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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Portugiesische Litteratur

Im J. 1892 wurden befördert 5732372 Personen, 1489840 t Fracht- und 70020 t Eilgut; die Einnahmen betrugen 5758337, die Betriebskosten 2736744 Milreïs.

Im J. 1894 befanden sich in Portugal im ganzen etwa 450 km Eisenbahnen im Bau.

Über die Eisenbahnen im portugiesischen Afrika s. Angola und Mozambique.

Portugiesische Litteratur. Unter den Litteraturen der roman. Völker ist die P. L. die jüngste. Infolge seiner Lage und seiner geringen Volkszahl ist Portugal mehr als irgend ein anderes Land fremden Einflüssen zugänglich gewesen. So bildete sich die P. L. in der ersten Periode bis zum 14. Jahrh. unter dem Einflusse der provençal. Kunstpoesie; in der zweiten, bis zu Anfang des 16. Jahrh., unter dem der spanischen; in der dritten, bis in die Mitte des 18. Jahrh., nach klassisch-ital. und im Drama nach span. Mustern; und in der vierten und fünften, von der Mitte des 18. Jahrh. bis auf die Gegenwart, zuerst nach dem Vorbilde der klassisch-franz., später auch der engl. und deutschen Litteratur. Die charakteristischen Grundzüge der portug. Poesie sind die der Sprache und des Nationalcharakters: süße Weichheit, melancholische Vagheit, elegische Sentimentalität, die mit dem portug. Worte Saudades am besten charakterisiert ist.

I. Periode (1200-1385). Mit einer aus der Fremde stammenden Hofpoesie beginnt die P. L. Bald nachdem, im Anfang des 12. Jahrh., Heinrich von Burgund und sein Gefolge, südfranz. Ritter, die staatliche und nationale Selbständigkeit der Portugiesen begründet hatten, entstand unter seinen Nachfolgern eine höfische Minnedichtung im eigentlichen Sinne des Wortes. Schon die Söhne der bei Ourique gefallenen Krieger ahmten jene kunstvollen provençal. Troubadourweisen nach, welche auf der östl. Hälfte der Iberischen Halbinsel und in Castilien unter den Vorgängern Alfons’ des Weisen Schutz und Pflege gefunden hatten. Zu voller Blüte kam der portug. Minnesang jedoch erst um die Mitte des 13. Jahrh. und erreichte seinen Höhepunkt unter Dom Diniz (Dionysius), dem hervorragendsten der portug. Troubadours (1279-1325). Nächst dem Könige dichteten seine beiden natürlichen Söhne, Dom Affonso Sanches und Dom Pedro, Graf von Barcellos, und um sie schloß sich ein ansehnlicher Kreis von adligen und bürgerlichen Dichtern aus allen Gauen der Halbinsel. Gegen 200 Namen von Dichtern dieser Periode sind bekannt. Erhalten haben sich gegen 2000 Lieder. Aufbewahrt sind sie in sechs großen handschriftlichen Liederbüchern, "Cancioneiros" (s. Cancionero), die eigentlich nur zwei verschiedene Sammlungen bilden. Die eine, auf span. Boden entstandene, umfaßt die zahlreichen geistlichen Marienlieder Alfons’ X. (401 an Zahl) und existiert in drei voneinander bedeutend abweichenden Handschriften aus dem 13. Jahrh., deren Herausgabe der Marques de Valmar, Dom Leopoldo de Cueto, besorgt hat: "Cantigas de Santa María de Don Alfonso el Sabio" (Madr. 1889). Die zweite Sammlung setzt sich aus drei fragmentarischen Liederbüchern zusammen: das älteste, dem 14. Jahrh. angehörige, befindet sich in der Bibliothek zu Ajuda (bei Lissabon), "Cancioneiro da Ajuda". Man bezeichnete ihn früher als "Cancioneiro do Collegio dos Nobres" (unter diesem Titel hg. von C. Stuart, Par. 1823), oder auch fälschlich als "Liederbuch des Grafen Barcellos" (hg. von F. von Varnhagen: "O livro das Cantigas do Conde de Barcellos", Madr. 1849). Eine kritische Neuausgabe von C. Michaelis de Vasconcellos steht (1894) bevor. Der zweite, umfangreichere Codex aus dem 16. Jahrh. befindet sich in der Vatikanischen Bibliothek und ward, nachdem vorher große Bruchstücke veröffentlicht worden waren ("Cancioneiro d’el re Dom Diniz", von Moura, Par. 1847; "Cancioneirinho", von F. Varnhagen, Wien 1870; "Canti antichi portoghesi", von E. Monaci, Imola 1873), vollständig und diplomatisch von Ernesto Monaci ("Il Canzoniere portoghese della Biblioteca Vaticana", Halle 1875) und in restituiertem Texte von Braga herausgegeben (Lissab. 1878). Der dritte und reichhaltigste Codex gehörte früher dem Humanisten Angelo Colocci, jetzt dem Grafen Brancuti ("Il Canzoniere portoghese Colocci-Brancuti", hg. von Molteni, Halle 1880). Ein vierter soll sich im Besitz eines span. Granden befinden.

Zwei Drittel der portug. Troubadourdichtungen sind in Ton, Geist und Form nach provençal. Muster gestaltete Kunstschöpfungen: eigentliche Minnelieder, doch auch Schimpf-, Lobe- und Rügelieder sowie Tenzonen. Ein Drittel aber besteht aus nationalgearteten, in Ton, Geist und Form durch und durch volksmäßigen Weisen: Frauenliedern (Cantares de amigo) von leichtem, lebendigem Rhythmus und einfachem Strophenbau, in objektiv naiver Haltung und oft in dialogischer Form, welche auffallend an noch heute in Portugal, Galicien und Asturien gesungene Volkslieder erinnern.

Nächst dem Dichter-König Diniz, der diese Gattung sehr bevorzugte und dessen 138 Lieder in kritischer Neuausgabe von A. R. Lang vorliegen (Straßb. 1894), sind die hervorragendsten Troubadours sein Kanzler Estevam da Guarda, Joam Coelho, der castilianische Admiral Pae Gomes Charinho, Rodrigueannes Redondo und der Kleriker Airas Nunes. Wertvolle, wenngleich heute zum Teil veraltete Arbeiten über die altportug. Poesie lieferten Bellermann, "Die alten Liederbücher der Portugiesen" (Berl. 1840), und Fr. Diez, "Über die erste portug. Kunst- und Hofpoesie" (Bonn 1863). Eine Auswahl von Gedichten aus dieser Periode verdeutschte Wilhelm Storck: "Hundert altportug. Lieder" (Paderb. 1885). (Vgl. Th. Braga, Trovadores galecio-portuguezes, Oporto 1871.)

Das späteste Gedicht dieser Epoche, ein Werk König Alfons’ XI. von Castilien, ist spanisch geschrieben. Spanischer Einfluß fing also zwischen 1340 und 1350 bereits an sich geltend zu machen. Freilich sieht man fast noch ein Jahrhundert lang Spanier sich der galicischen oder portug. Sprache bedienen, so z. B. Pero Gonzalez de Mendoza, Diego Alvares de Villasandino und sogar den Marques de Santillana; doch beginnen (was bislang nicht geschehen war) auch Portugiesen spanisch zu dichten.

An Prosawerken hat die erste Periode wenig gezeitigt. Vielfach beschäftigte man sich mit Übersetzungen aus dem Französischen und Lateinischen: Stücke aus der Heiligen Schrift ("Collecção de Ineditos portuguezes dos seculos XIV e XV", hg. von Fortunato de S. Boaventura, 3 Bde., Coimbra 1829), Heiligenleben ("Vida de S. Eufrosina", "Vida de Maria Egipcia", hg. von Cornu in der "Romania", XI), und andere Werke erbaulichen Inhalts; Beispielsammlungen ("O Horto do sposo"), Höllenfahrten und Visionen ("Visão de Tungulu") nehmen den breitesten Raum ein. Sagen des Altertums, wie