewiß, daß eine Lösung nirgends anders als auf dem eigenen Boden des Bewußtseins und seiner innern Gesetzmäßigkeit gefunden werden kann. Und so dürfte auch nach dieser Richtung die kritische Wendung der P. Fortschritte verheißen.

Wenn nun solchergestalt in jeder sachlichen Rücksicht der neue, von Kant entdeckte Sinn der philos. Aufgabe sich bewährt, so gewinnen wir damit schließlich auch eine sichere Grundlage des Verständnisses und der Beurteilung alles dessen, was in der P. von deren Anfängen an erstrebt worden ist. Die Geschichte der P. zeigt unter diesem neuen Gesichtspunkte einerseits mehr Zusammenhang, indem jenes wahre Ziel derselben, wie sehr auch verfehlt, doch in irgend einem Grade fast stets, den Forschenden selbst nur halb bewußt, angestrebt wurde; nur daß man stets geneigt war, die innern, im Bewußtsein selbst wurzelnden Zusammenhänge in die Gegenstände zu verlegen und gleichsam zu projizieren; zugleich begreifen sich eben aus diesem Grundirrtum des Dogmatismus, der namentlich die stete Verwirrung der philos. mit der objektiv-wissenschaftlichen Aufgabe und ferner der theoretischen mit praktischen, religiösen und ästhetischen Begriffen so erklärlich macht, die zahllosen Irrungen und Widersprüche, mit ihrer unvermeidlichen Konsequenz, der Skepsis. (Daher sind die drei natürlichen Stufen im Entwicklungsgange der P.: Dogmatismus, Skepticismus, Kriticismus (s. Kritik.) So sind im Altertum die Keime des Kriticismus bei Sokrates und Plato bereits sehr deutlich zu erkennen (s. Griechische Philosophie). Aristoteles freilich wandte sich, trotz reichlicher Aufnahme Platonischer Elemente, zu einem sehr entschiedenen Dogmatismus zurück, der seitdem, namentlich im Mittelalter infolge der grundsätzlichen Verquickung der P. mit der Theologie (s. Scholastik), in kaum bestrittener Herrschaft sich behauptete, bis die moderne Reform der Wissenschaften auch der P. neues Leben einflößte. Auch dann sind es die Keime kritischer Reflexion (so in Descartes), die ihre wichtigsten Etappen bezeichnen; bis sie endlich bei Kant zu einer radikalen Reform führte, die wohl bei keinem seiner Nachfolger ganz ohne Frucht bleiben konnte, obwohl sie zu einer dauernden und allgemeinen Herrschaft bis heute nicht gelangt ist. (S. Französische Philosophie, Englische Philosophie, Deutsche Philosophie.)

Litteratur. Außer den ältern Werken von Brucker, Buhle, Tennemann, Degérando vgl. Ritter, Geschichte der P. (12 Bde., Hamb. 1829-53); Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der P. (2. Aufl., 3 Bde., Berl. 1840-44); Erdmann, Grundriß der Geschichte der P. (3. Aufl., 2 Bde., ebd. 1878); Lewes, The history of philosophy from Thales to the present day (5. Aufl., 2 Bde., Lond. 1880; auch in deutscher Übersetzung, Berl. 1873 u. 1876); Überweg, Grundriß der Geschichte der P. (7. Aufl., 3 Bde., besorgt von Heinze, Berl. 1888; besonders reich an Litteraturangaben); Schwegler, Geschichte der P. im Umriß (15. Aufl., Stuttg. 1891); Bergmann, Geschichte der P. (2 Bde., Berl. 1892-93); Windelband, Geschichte der P. (Freib. i. Br. 1892); Cousin, Histoire générale de la philosophie (11. Aufl., Par., 1893); Deussen, Allgemeine Geschichte der P. (Bd. 1, Abteil. 1, Lpz. 1894).

Philosophische Grammatik, s. Allgemeine Grammatik.

Philosophischer Merkur und Philosophischer Schwefel, die beiden hypothetischen Elemente der Alchimisten. Ersterer stellt das Princip des Metallischen, letzterer das des Verkalkbaren oder Verbrennlichen dar. Aus ihnen sollten alle Metalle bestehen. Sie sind nicht mit dem gewöhnlichen Merkur (Quecksilber) und Schwefel identisch. (S. auch Alchimie.)

Philosophisches Ei, eiförmige Phiole, in welcher die Alchimisten den Stein der Weisen hervorzubringen suchten.

Philosoph von Sanssouci nannte sich Friedrich d. Gr. selbst auf dem Titel der ersten 1752 erschienenen Sammlung seiner Werke ("Œuvres du Philosophe de Sanssouci. Au Donjon du Château. Avec privilège d'Apollon").

Philostratus, Flavius, der Ältere, aus Lemnos, griech. Sophist und Rhetor, lebte zu Ende des 2. bis gegen Mitte des 3. Jahrh. n. Chr. als Lehrer der Beredsamkeit in Athen, später in Rom, und verfaßte mehrere Schriften, die trotz der Geziertheit und Künstelei der Darstellung ihres Inhalts wegen nicht ohne Wert sind. Es sind dies die auf Verlangen der Kaiserin Julia, Gemahlin des Septimius Severus, verfaßte Lebensbeschreibung des Apollonius von Tyana ("Vita Apollonii"), ferner der "Heroicus", eine mytholog. Geschichte der Helden des Trojanischen Krieges, in dialogischer Form; die "Eikones" ("Imagines"), welche die Beschreibung einer (angeblichen) Gemäldesammlung zu Neapel enthalten; die "Vitae sophistarum", eine Anzahl von Briefen; endlich die erst in neuerer Zeit wieder aufgefundene Schrift über die Gymnastik ("De arte gymnastica libellus"). Unter den Ausgaben sämtlicher Werke sind die von Kayser (Zür. 1844 und Lpz. 1870-71) hervorzuheben; unter den Ausgaben einzelner Schriften die des "Heroicus" von Boissonade (Par. 1806), der "Imagines" von Jacobs und Welcker (Lpz. 1825) und von den Mitgliedern des Wiener