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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Portugiesische Litteratur

caras" (Bd. 14 u. 15 seiner Werke), wie auch um das portug. Theater; er schuf es sozusagen von neuem, anknüpfend an Gil Vicente und stattete es mit Bühnenstücken nationalen Inhalts aus, wie: "Um auto de Gil Vicente", "O alfageme de Santarem", "Frei Luis de Sousa", "Philippa de Vilhena" u. s. w. Als Lyriker ist er monoton, sentimental, und erhebt sich nur in den leidenschaftlichen "Folhas cahidas" über die arkadische Mittelmäßigkeit; durch seine beiden Romane, den "Arco de Santa Anna" und die "Viagens na minha terra", die gleichfalls heimische Stoffe verwandten, führte er die P. L. in ein neues Gebiet. A. Herculano, der hochbedeutende Geschichtschreiber, der gelehrte Herausgeber der ältesten portug. Quellenwerke, kannte die Vergangenheit seines Vaterlandes wie kein zweiter und führt in seinen histor. Romanen rückwärts in die portug. Heroenzeit. Im "Eurico" und "Monge de Cistér", die auch den Gesamtnamen "O Monasticon" führen (Lpz. 1866), schildert er das Zeitalter Johanns I.; in den "Lendas e narrativas" führt er Episoden aus verschiedenen Jahrhunderten, von 1000 bis 1831, vor. Seine Gedichte berühren eine Saite, welche sonderbarerweise in Portugal bislang kaum erklungen war: die religiöse; das edle Pathos der "Harpa do Crente" entbehrt weder der Kraft noch der Eigenart. In seinen wissenschaftlichen "Kleinen Schriften", in der unvollendeten "Historia de Prtugal", dem ersten, die innere und äußere Entwicklung des portug. Reichs umfassenden Geschichtswerk, sowie in der "Historia da Inquisição" trägt Herculanos temperamentvolle Prosa das selbständigste Gepräge. Der dritte hervorragende Träger romantischer Ideen ist Antonio Feliciano de Castilho (1800-75), der als Lyriker die beiden entschieden überragt. Mit den "Ciumes do Bardo" (1838) und "Noite do Castello" (1836) trat er in die Reihen der Romantiker, doch nur für kurze Frist: seine frühern und spätern spontansten und formvollendetsten Lieder "Cartas de Echo a Narciso" (1821), "Primavera" (1822), "Amor e Melancholia" (1828), "Excavações poeticas" (1844) und "Outomno" (1863) verknüpfen ihn eng und unlöslich mit den ältern portug. arkadischen Dichtern. Alle drei haben bedeutende Nachfolger gefunden, alle von ihnen betretenen Pfade beschritt man weiter und kultivierte das heitere Lustspiel wie das histor. Drama, das größere erzählende Poem, die Novelle und Erzählung, den geschichtlichen Roman, von dem sich später der Sittenroman und die Dorfgeschichte abzweigten, die kritische Geschichtschreibung, die Polemik, den Essay, überhaupt das wissenschaftliche Erforschen der nationalen Vergangenheit in Geschichte, Litteratur, Kunst, Sprache, Folklore u. s. w., kurz in sämtlichen Lebensäußerungen des Volks. Den histor. Roman pflegten der als Geschichtsforscher bedeutsame Augusto Rebello da Silva z. B. in "A mocidade de D. João V" (7 Bde., Lissab. 1851-53) und "Odio velho não cança"; Andrade Corvo (1824-90) in "Um anno na côrte" (2. Ausg. 1863); Mendes Leal; Gomes de Amorim, Garretts größter Schüler, in "O amor da patria" (1879) und "Os Selvagens" (1875); Bernardino Pinheiro in "Amores de um visionario" (1874); Silva Gayo in seinem "Mario"; Oliveira Martins in "Phebus Moniz"; der Visconde de Figanière in "Guesto Ansures" (Lissab. 1883); Arnaldo Gama in "A última freira de S. Nicolao" und einer längern Reihe tüchtiger Leistungen; Pinheiro Chagas (geb. 1842) in "Ultimo Rei Cavallieiro"; vor allen andern jedoch der äußerst fruchtbare Camillo Castellobranco (gest. 1890), der in allen Epochen der heimischen Geschichte, besonders aber in der Neuzeit von 1578 an, vorzüglich bewandert war. "O senhor do Paço de Ninães", "Lucta de Gigantes", "O Judeu, "O Regicida" sind besonders erwähnenswert; doch leistete er im bürgerlichen Sittenroman, der seine eigenste Schöpfung ist, vielleicht noch Bedeutenderes: "Amor de perdição", "Amor de Salvação", "O retrato de Ricardina", "O bem e o mal" u. s. w. zeichnen portug. Zustände und Gestalten mit großer Treue und Lebendigkeit. Romantische Lyriker von einiger Bedeutung sind: José Freire de Serpa Pimentel ("Solaos", Coimbra 1839), A. L. Palmeirim, João de Lemos (1819-89, "Cancioneiro" und die "Canções da tarde"), Gomes de Amorim ("Cantos matutinos" und "Ephemeros), Mendes Leal ("O Pavilhão negro"), Bulhão Pato und besonders Thomas Ribeiro, Castilhos Lieblingsschüler, dem sein "Dom Jayme" nebst "Sons que passam" und "A Delfina do mal" einen bleibenden Namen gemacht hat. Viele von den bereits Genannten versuchten sich auch mit Erfolg als dramat. Dichter, so Mendes Leal, Gomes de Amorim, Serpa Pimentel, C. Castellobranco nebst Ernesto Biester, Ricardo Cordeiro und manche andere. Nationale Stoffe wurden mit Vorliebe gewählt: ein Meisterwerk ist jedoch nicht entstanden. Neuerdings hatten den anhaltendsten Erfolg "Os Lazaristas" von A. Ennes, "O Duque de Viseu" von Lopes de Mendonça und "Dom Affonso VI" von D. João da Camara. Als Garrett gestorben war und Herculano in ländlicher Zurückgezogenheit verstummte, übernahm Castilho die Führerrolle. Die junge Generation aber, der mittlerweile auf der Hochschule zu Coimbra durch die Beschäftigung mit deutscher Philosophie und franz. Humanitarismus neue Ideale aufgegangen waren, sagte sich von dem "posthumen Arkadier" los. Stimmführer im Coimbraner Streit, der im Winter 1865-66 ausbrach, waren João de Deus, der sich durch Anmut und Natürlichkeit seiner melodischen Schöpfungen auszeichnet; der Dichterphilosoph Anthero de Quental, dessen Meistersonette bereits in deutscher Übertragung von W. Storck (Paderb. 1887) vorliegen, und Theophilo Braga, der dem Comteschen Positivismus die Wege bahnte und in der "Zeitenschau" ("Visão dos tempos") seiner Weltanschauung Ausdruck gab. Seitdem gingen zwei Richtungen nebeneinander her, die romantische, deren Nachblüte noch nicht zu Ende ist, und die positivistische, welche alle Phasen, die sie in Frankreich durchgemacht hat, hier wiederholt. Zur erstern gehören Guerra Junqueiro, Gonçalves Crespo ("Miniaturas" und "Nocturnos"), João Penha, Eça de Queiroz, der mit seinem Freunde Ramalho Ortigão die geistvolle kritische und satir. Zeitschrift "As Farpas" herausgab (1O Bde.) und den romantischen Intriguenroman "Mysterio da Estrada de Cintra" (1871; 2. Aufl. 1885) schrieb, sich nachher jedoch dem realistischen Genre zuwandte und mit dem "Padre Amaro", dem "Primo Basilio" und den "Maias" den franz. Naturalismus in Portugal einführte. Abseits von der Coimbraner Schule entwickelten sich natürlich viele andere Talente: der Geschichtschreiber Oliveira Martins, Rodrigues de Freitas, dessen socialökonomische Studien Muster klaren Denkens und anschaulicher Darstellungskunst sind; der früh gestorbene Romanschriftsteller Julio