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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Portugiesische Litteratur

den Neuern gilt; auch schrieb er nach franz. Mustern mehrere Tragödien ("Obras", Lissab. 1781). Manoel de Figueiredo (1725-1801) bemühte sich mit anerkennenswertem Eifer, doch ohne rechtes Talent um die Hebung der dramat. Kunst. Sein "Theatro" (14 Bde.) birgt viel brauchbaren Stoff, aber kein Meisterwerk. Mehr durch sein kritisches Studium der portug. Klassiker des 16. Jahrh. als durch seine eigenen Gedichte ist noch Francisco Diaz Gomez merkwürdig ("Obras", Lissab. 1799). Immer mehr riß jedoch die Gallomanie ein, besonders auf der Bühne, bis zur geistlosen Nachahmung, noch befördert durch zahllose Übersetzungen, wiewohl man durch den zunehmenden polit. Einfluß Englands auch schon Werke dieses Landes zu übertragen und mit dessen Litteratur bekannter zu werden anfing.

Erst gegen Ende des Jahrhunderts erhielt die portug. Poesie vorzüglich durch zwei Männer einen neuen eigentümlichen Glanz. Francisco Manoel do Nascimento, mit dem arkadischen Schäfernamen Filinto Elysio, geb. 1734, gest. 1819, und nach Garção und Diniz gebildet, ist ein Repräsentant des streng klassischen Nationalstils, ausgezeichnet durch Sprachreinheit und elegante Korrektheit. Er leistete Vorzügliches in der Lyrik; auch als Prosaist zeichnete er sich durch seine Übersetzung von Osorios lateinisch geschriebener Geschichte Emanuels d. Gr. aus. Der andere, Manoel Maria Barbosa du Bocage, der mit einem Dutzend Genossen eine zweite Akademie, die "Nova Arcadia", ins Leben rief, war ein geborener Dichter, feurig und leidenschaftlich bis zur Extravaganz. Durch seine Idyllen, Fabeln, Epigramme und vorzüglich durch seine Sonette, die zu den schönsten in portug. Sprache gehören, hat er eine bleibende Stelle errungen. Sein Ruhm verleitete viele Dichter, ihm^[sic!] nachzuahmen; diesen hat er es zu danken, wenn er als der Einführer eines neuen Gongorismus figurierte, den man nach seinem poet. Namen (Elmano) Elmanismo nennt. Doch verdienen unter seinen Nachfolgern genannt zu werden der Tragiker João Bapt. Gomes, der Verfasser der "Nova Casto", und J. M.^[José Maria] da Costa e Silva, der Dichter des anmutigen "Spaziergangs" ("O passeio"). Hingegen folgten der klassischen Schule des Filinto Elysio: Domingos Maximiano Torres, ausgezeichnet durch seine Idyllen und Canzonen; der auch als freisinniger Gelehrter nennenswerte Odendichter Antonio Ribeiro dos Santos; der gutmütige Satiriker Nicolau Tolentino de Almeida; der als Mathematiker berühmter gewordene philos. Dichter José Anastacio da Cunha, unter dessen "Composições poeticas" einige Musterstücke voll zarter Empfindung und sanfter Melancholie sind, welche ihn zu einem Vorläufer der Romantiker stempeln. Freilich hatte die Nachahmungssucht das Nationalgefühl so sehr unterdrückt, daß der maßlos arrogante José Agostinho de Macedo es wagen durfte, den größten Dichter seines Volks in den Staub herabzuziehen, indem er in den Zugaben zu seinem Epos "O Oriente", das denselben Gegenstand wie die "Lusiaden" behandelt, sich zu beweisen bemühte, daß Camões alles den ältern und frühern Italienern und Spaniern abgeborgt habe; und dieser Mann galt vielen Portugiesen für einen größeren Dichter als Camões! Sein bestes Gedicht ist "A meditação".

Die dramat. Poesie wagte nicht das herkömmliche franz. Gleis zu verlassen. Auch die der Gräfin von Vimieiro, Dona Theresa de Mello Breyner zugeschriebene, der Akademie anonym eingesandte und von ihr preisgekrönte Tragödie "Osmia" (1785; wieder abgedruckt 1788, 1795 u. 1835; spanisch 1798 und deutsch Halberstadt 1824) behandelt zwar einen nationalen Stoff, doch in strengem Anschluß an die franz. Einheitsregeln und in reimlosen Hendekasyllaben. Das Gleiche gilt von den 1816-20 erschienenen Tragödien des Manoel Caetano de Pimenta Aguiar und des verdienstlichen altlusitanischen Vicomte Pedro Nolasco da Cunha, der sich ehrlich, doch vergeblich bestrebte, durch Übersetzungen aus dem Deutschen, Englischen und Französischen der Nationalbühne aufzuhelfen.

Was die Prosa des 18. Jahrh. geleistet hat, läßt sich mit wenigen Worten sagen: die wissenschaftliche Ausbeute (die nicht gering anzuschlagen ist) steckt in den Publikationen der Geschichtsakademie. Werke von Allgemeinbedeutung lieferten drei vorzugsweise im Auslande lebende Denker: Antonio Nunes (1699-1783), dessen "Cartas sobre a educação da mocidade" (Köln 1760) manchen Zug zur Sittengeschichte Portugals liefern; Luis Antonio Verney (1713-92), Verfasser von didaktischen Schriften, unter denen der "Verdadeiro methodo de estudar" am nachhaltigsten gewirkt hat, und ganz besonders Francisco Xavier de Oliveira (1702-1783), der in Wien, im Haag und in London als Diplomat lebte, 1761 aber, weil er zum Protestantismus übergetreten war, in seiner Heimat in effigie verbrannt ward. Seine "Cartas familiares, historicas, politicas e criticas" und "Discursos serios e jocosos" (3 Bde., Haag 1742 und Lissab. 1855) sind leicht und gewandt geschrieben und entfalten manch ernstes und manch humorvolles Sittenbild.

V. Periode. Im 19. Jahrh. haben die Befreiungskriege und die polit. Umwälzungen auch in den Portugiesen das nationale Selbstgefühl wieder belebt und gestärkt; und unter den jüngern Dichtern sind viele, die sich von den fremden Fesseln losgemacht und eine volkstümlichere Richtung eingeschlagen haben. Vor allem aber hat die Unsitte aufgehört, in fremden Zungen, und besonders spanisch zu dichten. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts begegnet man auch in Portugal einer romantischen Schule. Ihre beiden Häupter sind Almeida-Garrett (1799-1854) und Alexandre Herculano (1810-77), zwei Männer, die um ihrer liberalen Principien willen auswanderten. Beide atmeten in Frankreich und England die Luft des Romantismus und kehrten in die Heimat zurück, von dem Bewußtsein durchdrungen, daß nur eine Einkehr bei der eigenen Nation und ein gründliches kritisches Studium ihrer Vergangenheit der Litteratur frische Lebenskraft zuführen könnte. Almeida-Garrett erregte als Dichter zuerst die Aufmerksamkeit durch sein im Exil gedichtetes und von Sehnsucht nach der sonnigen Heimat durchdrungenes Gedicht "Camões" (Par. 1825), worin er das Leben und Sterben des größten Dichters seiner Nation mit patriotischer Begeisterung singt. Ebenfalls noch zu Paris gab er ein satir. Poem in sieben Gesängen heraus: "Dona Branca ou a conquista do Algarve", in Wielandscher Manier, das vorzüglich gegen das Mönchswesen gerichtet ist; am merkwürdigsten aber ist der Roman in Versen "Adozinda" (Lond. 1828), weil er im romantischen Geiste und nach vaterländischen Volksromanzen verfaßt ist. Ein ganz besonderes Verdienst erwarb sich Almeida-Garrett durch die Sammlung der volkstümlichsten "Xá-^[folgende Seite]