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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Physiologische Chemie; Physiologische Zeit; Physiologus

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Physiologische Chemie - Physiologus

zenbewegung, Spannungserscheinungen der Pflanzen und Wachstum.)

Die Litteratur über Pflanzenphysiologie ist sehr ausgedehnt; aber nur wenige Werke behandeln das ganze Gebiet. Unter diesen letztern sind als historisch interessant zu nennen: Senebier, Physiologie végétale (5 Bde., Genf 1800); De Candolle, Physiologie végétale (3 Bde., Par. 1832; deutsch, 2 Bde., Stuttg. 1833-35); Meyen, Neues System der Pflanzenphysiologie (3 Bde., Berl. 1837-39). Von neuern Werken sind besonders zu erwähnen: Sachs, Handbuch der Experimentalphysiologie der Pflanzen (Lpz. 1865); Pfeffer, Handbuch der Pflanzenphysiologie (2 Bde., ebd. 1881-82); Sachs, Vorlesungen über Pflanzenphysiologie (ebd. 1882; 2. Aufl. 1887).

Die Geschichte der P. beginnt strenggenommen erst mit der epochemachenden Entdeckung des Blutkreislaufs durch den Engländer William Harvey (1619) und mit der wenige Jahre später erfolgten Entdeckung der Chylusgefäße durch Kaspar Aselli zu Pavia. Weitere wichtige Fortschritte wurden durch die Erfindung des Mikroskops, durch die Vervollkommnung der Injektionstechnik und durch die Begründung der mikroskopischen Anatomie durch Marcello Malpighi (1628-94) veranlaßt. Die erste kritische Zusammenstellung der P. gab Albrecht von Haller in seinen berühmten "Elementa physiologiae" (8 Bde., Lausanne 1757-66). Epochemachend waren Ende des 18. Jahrh. die Untersuchungen von Priestley und Lavoisier über die chem. Vorgänge des Atmungsprozesses, sowie die Entdeckungen Galvanis, welcher die Lehre von der Muskel- und Nervenelektricität begründete. In den letzten fünfzig Jahren wurde die P. durch die erfolgreiche Thätigkeit zahlreicher Forscher, unter denen besonders Johannes Müller, Du Bois-Reymond und Helmholtz in Berlin, Magendie, Flourens und Claude Bernard in Paris, E. H. Weber und Ludwig in Leipzig, Hering in Prag, Brücke in Wien, Donders in Utrecht u. a. zu nennen sind, zu einer umfangreichen und wichtigen Wissenschaft erhoben, die auf die Entwicklung der gesamten Medizin von maßgebendem Einfluß geworden ist und der neuern Richtung den Namen der physiologischen Medizin verschafft hat.

Über Umfang und neuere Fortschritte der P. geben die Hand- und Lehrbücher von Ludwig (2. Aufl., Lpz. 1858-61), Brücke (4. Aufl., 2 Bde., Wien 1885-87), Wundt (4. Aufl., Stuttg. 1878), Grünhagen (7. Aufl., 3 Bde., Hamb. 1884-87), Vierordt (5. Aufl., Tüb. 1877), Hermann (10. Aufl., Berl. 1892), Landois (8. Aufl., Wien 1893) und Ranke (4. Aufl., Lpz. 1881) sowie das große Handbuch der P. von Hermann (6 Bde., ebd. 1879-83) nähere Auskunft. Vgl. noch Du Bois-Reymond, Der physiol. Unterricht sonst und jetzt (Berl. 1878). - Von Fachzeitschriften über P. sind zu nennen: Archiv für Anatomie und P. (hg. von Du Bois-Reymond, Lpz. 1877 fg.), Archiv für die gesamte P. (hg. von Pflüger, Bonn 1868 fg.), Zeitschrift für Biologie (hg. von Voit, Münch. 1865 fg.), Physiol. Centralblatt (hg. von Exner und Gad, Wien 1887 fg.), Biologisches Centralblatt (hg. von Rosenthal, Erlangen 1881 fg.), Zeitschrift für physiol. Chemie (hg. von Hoppe-Seyler, Straßb. 1877 fg.).

Physiologische Chemie, s. Tierchemie.

Physiologische Zeit oder Reaktionszeit, die Zeit, die man gebraucht, um auf einen Sinnesreiz mit einer Bewegung zu antworten. Ist der Reiz ein einfacher und bekannter und die auszuführende Bewegung eine verabredete, so spricht man von einfacher Reaktionszeit. Um sie zu messen, werden auf die berußte Papierfläche einer schnell bewegten Trommel durch elektrische Übertragung geschrieben 1) Stimmgabelschwingungen, 2) der Moment des Reizes und 3) die Bewegung des Reagierenden. Die Reaktionszeit ist nach Art und Stärke des einwirkenden Reizes, nach der Individualität der Versuchsperson sowie nach dem Grad der Aufmerksamkeit und erlangten Übung verschieden. Aber selbst bei völliger Gleichheit der genannten Bedingungen fallen die Reaktionszeiten noch wesentlich verschieden aus, je nachdem die Aufmerksamkeit des Reagierenden auf den erwarteten Sinnesreiz (sensorielle Reaktion) oder auf die auszuführende Bewegung (muskuläre Reaktion) gerichtet ist. Letztere ist immer erheblich kürzer. So betrug z. B. für einen bestimmten Reagierenden die sensorielle Reaktionszeit auf einfache Schallreize 216 Tausendstel einer Sekunde (σ), die muskuläre Reaktionszeit dagegen 127 σ, auf elektrische Hautreize 213 und 105 σ, auf Lichtreiz 290 und 172 σ u. s. f. Um die Erforschung der physiol. Zeit, die in engster Beziehung zur Frage von der persönlichen Gleichung (s. d.) steht, haben sich namentlich Donders, Exner, von Wittich, Wundt und L. Lange verdient gemacht.

Physiologus (grch.), eine im Mittelatter sehr verbreitete Klasse von kleinen Zusammenstellungen christl. Zoologie. Das älteste Werkchen dieser Art beruft sich auf einen P., d. h. einen naturkundigen Meister, dessen Namen wir nicht kennen, vielleicht ist Aristoteles gemeint. Dieser älteste griech. sogenannte P. entstand in der ersten Hälfte des 2. Jahrh. n. Chr. in Alexandria; er erzählt in knapper Form die verschiedenen Eigenschaften (Naturen) allerlei biblischer oder aus griech. naturwissenschaftlichen Quellen bekannter, zum Teil ganz sagenhafter Tiere (z. B. Löwe, Pelikan, Phönix, Sirene, Panther, Einhorn, Hyäne u. s. w.) und deutet diese Eigenschaften auf Christus oder den Teufel oder sonst religiös derartig, daß die Hauptpunkte der christl. Glaubenslehre zur Sprache kommen. Die Zahl und Anordnung der Tiere und ihrer Naturen schwankt schon in den verschiedenen Handschriften dieses griech. Textes (hg. von Pitra im "Spicilegium Solesmense", Bd. 3, Par. 1855) sehr bedeutend. Auf der griech. Fassung beruht der äthiopische P. (hg. von Hommel, Lpz. 1877), der armenische, arabische, die syrischen. Im Abendland wurde der P. besonders verbreitet in verschiedenen lat. Bearbeitungen (hg. von Cahier in den "Mélanges d'archéologie", Bd. 2-4, Par. 1848-56), deren älteste um 400 entstanden ist; ihr scheint der P. im Codex lat. Monac 19410 am nächsten zu stehen. Aus dem lateinischen P. schöpften mittelbar oder unmittelbar die christl. Encyklopädisten wie Isidor von Sevilla, Thomas von Cantinpré, Albertus Magnus, Vincenz von Beauvais u. s. w.; im "Physiologus Theobaldi" wurde er metrisch bearbeitet; er wurde ins Althochdeutsche mehrfach übersetzt (der althochdeutsche P. des 11. Jahrh. in Müllenhoffs und Scherers "Denkmälern der Poesie und Prosa", Nr. 81; der des 12. Jahrh. in Karajans "Deutschen Sprachdenkmalen des 12. Jahrh.", Wien 1846; vgl. Mann im 11. Bde. der "Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Litteratur", Halle 1886), ferner ins Isländische (hg. von Dahlerup, Kopenh. 1889), poetisch bearbeitet in angelsächs. Sprache und liegt