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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Richter

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Richter (Herm. Eberhard) - Richter (Joh. Paul Friedr.)

die Wagner-Konzerte in London. Seit 1879 veranstaltet er jährlich Orchesterkonzerte in den größern Städten Großbritanniens. Seit 1878 Vicekapellmeister der Wiener Hofkapelle, dirigierte R. auch die Konzerte der Philharmoniker und mehrere niederrhein. Musikfeste. Eine Zeit lang war er auch Konzertdirigent der Gesellschaft der Musikfreunde. 1885 wurde er in Oxford zum Ehrendoktor der Musik ernannt. 1893 wurde er erster Hofkapellmeister in Wien.

Richter, Herm. Eberhard, Botaniker, Arzt und mediz. Schriftsteller, geb. 14. Mai 1808 zu Leipzig, seit 1831 praktischer Arzt zu Dresden, wurde 1838 Professor an der dortigen chirurg.-mediz. Akademie, 1849 wegen angeblicher Teilnahme an dem Maiaufstande in Untersuchung gezogen und 1851 zwar völlig freigesprochen, jedoch auf Wartegeld gesetzt. Er starb 24. Mai 1876 zu Dresden. R. hat sich besonders durch seine vielseitige schriftstellerische Thätigkeit bekannt gemacht; auch kämpfte er unverdrossen für eine zeitgemäße Medizinalreform und veranlaßte (1872) die Gründung des Deutschen Ärztevereinsbundes. R.s mediz. Hauptwerke sind der "Grundriß zur innern Klinik" (4. Aufl., 2 Bde., Lpz. 1860) und das "Organon der physiol. Therapie" (ebd. 1850). Unter seinen zahlreichen andern Schriften sind hervorzuheben: "Flora der phanerogamischen Gewächse der Umgegend von Leipzig" (mit Klett, Lpz. 1830), eine kritische Gesamtausgabe von Linnés "Systema, genera, species plantarum" (ebd. 1835-40), "Über jugendliche Brandstifter" (Dresd. 1844), "Die schwed. nationale und mediz. Gymnastik" (Dresd. und Lpz. 1845), "Blutarmut und Bleichsucht" (Lpz. 1850; 2. Aufl. 1854), "Arzneitaschenbuch zur Pharmacopoea Germanica" (Dresd. 1868), "Arzneitaschenbuch zur Deutschen Reichs-Pharmakopöe" (ebd. 1872), "Das Geheimmittelunwesen" (2 Bde., Lpz. 1872-75), "Über Milch- und Molkenkuren" (2. Aufl., ebd. 1872). Auch führte er seit 1850 in Verbindung mit Winter die Redaktion von Schmidts "Mediz. Jahrbüchern".

Richter, Hieronymus Theodor, Chemiker, geb. 21. Nov. 1824 zu Dresden, besuchte dort das Gymnasium, beabsichtigte erst Apotheker zu werden, bezog jedoch bald die Bergakademie zu Freiberg, wo er namentlich chem. und metallurgischen Studien oblag. 1852 wurde er Chemiker der Freiberger Hüttenwerke und 1856 auch Lehrer der Lötrohrprobierkunde an der Bergakademie. Bei seinen Arbeiten mit Reich entdeckte er 1863 das Indium (s. d.) und wurde 1867 von der philos. Fakultät der Universität Leipzig zum Ehrendoktor ernannt. 1872 wurde er Professor der Hüttenkunde an der Freiberger Akademie, an welcher Anstalt er noch gegenwärtig als Direktor wirkt.

Richter, Joh. Paul Friedr., gewöhnlich Jean Paul genannt, deutscher Humorist, geb. 21. März 1763 zu Wunsiedel, war der Sohn des dortigen Lehrers und Organisten, der 1765 Pfarrer zu Joditz, 1776 Pfarrer zu Schwarzenbach wurde und hier 1779 starb. Nachdem R. zwei Jahre lang das Gymnasium zu Hof besucht hatte, bezog er 1781 die Universität Leipzig, um Theologie zu studieren, widmete sich jedoch vorzugsweise und bald ausschließlich der Litteratur und veröffentlichte anonym eine Anzahl Satiren u. d. T. "Grönländ. Prozesse" (2 Bde., Berl. 1783-84), die aber wenig Anklang fanden. Mittellosigkeit nötigte ihn, 1784 Leipzig zu verlassen und sich nach Hof zu seiner in den dürftigsten Verhältnissen lebenden Mutter zu begeben, wo er seine Studien und Arbeiten fortsetzte. 1787-89 wirkte R. als Hauslehrer in Töpen bei Hof und übernahm 1790 den Unterricht der Kinder mehrerer Familien in Schwarzenbach; 1789 gab er eine neue Sammlung Satiren u. d. T. "Auswahl aus des Teufels Papieren" (Gera 1789) heraus. Aber erst 1792 wurde ihm durch K. Ph. Moritz, dem er die Handschrift seines ersten Romans "Die unsichtbare Loge" (2 Bde., Berl. 1793; 2. Aufl. 1821) mit der Bitte um Unterbringung bei einem Buchhändler zugeschickt hatte, die Aussicht auf allgemeinere Anerkennung und ein sorgenfreieres Leben eröffnet. Seit 1794 lebte er wieder in Hof, von Zeit zu Zeit auch in Bayreuth bei einem Freunde. Es erschienen jetzt nacheinander folgende Werke von ihm: "Hesperus" (4 Bde., Berl. 1794), "Biogr. Belustigungen unter der Gehirnschale einer Riesin" (ebd. 1796), "Leben des Quintus Fixlein" (Bayr. 1796), "Blumen-, Frucht- und Dornenstücke oder Ehestand, Tod und Hochzeit des Armenadvokaten Siebenkäs" (4 Bde., ebd. 1796-97; neu bearbeitet von einem Enkel R.s [B. Förster], 2 Bde., Stuttg. 1891), "Der Jubelsenior" (Lpz. 1797) und "Das Kampaner Thal" (Erf. 1798). Sein Name gehörte bereits zu den gefeiertsten in Deutschland, als er, nach dem Tode seiner Mutter, im Herbst 1797 nach Leipzig übersiedelte. Schon im folgenden Jahre zog ihn aber die Liebe zu Herder, dem er im Sommer bei einem Besuche in Weimar bereits nahe getreten war, nach Weimar. Hier lebte er unter manchen Anregungen und Aufregungen (Verlobung und Entlobung mit Karoline von Feuchtersleben) mit großen, dichterischen Arbeiten beschäftigt, bis er, nach einem kurzen Aufenthalt in Hildburghausen, währenddessen ihn der Herzog von Sachsen-Hildburghausen zum Legationsrat ernannte, 1800 nach Berlin übersiedelte. Dort lernte er Karoline Mayer, eine anmutige, geist- und gemütvolle, hochgebildete Tochter des Geh. Tribunalrats Mayer, kennen, mit der er sich im Mai 1801 vermählte und nach Meiningen zog. Hier vollendete er seinen "Titan" (6 Bde., Berl. 1800-3, in anthologischer Bearbeitung hg. von O. Sievers, Wolfenb. 1878). In diesem Roman und in den "Flegeljahren" (4 Bde., Tüb. 1804-5) erreichte R. seinen schriftstellerischen Höhepunkt. Nachdem er 1803 nach Coburg übergesiedelt war, nahm er 1804 seinen bleibenden Wohnsitz in Bayreuth. Von dem Fürst-Primas von Dalberg erhielt er 1808 einen Jahrgehalt von 1000 rhein. Fl. ausgesetzt. Seit dem Tode seines einzigen, hoffnungsvollen Sohnes, 1821, begann er ebenfalls zu kränkeln und starb 14. Nov. 1825. König Ludwig I. von Bayern ließ ihm 1841 in Bayreuth ein von Schwanthaler entworfenes Standbild errichten.

R.s schriftstellerische Natur ist so reich und vielseitig, daß es sehr schwer hält, ein Gesamturteil über sie abzugeben. Nachdem er in seinen ersten Schriften eine nur auf Einzelnes und Nahes gehende, doch nirgends verletzende Satire geübt hatte, erhob er sich schnell auf die höhere Stufe des Humors, welcher alle Einzelheiten und Zufälligkeiten von dem Standpunkte einer umfassenden Grundidee aus betrachtet. Jedoch spricht er diese Grundidee nicht selbst aus, sondern stellt die ihr nicht entsprechenden Thätigkeiten und Zustände so dar, daß daraus ihre Unzulänglichkeit der Idee selbst gegenüber hervorgeht. Adel der Gesinnung, kindliche Liebe und Milde, tragische Wehmut und grollender Zorn, überströmende Gedankenfülle ist ihm in reichem Maße verliehen. Leider aber besaß er wenig Sinn für