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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Politische Vereine; Politūr; Politurleisten; Politz; Pölitz; Politzer; Polize; Polizei

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Politische Vereine - Polizei

deshalb in vielen Fällen den P. V. u. V. Zuchthaus und Festungshaft wahlweise an und bestimmt (§. 20), daß auf Zuchthaus nur dann erkannt werden darf, wenn festgestellt wird, daß die strafbar befundene Handlung aus einer ehrlosen Gesinnung entsprungen ist. Auch bei der Auslieferung (s. d.) wird der Gegensatz von gemeinen und P. V. u. V. von Bedeutung. Völkerrechtlicher Grundsatz ist, daß wegen P. V. u. V. eine Auslieferung nicht stattfindet. Anhaltspunkte dafür, was darunter zu verstehen sei, finden sich in den Auslieferungsverträgen nicht. Der Grundsatz selbst ist übrigens nicht unangefochten. Er ist bereits in mehrern Verträgen durch die sog. Belgische Attentatsklausel (Attentat Jaquins auf Napoleon Ⅲ. im Sept. 1854) durchbrochen, nach welcher als P. V. u. V. nicht angesehen werden soll der Angriff gegen das Oberhaupt einer fremden Regierung oder gegen Mitglieder seiner Familie, wenn dieser Angriff den Thatbestand des Totschlages, Mordes oder Giftmordes bildet. Andererseits ist die Meinung vertreten worden, daß internationalen Angriffen (z. B. der Anarchisten) gegenüber auch internationale Vereinbarungen Platz zu greifen hätten. – Vgl. von Liszt, Gutachten zum 16. Deutschen Juristentag (Berl. 1882).

In der österreichischen Strafrechtswissenschaft hat man den Begriff der polit. Delikte zu definieren gesucht als diejenigen vorsätzlichen widerrechtlichen Handlungen und Unterlassungen, welche die Rechtsgüter der Unverletzlichkeit des Staatsganzen, der Staatsverfassung, des Staatsoberhauptes und seiner Herrscherstellung, des successionsfähigen Regentenhauses, der gesetzlichen Thronfolgeordnung, der obersten Organe der Staatsgewalt und ihrer verfassungsmäßigen Wirksamkeit, der Sicherheit und Machtstellung des Staates im Innern sowie in der internationalen Staatengemeinschaft, der Autorität der öffentlichen Behörden, der Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte entweder verletzen oder gefährden und ihrer Beschaffenheit nach immer oder wenigstens in der Regel auf polit. Beweggründen beruhen. Auf der Bestimmung des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dez. 1867, daß über P. V. u. V. Geschworene urteilen sollen, beruht die Bestimmung der Einleitung zur Strafprozeßordnung, welche die Aburteilung des Hochverrats, der Störung der öffentlichen Ruhe, des Aufstandes und Aufruhrs und einzelner Fälle der öffentlichen Gewaltthätigkeit, aber nicht der Majestätsbeleidigung an die Schwurgerichte verweist. Daß eine Auslieferung wegen P. V. u. V. (als welche aber nicht ein gegen die Person eines fremden Souveräns oder gegen Mitglieder seiner Familie verübter Mord, Meuchelmord oder Vergiftung angesehen werden sollen) nicht erfolgt, ist in verschiedenen Staatsverträgen, die Österreich mit andern Staaten abgeschlossen hat, vorbehalten.

Politische Vereine, s. Vereinswesen.

Politūr, s. Polieren.

Politurleisten, s. Goldleisten.

Politz, czech. Police, Stadt in der österr. Bezirkshauptmannschaft Braunau in Böhmen, an der Mettau und der Linie Chotzen-Halbstadt der Österr.-Ungar. Staatsbahn, Sitz eines Bezirksgerichts (218,67 qkm, 27213 E.), hat (1890) 2602 meist czech. E.; Leinen- und Baumwollweberei. Die Politzer Wände sind ähnliche phantastische Felsgebilde wie die Adersbacher und Weckelsdorfer.

Pölitz, Karl Heinr. Ludwig, Publizist, geb. 17. Aug. 1772 zu Ernstthal, studierte in Leipzig Philosophie, Geschichte und Theologie, habilitierte sich 1794, wurde 1795 Professor an der Ritterakademie zu Dresden, 1803 außerord. Professor der Philosophie in Leipzig, noch in demselben Jahre Professor des Natur- und Völkerrechts in Wittenberg, wo er 1808 das Lehramt der Geschichte erhielt. 1815 kam er als Professor der sächs. Geschichte und Statistik wieder nach Leipzig; er starb hier 27. Febr. 1838. Seine an 30000 Bände starke Bibliothek vermachte er der Stadt Leipzig. Außer seinen kirchlich-moralischen Schriften und denen über deutsche Sprache und Litteratur sind zu nennen: «Handbuch der Weltgeschichte» (3 Bde., Lpz. 1805; 7. Aufl., von Bülau und Zimmer, 4 Bde., 1851‒53), «Handbuch der Geschichte der souveränen Staaten des Rheinbundes» (2 Bde., ebd. 1811), «Handbuch der Geschichte der souveränen Staaten des Deutschen Bundes» (Bd. 1 in 2 Abteil., ebd. 1817‒18), «Geschichte, Statistik und Erdbeschreibung des Königreichs Sachsen» (3 Bde., ebd. 1808‒10), «Die Regierung Friedrich Augusts, Königs von Sachsen» (2 Bde., ebd. 1830), «Die Staatswissenschaften im Lichte unserer Zeit» (5 Bde., ebd. 1823; neue Aufl. 1827), sein Hauptwerk; «Vermischte Schriften aus den Kreisen der Geschichte, der Staatskunst und der Litteratur überhaupt» (2 Bde., ebd. 1831), «Staatswissenschaftliche Vorlesungen» (3 Bde., ebd. 1831‒33). Ein verdienstliches Unternehmen war die Herausgabe des Werkes «Die europ. Verfassungen seit 1789» (4 Bde., Lpz. 1817‒25; 2. Aufl., 3 Bde., 1833‒34; Bd. 4, von Bülau, 1847).

Politzer, Adam, Ohrenarzt, geb. 1. Okt. 1835 zu Alberti in Ungarn, studierte in Wien, Würzburg, Paris und London, habilitierte sich in Wien als Docent der Ohrenheilkunde und veröffentlichte 1863 ein neues Heilverfahren gegen gewisse Formen der Schwerhörigkeit (Politzersches Verfahren), das in der künstlichen Eintreibung von Luft in die Eustachische Ohrtrompete besteht und sich als eine sehr wertvolle Bereicherung des ohrenärztlichen Heilschatzes bewährt hat. 1871 zum außerord. Professor der Ohrenheilkunde ernannt, begründete er eine außerordentlich reichhaltige Sammlung anatom. und pathol.-anatom. Präparate des Gehörorgans; 1873 wurde er zum Vorstand der ersten in Europa gegründeten Universitätsklinik für Ohrenkranke und 1894 zum ord. Professor ernannt. Außer zahlreichen Journalaussätzen veröffentlichte er: «Beleuchtungsbilder des Trommelfells im gesunden und kranken Zustand» (Wien 1865) «Lehrbuch der Ohrenheilkunde» (Stuttg. 1878‒82; 3. Aufl. 1893), «Zehn Wandtafeln zur Anatomie des Gehörorgans» (Wien 1873), «Plastische Darstellungen der Krankheiten des Trommelfells» (1876), «Die anatom. und histologische Zergliederung des menschlichen Gehörorgans im normalen und kranken Zustand» (Stuttg. 1889); «Atlas der Beleuchtungsbilder des Trommelfells» (Wien 1895).

Polize, soviel wie Police (s. d.).

Polizei (vom lat. politia, grch. politeia, Staatsverwaltung), nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch die Maßregeln zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Wohlfahrt, sowohl gegen unerlaubte Handlungen Einzelner als gegen schädliche Naturereignisse. Viele Schriftsteller verstehen darunter die gesamte innere Staatsverwaltung mit Ausschluß der Rechtspflege, andere scheiden auch das Militär- und Finanzwesen aus; noch andere beschränken den Begriff noch mehr, indem sie auch die Anstalten zur Förderung des Wohlstandes, des Unterrichts und der Kultur davon ausnehmen. Im Gegensatz zu