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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Pius

1798 den Kirchenstaat (s. d.) in eine Römische Republik umschaffen sehen. Am 20. Febr. wurde er als Gefangener von den Franzosen von Rom weggeführt und 14. Juli in die Citadelle von Valence gebracht. Hier starb er 29. Aug. 1799. - Vgl. Bourgoing, P. VI. und sein Pontifikat (aus dem Französischen, Hamb. 1800); Tavanti, Fasti del S. P. Pio VI (3 Bde., Flor. 1804); Artaud de Montor, Histoire de Pie VI (Par. 1847); Brosch, Geschichte des Kirchenstaates, Bd. 2 (Gotha 1882); H. Schlitter, Reise des Papstes P. VI. nach Wien und sein Aufenthalt daselbst (in den "Fontes rerum Austriacarum", Bd. 47, Wien 1892).

P. VII. (1800-23), vorher Gregor Barnabas Graf Chiaramonti, geb. 14. Aug. 1740 in Cesena, trat im 16. Lebensjahr in den Benediktinerorden. Erst Abt, dann Bischof von Tivoli, seit 1785 Kardinal und Bischof von Imola, wurde er März 1800 zu Venedig zum Papst erwählt und hielt 3. Juli unter dem Schutz österr., engl. und türk. Waffen seinen Einzug in das bisher von den Franzosen besetzte Rom. Nachdem er in dem Konkordat vom 15. Juli 1801 mit Frankreich die Kirche mit dem Staate ausgesöhnt und unter Preisgebung der beeidigten und emigrierten Priester sowie unter Anerkennung der Civilehe und gewisser Staatsaufsichtsrechte als Oberhaupt der kath. Kirche in Frankreich anerkannt worden war, erhielt er auch den Kirchenstaat zurück. Widerwillig schloß er Verträge mit der Ligurischen und der Italienischen Republik und ungern vollzog er 2. Dez. 1804 die Kaiserkrönung Bonapartes. Seine Weigerung, Joseph Bonaparte als König von Neapel anzuerkennen und sich dem Kontinentalsystem (s. d.) Napoleons zu fügen, sowie seine Ansprüche auf Alleinherrschaft über die Kirche Frankreichs führten 2. Febr. 1808 zur Besetzung Roms durch die Franzosen, 17. Mai 1809 zur Einverleibung des Kirchenstaates in Frankreich, während Rom eine freie kaiserl. Stadt wurde. P. wies die ihm gebotenen Einkünfte und Besitzungen zurück und sprach 11. Juni 1809 den Bann gegen Napoleon aus, worauf er nebst dem Staatssekretär Kardinal Pacca gefangen nach Savona gebracht wurde. P. blieb allen Zumutungen Napoleons gegenüber standhaft, auch in Sachen der Ehescheidung wie der Wiedervermählung. Nach Fontainebleau übergeführt, gestand er 1813 dem Kaiser zwar die Bestätigung der neu ernannten Bischöfe zu, zog sie aber zurück, als Napoleon wider die Verabredung das Konkordat als Reichsgesetz veröffentlichte. Nach Napoleons Sturz führten die Verbündeten 24. Mai 1814 den Papst wieder nach Rom zurück. Sofort schritt er durch die Bulle Sollicitudo omnium zur Wiederherstellung des Jesuitenordens, vereinbarte mit Frankreich, Bayern und Sicilien Konkordate und schloß auch mit Preußen 1821 eine Übereinkunft. Gegen die Wiener Kongreßakte protestierte P. wegen Aufhebung der geistlichen Fürstentümer und wegen Abtrennung einiger Gebiete vom Kirchenstaat; die Bibelgesellschaften erklärte er für eine Pest. Im Kirchenstaat, der 6. Juli 1816 eine neue Verfassung erhielt, bemächtigten sich die Prälaten wieder aller höhern Ämter. Die kirchliche Restaurationspolitik des klugen Kardinals Consalvi feierte die größten Triumphe. P. starb 20. Aug. 1823. - Vgl. Henke, Papst P. VII. (Stuttg. 1862); Giucci, Storia di Pio VII (2 Bde., Rom 1864); Holzwarth, Napoleon I. und Pius VII. (Mainz 1872).

P. VIII. (1829-30), vorher Francesco Saverio, Graf Castiglione von Cingoli, geb. 20. Nov. 1761 zu Cingoli in der Mark Ancona, war seit 1800 Bischof von Montalto und wurde von Napoleon wegen seiner energischen Vertretung des Papsttums 1808 nach Südfrankreich verbannt. Nach der Wiedereinsetzung des Papstes erhielt er 1816 die Kardinalswürde. Als Papst (seit März 1829) gewann er durch Milde und Erleichterung der drückendsten Lasten die Liebe seiner Unterthanen. Doch entsprach die antinationale und illiberale Regierung seines Staatssekretärs Albani den Wünschen und Bedürfnissen des Volks wenig. In dieser Zeit kam das Konkordat mit Holland zu stande, und wurde die Angelegenheit der mit Rom unierten Armenier geordnet. P. starb 30. Nov. 1830. - Vgl. Artaud de Montor, Histoire du Pape Pie VIII (Par. 1844).

P. IX. (1846-78), vorher Johann Maria, Graf von Mastai-Feretti, geb. 13. Mai 1792 zu Sinigaglia, wurde 1818 zum Priester geweiht, war 1823-25 Gesandtschaftsattaché in Chile und dann als Prälat mit dem Armenwesen beschäftigt. Er wurde 1827 Erzbischof von Spoleto, 1832 Bischof von Imola. Seit 1840 Kardinal, wurde er bei seiner Wahl (16. Juni 1846) als nationalgesinnter Reformpapst mit Jubel begrüßt. Er begann mit einer Amnestie, wählte sich populäre Ratgeber, zeigte sich der ital. Einigung ebenso wie Verbesserungen in der Verwaltung zugeneigt, gab 1848 ein konstitutionelles Staatsgrundgesetz und nahm den liberalen Grafen Rossi zum ersten Minister. Nur in kirchlichen Dingen war er streng mittelalterlich, wie schon seine ersten Ansprachen bewiesen. In Sachen des Glaubens und der Moral sollte seine Autorität unantastbar sein; zur Aufhebung des Jesuitenordens ließ er sich nicht bewegen. Als P. die Teilnahme an dem Kriege Piemonts gegen Österreich ablehnte, verlor er bald das Vertrauen und die Liebe des Volks. Die Ermordung Rossis (15. Nov. 1848) und ein Aufruhr in Rom veranlaßten den Papst 24. Nov. zur Flucht nach Gaeta, worauf in Rom die Republik erklärt wurde, der Frankreich und Österreich indessen bald ein blutiges Ende bereiteten. Als P. (12. April 1850) zurückkehrte, war er verbittert, dem Einfluß der Jesuiten ergeben und begann mit Antonelli (s. d.) als Berater ein Regiment im Sinne der Restaurationspolitik. Während des Italienischen Krieges von 1859 empörte sich die Romagna; sie und die Marken nebst Umbrien wurden mit dem Königreich Italien vereinigt (1860). Das Patrimonium Petri war auf ein Drittel des frühern Kirchenstaates zusammengeschrumpft, und dieses blieb nur durch den Schutz franz. Waffen erhalten. Der "Papst-König" wies, trotz seiner Geldnot, die nur durch den Peterspfennig der Gläubigen in allen Landen gestillt werden konnte, mit starrem "Non possumus" ("Ich kann nicht") jede Verständigung mit der ital. Regierung von sich. Als nach der Schlacht bei Sedan die franz. Besatzung abzog, rückten die Italiener in Rom ein (20. Sept. 1870), und Victor Emanuel verlegte seine Residenz auf den Quirinal, nicht ohne durch das Garantiegesetz (s. d.) vom 13. Mai 1871 dem Papst die Souveränität, eine jährliche Rente sowie die volle kirchenregimentliche Selbständigkeit zu sichern. P. aber blieb unversöhnlich bis zuletzt. (S. Kirchenstaat.)

Das lange Pontifikat P.’ hat große kirchliche Erfolge zu verzeichnen. In Holland (1853) und England wurde die kath. Hierarchie wiederherge-^[folgende Seite]