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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Reuter (Hermann) - Reutlingen
hervorzuheben: "Kein Hüsung" (Grcifsw. 1858),
eine tragische Dorfgeschichte in Versen; "Hanne Nute
und de lütte Pudel" (Wism. 1859), ebenfalls eine
gelungene Schilderung aus dem Leben des Land-
volks; "Schurr-Murr" (ebd. 1861), eine Sammlung
launiger Erzählungen, teils in plattdeutscher, teils
in hochdeutscher Sprache; vor allem endlich "Olle
Kamellen", eine Neihe von Prosanovellen, in denen
N. ein vorzügliches Erzählertalent bewährt. Im
ersten Bande ("Twei lustige Geschichten", Wism.
1860) kann die Erzählung "Ut de Franzosentid"
für eine Perle der neuern novellistischen Litteratur
gelten. Den zweiten Vand bilden die Schilderungen
"Ut mine Festungstid" (Wism. 1862), denen sich
als dritter bis fünfter Band N.s Hauptwerk, der
Roman "Ut mine Etromtid" (3 Bde., ebd. 1864), als
sechster Vand "Dörchlüuchting" (ebd. 1866), end-
lich als 7. Teil "De Reis' nah Konstantinopel" an-
schließen. Zu N.s "Sämtlichen Werken" (Bd. 1-
13, Wism. 1863-68 u. ö.; Volksausg. in 7 Vdn.,
ebd. 1877 u. ö.) gab Ad. Wilbrandt 2 Bände, Bd. 14
u. 15, "Nachgelassene Schriften" (ebd. 1875), mit
einer Biographie N.s heraus. Auch ein Lustspiel
mit derb satir. Tendenz: "Die drei Langhänse", ist
(Wism. 1878) aus N.s Nachlaß veröffentlicht wor-
den; ferner "Lustspiele und Polterabendgedichte"
(2 Bde., Lpz. 1883) und "Neuter-Neliquicn" (hg. von
Gädertz, Wism. 1885).
Vgl. Glagau, Fritz R. und seine Dichtungen
(2. Aufl., Verl. 1875); Ebert, Fritz R. (Güstrow
1874); Ziel, Fritz N. (in "Unsere Zeit", Lpz. 1875);
Latendorf, Zur Erinnerung an N. (Pößneck 1880);
Trinius, Erinnerungen an Fritz N. (Wism. 1886);
Gädertz, Fritz N. Studien (ebd. 1890); Naatz, Wahr-
heit und Dichtung in Fritz N.s Werken (ebd. 1894).
Neuter, Hermann, prot. Theolog, geb. 30. Aug.
1817 zu Hildesheim, studierte in Gottingen und
Berlin, habilitierte sich 1843 in Berlin, wurde 1852
auherord. Professor der Kirchengeschichte in Breslau,
1855 ord. Professor in Greifswald, 1866 in Breslau,
1876 in Göttingen. 1881 erhielt er den Titel und
die Pfründe eines Abtes von Vursfelde. Er starb
17. Sept. 1889 auf einer Neise nach Hannover.
N. war als Kirchenhistoriker hervorragend durch
Quellenkenntnis, größte Sorgfalt im einzelnen und
universale Betrachtungsweise. Er schrieb: "Jo-
hannes von l^alisbury" (Berl. 1842), "Geschichte
Alexanders III. und der Kirche seiner Zeit" (Bd. 1,
Lpz. 1845; 2 Aufl. in 3 Vdn., 1860-64), "Ge-
schichte der religiösen Aufklärung im Mittclalter"
(2 Bde., Verl. 1875-77), "Augustinische Studien"
(Gotha 1887), die zuerst in der 1876 auf seine
Veranlassung begründeten "Zeitschrist für Kirchen-
geschichte" veröffentlicht wurden.
Reuterbestallungen, strafrechtliche Bestimmun-
gen für Nitter und Neisige, welche eine Ergänzung
der Kriegsartikel (s. d.) für die Landsknechte bildeten.
Neutern, Michael von (bei den Nüssen Michail
Christoforowitsch), Graf, russ. Staatsmann, geb.
1820 in Porjetschje aus einer ursprünglich livländ.
Familie, wurde im Lyceum zu Zarskoje-Selo erzo-
gen und war darauf im Justizministerium thätig.
1862 zum Finanzminister ernannt, machte er sich
um die Hebung der russ. Finanzen sehr verdient.
Er war der erste, der es in Rußland wagte, 1862
einen Vudgetanschlag zu veröffentlichen. Auch
führte er den Goldzoll ein. Seine Überschüsse mach-
ten große Eisenbahnbauten möglich, namentlich
nach der Wolga zu und zum Schwarzen Meer. N.
war ein Gegner des Russisch-Türkischen Krieges
von 1877 bis 1878 und nahm gleich nach Schluß
des Friedenskongresses seinen Abschied. Von 1881
bis 1887 war er Präsident des Ministerkomitees,
ward 1890 in den Grafenstand erhoben und starb
23. (11.) Aug. desselben Jahres in Zarskoje-Selo.
Reuters Telegraphenbureau Meutsr'" ^e
16FI-ÄN1 ^oinMii7, abgekürzt: R. ^. 0.), Nachrichten-
burcau in London, das die gesamte Presse Groß-
britanniens und Irlands und der brit. Kolonien
sowie auch Privatpersonen mit den neuesten Mel-
dungen auf polit., kommerziellem und finanziellem
Gebiet versteht und den andern Ländern Nachrichten
aus dem Britischen Neich liefert. Zu letzterm Zweck
erscheint auch täglich eine ausschließlich für den Kon-
tinent bestimmte "Allgemeine Korrespondenz". Das
Bureau übermittelt auch Privatdepeschen nach ent-
fernten Orten. Zweigbureaus bestehen in Manchester
und Glasgow sowie an verschiedenen Plätzen Ägyp-
tens, Südafrikas, Ostindiens,Chinas, Japans, Nord-
amerikas und Australiens, ferner Vertreter und Kor-
respondenten an den wichtigsten Punkten der Erde.
Das Unternehmen wurde vom Freihcrrn Paul
Julius von Reuter (geb.21.Iu!i1821in Cassel,
1871 vom Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha in
den Freiherrenstand erhoben) 1849 in "Aachen be-
gründet, 1851 nach London verlegt und 1865 in eine
Aktiengesellschaft umgewandelt, an deren Spitze jetzt
als Betriebsdirektor der älteste Sohn des Begrün-
ders, Freiherr Herbert von Ncuter, steht.
Reutlingen. 1) Oberamtim württemb.Schwarz-
waldkreis, hat 266,16 ykin und (1890) 43 728
(20458 münnl., 23 270 weibl.) E., 2 Städte und
20 Landgemeinden. - 2) Hauptstadt des Schwarz-
waldkreises und Oberamtsstadt im Oberamt N.,
an der Echaz, cnn Fuhe der
Schwäbischen Alb, in einer an
Obst und Wein reichen Gegend,
an der Linie Stuttgart-Tübin-
gen und der Nebenlinie N.-
Münsingen (92,i km) der Würt-
temb. Staatsbahnen, Sitz der
Kreisregierung, des Ober-
amtes, eines Amtsgerichts
(Landgericht Tübingen), einer
Neichsbanknebenstelle, Handels-und Gewerbekam-
mer, hat (1890) 18 542 (8755 männl., 9787 wcibl.)
E., Post, Telegraph, Fernsprechcinrichtung, drei
cvang. Kirchen, darunter die 1273-1343 gebaute,
1894 restaurierte got. Hauptkirche, eine der schönsten
Württembergs, mit Turm (74 m) und großen Chor-
fenstern, eine tath. Kirche, Gymnasium, Oberreal-
und Nealschule, höhere Mädchenschule, Fachschule
für Spinnerei, Weberei und Wirkerei, pomolog.
Institut, Frauenarbeitsschule, zwei Krankenhäuser,
eine Veschästigungsanstalt des Landarmenvcrban-
des, Gustav Wernersche Rettungsanstalten mit Ma-
schinen-, Möbel-, Kartonnagenfabrikation u. s. w.,
Wasserleitung,Kanalisation, Gasbeleuchtuugund ein
Schwefelbad. Hauptgegenstand der Industrie ist neben
der Lcderfabrikation die Textilindustrie in allen Zwei-
gen', es bestehen sehr große Baumwollwebereien,
Tricotwebereien, Woll- und Baumwollspinnereien,
Zwirnereien, Webereien für wollenen Schuhstoff,
Plüsch u. dgl., Färbereien, Fabrikation von Maschi-
nen (Strickmaschinen), Hülsen, Nundstuhlwaren,
Leim, Tuch und Metalltuch und Kunstmüblen. N.
ist Sitz der landwirtschaftlichen Verufsgenossenschast
für den württemb. Echwarzwaldkreis. 1892 erhielt