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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Rheinpreußen - Rheinprovinz
Der Regierungsbezirk hat 5927,96 ykm und
(1890) 728 339 (359 466 männl., 368 873 weibl.) E.
in 709 Gemeinden mit 1845 Ortschaften, 117 747
Wohngebäude und 152 511 Haushaltungen. Dem
Religionsbekenntnis nach waren 398 870 Evan-
gelische, 314276 Katholiken und 10 998 Israeliten.
Der Regierungsbezirk wird eingeteilt in sechs
Reichstagswahlkreise: Speyer (Abgeordneter 1895
Clemm); Landau (Vürklin); Germersheim (Vrü-
nings); Zweibrücken (Adt); Homburg (von Mar-
quardsen); Kaiserslautern (Brunck); sämtlich na-
tionalliberal. über das Herzogtuin R. s. Pfalz.
- Vgl. Kolb, Statist.-topogr. Schilderung von
Rhein'bayern (2 Bde., Speyer 1831 - ""); Riehl,
Die Psülzer (2. Aufl., Stuttg. 1858); Becker, Die
Pfalz und die Pfälzer (Lpz. 1858); Bavaria. Landes-
und Volkskunde des Königreichs Bayern, Bd. 4,
Abteil. 2 (Münch. 1867); Mehlis, Fabrten durch
die Pfalz (Augsb. 1877); Voigtländer, Pfalzführer
(7. Aufl., Neustadt a.d.H. 1891); Gilardone, Hand-
buch für den königlich bayr. Reg.-Bez. der Pfalz
(Speyer 1893).
Rheinpreutzen, s. Rhcinprovinz.
Rheinprovinz, auch Rheinland, seltener
Rhein Preußen, die westlichste und am dichtesten
bevölkerte (174 E. auf 1 <ikm) Provinz des König-
reichs Preußen, grenzt im N. an die Niederlande,
im O. an die Provinzen Westfalen und Hessen-Nassau,
das Grofchcrzogtum Hessen und die Rheinpfalz, im
S. und EW. an Lothringen, im W. an Luxemburg,
Belgien und die Niederlande. Der größere Teil
liegt westlich, der kleinere östlich vom Rhein; ersterer
umschließt das zu Oldenburg gehörige Fürstentum
Birkcnfcld. Der Kreis Wetzlar liegt außerhalb des
rechtsrhein. Teils; im übrigen ist die Provinz ein
geschlossenes Gebiet mit einem Flächenraum von
26 992 hkm. (Hierzu 2 Karten: Rhein Provinz,
Westfalen, Hessen-Nassau und Großher-
zogtum Hessen: I. Nördlicher Teil; II. Süd-
licher Teil.)
Obcrfiächengestaltung, Gewässer, Klima. Der
nördlich einer Linie von Bonn über Düren uach
Aachen gelegene Teil der Provinz gehört dem flachen
oder uur schwach gewellten Tieflande, der südl. Teil
dem niederrhein. Schiefergebirge an. Rechts des
Rheins wird sie von Ausläufern des Westerwaldes,
wozu das Siebengebirge gehört, und von Abzwei-
gungen der wcstfäl. Gebirge, links des Rheins von
dem Saarbrücker Stcinkohlengebirge, dem waldigen
Hunsrück mit dem Soon-, Binger-, Idar- und Hoch-
wald, von der rauhen und öden vulkanischen Eifel,
dem Hohen Venn und einem Seitenzweig der Ar-
dennen erfüllt. Alle diese linksrhein. Gebirge bilden
teils waldreiche, teils kahle und moorige Hochebenen
von 450 bis 600 in Mecrcshöhe, die vielsach von
tiefen, schönen Fwßthälcrn zerrissen sind und in die-
sen meist steile Abfülle zeigen. Die einzelnen Verg-
kuppen, obschon von bemerkenswerter Höhe, treten
deshalb nicht überall auffällig hervor. Zu erwähnen
sind der Simmcr Kopf (656 m) und der Schanzer
Kopf (644 m) im Soonwald, der Idarkopf (745 m)
im Idarwald, der Walderbcskopf (816 m) im Hoch-
wald, die Hohe Acht (760 m) auf der Eifel und die
Botrange (695 m) auf dem Hohen Venn. Der Rhein,
Hauptfluß der Provinz und Lebensader des Han-
dels und Verkehrs, durchflieht die Provinz auf
332 Km und nimmt rechts auf: die Wied, Sieg,
Wupper, Itter, Dussel, Anger, Ruhr, Emscher und
Lippe; links: die Nahe, Mosel, Nette, Ahr und Erst.
! Dazu kommen die dem Maasgcbict angehörigen
! Flüsse Warche, Geule, Roer, Schwalm und Niers.
Im Kreis Kempen bei Kaldenkirchen und im Kreis
Geldern giebt es einige größere Teiche und auf der
vulkanischen Eifel neben mehrern kleinern Krater-
seen (s. Maare) den berühmten Laacher See (s. d.).
Das Klima ist auf den Hochebenen rauh, in den
Flußthälern und der Tiefebene aber außerordentlich
mild, so daß hier mancherorten die Flora Ober-
italiens gedeiht; Aachen, Cleve, Trier, Köln haben
eine mittlere Jahrestemperatur von 9 bis 10° 0.,
und das Monatsmittcl sinkt hier niemals unter
Null. Das nebel- und schneerciche Hohe Venn, die
Eifel und Teile des Hunsrück haben dagegen im
ganzen ein fast noch ungünstigeres Klima als Ost-
preußen. Die mittlere jährliche Niederschlagshöhe
beträgt in Krefeld 65, Voppard 66, Köln 67, Trier
70, Cleve 77 ein.
Bevölkerung. Die Provinz hatte 1819:1870908,
1843: 2679508, 1880: 4074000, 1890: 4710391
(2 358035 männl., 2 352 356 weibl.) E., 596 963
bewohnte, 19 424 unbewohnte Wohnhäuser, 4361
andere bewohnte Vaulicbkeiten, 951445 Haushal-
tungen und 2458 Anstalten mit 93599 Insassen.
Dem Religionsbekenntnis uach waren 3 351864
Katholiken, 1295 673 Evangelische, 7421 andere
Christen, 6970 Dissidenten und 47 234 Israeliten.
Der Staatsangehörigkeit nach 4 670529 Neichs-
angehörige, 28 738 Reichsausländer und 11114
andere und ohne Angabe; der Muttersprache nach
sind die meisten Bewohner Deutsche, mit Ausnahme
von 28891 Holländern, 10637 Wallonen und 5820
Polen, Masuren und Kassubeu.
Land- und Forstwirtschaft. Von der Gesamt-
stäche kamen (1893) auf Acker- und Gartenland
1271230, Wiesen 209721, Weiden und hutun-
! gen 171502, Od- und Unland 91238, Holzungen
831093, Haus- und Hosräume 37982, Wegeland,
Gewässer u. s. w. 102844 na. Ackerbau und Vieh-
zucht treten im ganzen gegen die Industrie mehr
zurück. 1882 wurden 1723 367 Erwcrbstbätige
und 2385136 Angehörige ohne Hauptberuf ermit-
telt; von jenen waren 30,96 Proz. in der Boden-
benutzung und Tierzucht, 42,89 in Industrie und
Gewerbe und 8,34 in Handel und Verkehr be-
schäftigt, während 7,98 in persönlichen Dienstlei-
stungen und 4,65 Proz. im Heer- und Verwaltungs-
dienste und in den freien Berufen thätig waren.
Die Landwirtschaft stützt sich ganz überwiegend auf
den Klein- und mittlern Betrieb, der Grundbesitz ist
hier mehr als in andern Provinzen geteilt. Weizen-
boden findet sich in allen ebenern Gegenden, mit
Ausnahme der sandigen und kiesigen Kreise Cleve und
Kempen. Den besten Boden hat die Rheinebme im
.Kreis Bonn und der südl. Teil des Kreises Kreu;nach.
Im allgemeinen ist als der fruchtbarste Teil des
Flachlandes das sog. Iülicher Land ("des Heiligen
Römischen Reichs Kornkammer") zu bezeichnen, wel-
ches sich über die Kreise Iülich, Gladback, Greven-
broich, Vergheim, den Norden des Kreises Düren und
einige angrenzende Kreise erstreckt. Der Ernteertrac;
belief sich (1893) auf 342141t Roggen, 166071
Weizen, 30 743 Gerste, 205 799 Hafer, 1904477 Kar-
toffeln und 244 059 t Wiesenheu. Die Provinz ist
besonders reich an Wein (1893:11541 Ka Weinberge
und 305103 Iii Weinernte), der am Rbein, an der
! Mosel und Saar, an der Ahr und Nahe gebaut
! wird und nebst Obst aller Art einen Hauptgegen-
^ stand der Ausfuhr bildet. Der Weinbau (s. Rhein-