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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Reuß (Eduard Wilh. Eugen) - Reuter (Fritz)
1867 in Petersburg. Am 26. April 1871 wurde
Prinz R. Botschafter des Deutschen Reichs in
Petersburg und 1873 zum Generaladjutanten^ des
Deutschen Kaisers ernannt, nahm jedoch 1876 seine
Entlassung aus dem Staatsdienste, vermählte sich
6. Febr. 1876 mit Prinzessin Marie, Tochter des
Groscherzogs Karl Alexander von Sachsen-Weimar,
nnd wnrde in demselben Jahre Mitglied des prenß.
Herrenhauses. 1877 war er deutscher Botschafter
in Konstantinopel, im Juli 1878 wurde er Bot-
schafter in Wien und schloß als solcher den deutsch-
österr. Bündnisvertrag vom 7. Okt. 1879 ab. 1891
trat er aus dem Staatsdienste und zog sich auf seine
Besitzung Trebschen bei Züllichau zurück.
Reutz, Eduard Wilh. Eugen, prot. Theolog, geb.
18. Juli 1804 zu Straßburg, studierte auf der dor-
tigen Akademie, in Göttingcn, Halle und Paris.
1828 nach Straßburg zurückgekehrt, habilitierte er
sich 1829 für biblische und orient. Wissenschaften,
wurde 1834 außerord., 1836 ord. Professor da-
selbst. Er trat 1888 in den Ruhestand und starb
15. April 1891 in Straßburg. N. hat für die Dis-
ciplinen der Einleitung in das Neue Testament und
der biblischen Theologie durch Anwendung der rein
lüstor.-kritischen Methode Bedeutendes geleistet.
Seine Hauptwerke sind: "Geschichte der heiligen
Schriften des Neuen Testaments" (Halle 1812;
<). Aufl., Braunschw. 1887), "lliätoire äo 1a tQ60-
loZie clirktienne ^u 8ieei6 apoLtoli^ue" (2 Bde.,
Straßb. 1852' 3. Aufl. 1864), "Mtoirk äu canon
663 sainteZ-^criturkZ ä^nZ 1'I^Ii86 cur^tienne"
(ebd. 1863; 2. Aufl. 1864), "Geschichte der heiligen
Schriften des Alten Testaments" (Braunschw. 1881;
2. Aufl. 1890). Als Probe eines projektierten voll-
ständigen franz. Vibelwerks in einer neuen Über-
setzung nebst Einleitungen und Kommentar ver-
öffentlichte er "I^'eMre aux Ilödrsux" (Straßb.
1861)-, das Bibelwerk selbst erschien zu Paris 1874
-81 in 19 Bänden. Zahlreiche Beiträge lieferte er
zu den von ibm selbst begründeten "Beitrügen zu
den theol. Wissenschaften" (6 Bde., Jena 1847 fg.)
und zu der Straschnrgcr "Nsvns äs tneolo^is"
(1850-69). In Fortsetzung des von Bretschneider
begründeten "(^or^us I^toi-n^toi-nm " begann R.
mit Cunitz und Baum eine Herausgabe der sämt-
lichen Werke Calvins (Vraunschw. 1863 fg.), von
denen bis 1893 50Vände erschienen sind. Außerdem
sind zu nennen: "IMIiotiiecH ^ovi leätaniLiiti
Fraeci" (Vraunschw. 1872), "Reden an Theologie
Studierende" (ebd. 1878; 2. Aufl. 1879), "Das
Buch Hiob" (ebd. 1888). Aus seinem Nachlaß er-
schien: "Das Alte Testament, übersetzt, eingeleitet
und erläutert" (hg. von Erichson und Horst,
Braunschw. 1892 fg.).
Neussen, soviel wie Russen (daher der Titel
"Kaiser aller R."); auch die Bewohner des Fürsten-
tums Reuß.
Reußen, Landschaft, s. Rotruhland.
Reussieren (frz., spr. reüss-), seinen Zweck er-
reichen, Glück haben.
Reute, Ort in Tirol, s. Reutte.
Reuter, verschieden eingerichtete Gestelle zum
Trocknen von Grünfutter, werden meist nur für
Klee gebraucht (s. Kleereuter).
Reuter, Christian, Schriftsteller, getauft 9. Okt.
1665 zu Kutten bei Zörbig, studiert seit 1688 in
Leipzig erst Theologie, später Jura. 1697 ward er
wegen pasquillantischer und satir. Ausfälle gegen
die Familie seiner ehemaligen Hauswirtin Müller
relegiert und trat dann als Sekretär in die Dienste
des Kammerhcrrn von Seyfferditz. 1703-10 lebte
er in Berlin als Textdichter für die Fcstspiele des
Hofs. Er starb nach 1712. Der oben erwähnten satir.
Feboe danken einige kulturhistorisch interessante Ko-
mödien ("I^lionnöw teiuniL oder die Ehrliche Frau zu
Plissine", 1695; "Der ehrlichen Frau Schlampampe
Krantbeit und Tod", 1696; beide zusammen als
"Lustspiele" neu hg. von Ellinger, Halle 1890) sowie
das Pasquill "Letztes Denk- und Ehrenmahl der
Frau Schlampampe" (1697) ihre Entstehung. Von
bleibendem Werte ist "Schelmuffskys Neisebcschrei-
bung" (1696; neu hg. von Schnllerus, Halle 1885),
ein genialer Lügenroman, der, ebenfalls mit per-
sönlicher satir. Spitze, zugleich von einem übermütig
sprudelnden Humor und einer glänzenden Gabe
bypcrbolisch zu charakterisieren zeugt. Die Haupt-
figur Schelmnffsky, ein lächerlicher philisterhafter
Aufschneider, der mit nie erlebten Reisen, Abenteuern
und Liebesbändcln im Geschmacke des Bruder Strau-
bingcr prahlt, dabei ein protziger Parvenu, ist eine
Verspottung des Sohnes von R.s ehemaliger Wir-
tin. - Vgl. Fr. Zarncke, Chr. R., der Verfasser des
Schelmusssky, sein Leben und seine Werke (Lpz.
1884); Gehmlich, Christian R. (ebd. 1891).
Reuter, Fritz, Dialektdichter, geb. 7. Nov. 2810
zu Etavenhagen in Mecklenburg-Schwerin, wo sein
Vater Bürgermeister war, besuchte die Gymnasien
zn Friedland in Mccklenburg-Strelitzund zuParchim,
worauf er sich auf Veranlassung des Vaters, ohne
eigene Neigung, seit Michaelis 1831 zu Rostock, seit
Ostern 1832 zu Jena jnrist. Studien widmete. In
I.'na schloß sich R. der Burschenschaft an und wurde
infolgedessen bei Beginn der Dcmagogenvcrfolgung
Herbst 1833 in Berlin, wo er seine Studien fort-
setzen wollte, verhaftet, nach dreijähriger Unter-
suchungshaft znm Tode verurteilt, durch den König
aber zu dreißigjähriger Festungsstrafe begnadigt und
hierauf bis zum Sommer 1838 trotz aller Reklama-
tionen der mccklenb. Negierung auf verschiedenen
vrcuß. Festungen zurückgehalten. Nach seiner Aus-
lieferung setzte man ihn in die mecklcnb. Festung
Dömitz, bis er endlich 1840 seine Freiheit erhielt.
Er widmete sich hierauf der Landwirtschaft, mußte
jedoch nach 10 Jahren diesen Beruf als für ihn, den
Unbemittelten, aussichtslos aufgeben. 1850 lieh er
sich als Privatlchrcr in der pommerschcn Stadt Trep-
tow nieder, vermählte sich 1851 mit der Prcdigers-
tocbter Luise Knnze und begründete seinen Ruf als
Dichter mit der Veröffentlichung seiner plattdeutschen
"Läuschen un Nuncls" (Wism. 1853; Neue Folge
1858). Nachdem^ er in Treptow noch die "Polter-
abcndgedichte" (schwer. 1855) und die "Reis' nah
Belligen, Poet. Erzählung" (Wism. 1855) Heraus-
aegeben hatte, siedelte er Ostern 1856 nach Neu-
orandcnburg, 1863 nach Eisenach über, wo er
12. Juni 1874 starb. 1893 wurden ihm Denkmäler
in Ncnbrandenburg (von Martin Wolff in Berlin)
und Chicago (von Friedr. Engclsmann in München)
gesetzt. Seine Witwe (gest. 9.'Juni 1894) vermachte
ihre Villa bei Eisenach und den litterar. Nachlaß
ihres Mannes der deutschen Schillerstiftung.
Nntcr den neuern deutschen Dialettdichtern muß
N. als der hervorragendste bezeichnet werden. Die
Mundart, deren er sich bedient, ist die mecklen-
burgische. Seiner Prachtfigur, dem Inspektor Vrüsig,
legt er einen meisterhaft gchandhabten Mischdialekt,
das Missingsch, in den Mund. Von N.s in wieder-
holten Auflagen erschienenen Werien sind besonders
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