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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Preußen (Verwaltung)

Grund dessen sowie des preuß. Ausführungsgesetzes vom 24. April 1878 und des Gesetzes vom 4. März 1878 ist das Land in 13 Oberlandesgerichtsbezirke, und diese ihrerseits wieder in Landgerichts- und weiter in Amtsgerichtsbezirke eingeteilt (s. Gericht und Gerichtsverfassung). Oberster Gerichtshof für P. ist das Reichsgericht in Leipzig (s. Reichsgericht, Amtsgerichte, Landgericht, Oberlandesgerichte).

Verwaltung. Der preuß. Staat ist zum Zwecke der innern Verwaltung in 12 Provinzen eingeteilt (s. Tabelle, S. 387 und die Einzelartikel der Provinzen); besondere Verwaltungsbezirke bilden die Stadt Berlin und die Fürstentümer Hohenzollern. Die Provinzen zerfallen in Regierungsbezirke (36 mit Berlin und Sigmaringen), diese in Kreise (1894 im ganzen 549, davon 59 Stadtkreise, d. h. größere, einen Kreis für sich bildende Städte); den untersten Verwaltungsbezirk bilden die Gemeinden (1894: 1265 Stadtgemeinden, 36715 Landgemeinden, 16482 Gutsbezirke). Die Organe der allgemeinen Landesverwaltung sind der Oberpräsident, der Regierungspräsident und der Landrat, denen besondere Organe der Selbstverwaltung (s. unten) zur Seite stehen. An der Spitze der Provinz steht der Oberpräsident (s. d.). Derselbe vertritt in der Provinz die obersten Staatsbehörden und das Staatsinteresse, verwaltet unter der gesetzlich geordneten Mitwirkung des Provinzialrats die über die ganze Provinz sich erstreckenden Angelegenheiten, führt die Aufsicht über die Verwaltungsbehörden und ist in Kommunal- und Polizeisachen Beschwerdeinstanz; er ist Vorsitzender des Medizinal- und des Provinzialschulkollegiums, Mitglied des Staatsrats, königl. Kommissarius beim Provinziallandtag, nimmt die staatliche Kirchenaufsicht und eine Reihe besonderer Geschäfte wahr. - Den Regierungspräsidenten nebst den: Bezirksausschuß liegt die Verwaltung aller innern Landesangelegenheiten innerhalb des Bezirks ob, für welche nicht besondere Behörden geschaffen sind. Die alte Regierungseinteilung in drei Abteilungen ist einer Zweiteilung (Abteilung für Kirchen- und Schulsachen und für direkte Steuern, Domänen und Forsten) gewichen, nachdem die Geschäfte der Abteilung des Innern dem Regierungspräsidenten allein übertragen sind, welchem hierbei ein zugleich das Bezirksverwaltungsgericht bildender Bezirksausschuß zur Seite steht. - Die Funktionen des Landrats, der unmittelbar unter der Regierung steht, erstrecken sich auf alle Verwaltungsangelegenheiten, zu deren Wahrnehmung die Regierung eines Verwaltungsorgans in den Kreisen bedarf; seine Wirksamkeit umfaßt innerhalb seines Kreises materiell dieselben Dinge wie die der Regierung. Er führt in Verbindung mit den: unter seinem Vorsitz stehenden Kreisausschuß nicht allein die Geschäfte der allgemeinen Landesverwaltung, sondern auch die der Kreiskommunalverwaltung; in letzterer Beziehung ist er auch Vorsitzender des Kreistags. Der Kreisausschuß (in Stadtkreisen der Stadtausschuß) bildet zugleich das Verwaltungsgericht erster Instanz. - Die örtlichen Organe der Kreisverwaltung sind die Amtsvorsteher, die Bürgermeister (Rheinland), Distriktskommissare (Posen) u. s. w., sowie die Vorstände der Stadtgemeinden, Landgemeinden und Gutsbezirke.

Die Selbstverwaltung ist durch die Städteordnung vom 19. Nov. 1808 für die Städte, durch die Kreisordnung (s. d.) vom 13. Dez. 1872 sowie die daran anschließende Gesetzgebung für die Kreise und Provinzen in die breitesten Bahnen gelenkt worden. Den kommunalen Verbänden (Provinzen, Kreisen und Gemeinden) sind nicht allein wichtige Verwaltungszweige selbständig übertragen, sondern es ist ihnen auch die Mitwirkung bei der allgemeinen Verwaltung zugestanden.

Das unterste Glied in dem Organismus der Selbstverwaltungskörper ist die Gemeinde, gleichzeitig ein wirtschaftlicher und polit. Verband; dieselbe verwaltet ihre Angelegenheiten durch selbstgewählte Organe unter Aufsicht des Staates und der höhern Selbstverwaltungsorgane. Die Verwaltungsregeln sind in Städte- und Landgemeindeordnungen (s. Gemeindeordnung und Städteordnung) festgestellt. In den Städten ist der Grundsatz voller Selbstverwaltung vollständig durchgeführt. Mit dem an der Spitze der Verwaltung stehenden Bürgermeister (in größern Städten Oberbürgermeister) bilden Beigeordnete und andere besoldete oder unbesoldete Räte den Magistrat; alle Mitglieder desselben werden in der Regel auf 12 oder 6 Jahre von der Gemeindevertretung erwählt, unterliegen aber der Bestätigung durch die Bezirksregierung (in großen Städten zum Teil durch den König); nur in Neuvorpommern ergänzt sich der Magistrat durch Kooptation, und der Bürgermeister wird vom König ernannt; auch Hannover hat eine besondere Städteordnung, und in Hessen-Nassau (außer Frankfurt a. M.) und Hohenzollern-Sigmaringen besteht nur eine Gemeindeordnung für Stadt- und Landgemeinden. Den rhein. Städten fehlt der Magistrat; an seiner Stelle ist der Bürgermeister für die Verwaltung verantwortlich und deputiert die Beigeordneten zu verschiedenen Geschäften. Als Vertretung der Bürger dient allenthalben die Stadtverordnetenversammlung (s. Gemeinderat), die nach dem Dreiklassenwahlsystem (s. d.) gewählt wird.

Über die seit 1. April 1892 (in Schleswig-Holstein seit 1893) gültige Landgemeindeordnung für die sieben östl. Provinzen s. Gemeinderecht. An der Spitze der Gemeindevertretung steht der Gemeindevorsteher (Schulze), ihm zur Seite die Schössen (Geschworenen, Gerichtsmänner). In den westfäl. Landgemeinden mit eigenem Haushalt bilden die Rittergutsbesitzer und 6-18 gewählte Gemeindeverordnete die Gemeindeversammlung, die den Vorsteher auf 6 Jahre wählt; in den rheinischen besitzen diese Befugnis die Meistbeerbten und die denselben gleichstehenden Gemeindeberechtigten, und mit dem Vorsteher teilt sich ein aus 6-30 Mitgliedern bestehender Gemeinde- oder Schöffenrat in die Geschäfte. Die aus mehrern Gemeinden zusammengesetzten westfäl. Ämter werden von einem ernannten Amtmann verwaltet, dem die aus Rittergutsbesitzern, Gemeindevorstehern und gewählten Abgeordneten gebildete Amtsversammlung zur Seite steht; ähnlich ist die Organisation der rhein. Bürgermeistereien; unter dem Einfluß der bureaukratischen Amtmanns- und Bürgermeisterei-Einrichtung hat sich hier allerdings die kommunale Selbstthätigkeit weniger entwickelt (franz. Maire- und Präfektursystem). Den 1866 erworbenen Landesteilen sind abweichende Gemeindeordnungen teils belassen, teils neu verliehen worden. Auch in Hohenzollern gelten noch die frühern Landesgesetze.

Behufs Verwaltung der Polizei und Wahrnehmung anderer öffentlicher Angelegenheiten wird in den östl. Provinzen (mit Ausnahme von Posen) und