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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Pisa
Das Leben der Stadt und besonders der Frem-
denwelt vereinigt sich am Lungarno, breiten statt-
lichen Quais, die sich in ganzer Länge der Stadt
an beiden Usern des Flusses hinziehen. - Unter den
mehr als 80 kirchlichen Gebäuden zeichnen sich
aus der Dom (s. Tafel: Italienische Kunst I,
Fig. 1), 1063 nach dem großen Seesiege bei Palermo
gegründet, von den Baumeistern Vusketus und Rai-
naldus im toscan.-roman. Stil erbaut, 1118 durch
Papst Gelasius II. geweiht, nach einem Brande von
1595, der besonders das Langhaus beschädigte,
1597-1604 hergestellt. Die fünfschifsige Basilika
(95 in lang, 32 in innen breit) mit dreischifsigem
Querhaus und elliptischer Kuppel ist in weißem
Marmor erbaut mit schwarzen und roten Streifen,
und hat eine prächtige Facade mit Galerien, 1602
neu eingesetzte Erzthüren mit Darstellungen aus der
heiligen Geschichte von Mocchi, Tacca und Mora und
zahlreiche Kunstwerke im Innern. Eine Erzthür von
Bonannus (1180) im südl. Querschisf mit 24 Reliefs
aus der biblischen Geschichte ist beim Brande von
1595 erhalten geblieben. Das Vaptisterium, die
Tauskapelle, ebenfalls ganz in Marmor, ist 1)53
von Diotialvi begonnen und im 13. Jahrh, voll-
endet, mit got. Zuthaten des 14. Jahrh. C's ist ein
von Halbsäulen, darüber von einer Galerie um-
gebener Rundbau (30m im Durchmesser) mit konischer
Kuppel (54 in hoch, 1856 restauriert) und einer sechs-
eckigen, von 7 Säulen getragenen Kanzel, einem be-
rühmten Meisterwerke von Niccolo Pisano (1260),
mitNeliefs biblischen Inhalts (s. Taf. IV, Fig. 1). Der
runde Glockenturm, Campanilo, mit 8 Stockwerken,
ist 1174 von Vonannus von P. und Wilhelm von
Innsbruck begonnen, 1350 von Tom. Pisano be-
endigt; er ist ganz von Marmor, 54 in hock, oben
platt und mit einer Galerie umgeben. Die Neigung
des Turmes (4,3 m) nach Süden ist wahrscheinlich
während des Baues entstanden, weshalb die obern
Stockwerke auf der Nordseite verstärkt sind. Nörd-
lich vom Dom und Baptisterium der vom Crzbischof
Ubaldo (1188 - 1200) gegründete c^mpo 83.nto;
die ringsum laufenden Hallen (126 in lang, 52 in
breit, 15in hoch) im toscan.-got. Stil sind 1278
-83 nach Plänen von Giov. Pisano erbaut und ber-
gen berühmte Freslen der toscan. Schule des 14.
und 15. Jahrh. (Giotto, Anton. Veneziano, LucaSpi-
nello, Lorenzetti, Venozzo Gozzoli u. a.), darunter
der Triumph des Todes und das Weltgericht, Skulp-
turen und Grabmäler (Giov. Pisano, Thorwaldsen
u. a.). (Vgl. Carlo Lasinio, I^itwrk kl lrosco äei
Oainpo 3mito, Pisa 1812; Paolo Lasinio, kittni'6
äi li-6300 äei ^ainiio 32.111,0, Flor. 1832.) Die Kirche
San Paolo a ripa d'Arno, eine dreischifsige Basilika,
ist in der jetzigen Gestalt wahrscheinlich aus dem
13. Jahrb., hat eine durch drei Säulenstellungen ge-
schmückte Facade; ^anta Maria della Spina, benannt
nach einem 'Teilchen der Dornenkrone Christi, das
hier aufbewahrt wurde, ist franz.-got. Stils und
1230 für die in See gehenden Schiffer erbaut, 1323
erweitert und mit Bildwerken von Schülern des
Giov. Pisano geschmückt, 1872 trefflich wiederher-
gestellt. Die roman. Kirche San Sisto, 1089 ge-
gründet, hat schöne antike Marmor- und Granit-
säulcn; Santo Stefano ai Cavalicri, nach Zeichnun-
gen von Vasari 1565-96 erbaut, mit Facade nach
Vuontalentis Entwurf, Ordenskirche der 15'61 gestif-
teten Stephaniter, birgt türk. Trophäen; Santa Ca-
terina, um 1253 erbaut, mit Facade im pisan.-got.
Etil; San Niccolo, um 1000 vom Markgrafen von
Tuscien als Venediktinerabtei gegründet, mit schief
stehendem Glockenturm (Campanile) und einer vor-
trefflichen Wendeltreppe, angeblich von Niccolo Pi-
sano, und ^an Michele in Vorgo, eine alte Basilika
mit sehr alter Krypta und Facade, angeblich von Nic-
colo Pisano, im 13. Jahrh, zum Teil gotisch erneuert.
Bonden weltlich enGebäu den sind erwähnens-
wert der Palazzo Conventuale dei Cavalieri, von
Vasari umgebaut, die Universität, La Eapienza, ein
großes Gebäude von 1493,1543 erweitert,mit schönem
Hofe in Frührenaissance und einer Denktafel für die
1848 und 1859 gefallenen Angehörigen der Hocb-
schule, der Palazzo Lanfreducci, jetzt Uppezinghi,
von Cosimo Pagliani entworfen, Palazzo Agostino,
ein schöner got. Ziegelbau des 15. Jahrb., Palazzo
Lanfranchi, jetzt Toscanelli, 1822 von Lord Byron
bewohnt, die Loggia de'Vanchi von Buontalenti
(1605), jetzt Kornhalle, und der fchöne Palazzo del
Comune, früher Gambacorti, mit dem Archiv. - Die
Univerfität wurde 1343 als Generalstudium von
Papst Clemens VI. errichtet, ging 1359 ein, wurde
1364 neu privilegiert und verfiel 1406 vollständig.
1473 durch Lorenzo von Medici wieder eröffnet,
blühte sie kurze Zeit auf; 1542 wurde si^ von Cosimo
von Medici erneuert und reich ausgestattet, 1838
nach abermaligem Niedergange von Großherzog
Leopold II. von Toscana erweitert, 1839 mit einem
Physik. Institut ausgestattet und 1850 im alten Um-
fange eröffnet. Sie hat eine jurist., philof., mediz.-
chirurg. und mathcm.-naturwissenschaftliche Fakultät,
(1891-92) 85 Docenten, 728 Studierende und 14
Hörer, darunter 214 Juristen, 203 Mediziner und
134 Mathematiker. Zu ihr gehören ein Seminar
für Gymnasiallehrer mit Bibliothek (10947 Bände),
eine Ingenieur-, pharmaceutische, Veterinär- und
höhere Ackerbauschule, ein Museum für Natur-
geschichte, gestistct 1596, besonders für toscan.
Ornithologie und Geologie wichtig, und ein botan.
Garten, 1547 gestiftet. Die Universitärsblbliothek,
1742 eröffnet, hat 116451 Bände, 7401 Schriften
und 333 Handschriften. - Ferner hat die Stadt ein
Gymnasiallyceum, eine technische Schule, Industrie-
schule, 1812 von Napoleon als Akademie der schönen
Künste gestiftet, ein Lehrer- und Lehrerinnenseminar,
eine Viblioteca Cateriniana des erzbischöfl. Semi-
nars (50 000 Bände), ein Museo civico (1893) und
ein Archiv mit 16 000 Pergamcnturkunden, dar-
unter sehr alte, von Friedrich Barbarossa 1162
und Richard Löwenherz 1192. Nahe bei der Stadt
befindet sich die landwirtschaftliche Anstalt und das
königl. Jagdschloß Cascine di San Nossore, eine
von den Medici gegründete Meierei mit großer
Stuterei und Kamelzucht. Gegenüber die vor dem I.
1000 erbaute Basilika San Pietro in Grado, mit
herrlichen antiken Säulen, ehemals ein besuchter
Wallfahrtsort. In der Nähe das lönigl. Lustschloß
Gombo, wo der engl. Dichter Shelley 1822 bei einer
Seefahrt seinen Tod fand. In der Valle dei Calci
die Kartause La Certosa, ein schöner Van von 1367,
mit Kirche und Kreuzgang, 1814 hergestellt. Handel
und Gewerbe haben erst in neuester Zeit einen Auf-
schwung genommen. - Die Umg egend ist gut an-
qebaut, ergiebig an gutem Ol und reich an schönem
Marmor. Das gemäßigte und etwas feuchte Klima
ist sehr angezeigt gegen Entzündungen des Kehl-
kopfes und der Luftröhre, gegen Lungenschwindsucht
sowie gegen Nervenkrankheiten. Am Fuße des Berges
San Giuliano, 6 kni von P., die schon zu Plinius'
Zeit bekannten Pisanischen Bäder, 36 Quellen,