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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Rom (das päpstliche)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Rom (das päpstliche)'

die endlosen Kämpfe der Römer wider dieselbe und gegen das deutsche Kaisertum, sodann die Parteikämpfe des Adels unter Führung der Grafen von Tusculum und der Crescentier, dann der Pierleoni und Frangipani, endlich der Colonna und Orsini, wodurch die alten Monumente hier zu Burgen und Türmen benutzt, dort zerstört wurden. Die ärgste Zerstörung war die, welche 1084 im Kampfe zwischen Gregor VII. und Heinrich IV. stattfand, indem Robert Guiscard (s. d.) einen Teil des Marsfeldes und der alten südl. Stadt verwüstete. 1143 stellte das röm. Volk den Senat wieder her, zwei Jahre später proklamierte Arnold (s. d.) von Brescia die Republik, welche aber nach zehnjährigem Bestande von Papst Hadrian IV. unter Beihilfe Friedrichs I. von Hohenstaufen unterdrückt wurde. Kämpfe zwischen Guelfen und Ghibellinen zerrissen R. in der Hohenstaufenzeit. Nach dem Tode Friedrichs II. begannen die Römer ihr Stadtoberhaupt aus den Kreisen fremder Fürsten und Edlen zu wählen; so war 1252–55 und 1257–58 der kraftvolle Bolognese Brancaleone degli Andalò Senator, welcher, um die Macht der eingesessenen Adelsgeschlechter zu brechen, deren Türme, angeblich 140, schleifen ließ. Später wurden der Hohenstaufe Manfred und sein Gegner Karl I. von Anjou zu Senatoren erwählt; letzterer beherrschte, meist durch Prosenatoren vertreten, die Stadt 1263–66, 1268–78, 1281–84. Durch Martin IV. (1284) wurde die Ernennung des Senators wieder päpstl. Vorrecht. Bonifacius VIII. feierte 1300 das erste Jubeljahr, welches zahlreiche Pilger (nach einer gleichzeitigen, aber gewiß übertriebenen Angabe zwei Millionen) in die Stadt zog. Aber sein Nachfolger Clemens V. mußte, im Streit mit Philipp V. von Anjou unterlegen, die päpstl. Residenz nach Avignon verlegen (1309). Die folgenden hundert Jahre bezeichnen wieder einen tiefen Niedergang der Stadt. Cola di Rienzos abenteuerlicher Versuch, eine Republik herzustellen (1347), endigte mit dem Tode des Tribunen (1354). Zwar kehrte Papst Gregor XI. (1377) nach R. zurück, aber die Kämpfe der Orsini und Colonna in der Stadt, das große Schisma in der Kirche verhinderten jegliches Aufblühen auch fernerhin. Eine Folge der geschilderten Verhältnisse ist, das; R. reich an kirchlichen Bauwerken aus dem ersten Jahrtausend (s. oben, S. 934), an Monumenten aus dem spätern Mittelalter äußerst arm ist. Einige großartige Festungsbauten (unter anderm Torre delle Milizie, auch Torre di Nerone genannt, auf dem Quirinal, von Innocenz III. gebaut; Torre dei Conti, aus derselben Zeit; das befestigte Haus der Crescentier am Ponte Rotto, irrig Casa di Rienzi, auch Casa di Pilato genannt; Torre degli Anguillara in Trastevere; Burg der Savelli aus dem Aventin bei Sta. Sabina), eine einzige got. Kirche (Sta. Maria sopra Minerva), die große Treppe von Araceli (1349) sind die einzigen nennenswerten erhaltenen Bauwerke aus dem Zeitraum von 1000 bis 1400.

Eine neue Zeit begann für die Stadt, als nach Beendigung der großen Kirchenspaltung durch das Konzil von Konstanz ein Römer, Martin V. (Colonna), den Stuhl Petri bestieg. Er und sein Nachfolger Eugen IV. (1431–47) stellten in der verödeten und unsichern Stadt und Campagna Rune und Ordnung wieder her. Nikolaus V. (1447–55) besserte die Mauern des Aurelianus an vielen Stellen wieder aus, begann die Peterskirche, welcher Einsturz drohte, durch einen großartigen Neubau (nach ↔ Bernardino Rossellinos Plänen) zu ersetzen, vergrößerte den vatikanischen Palast und begründete die Bibliothek (s. Vatikanische Bibliothek). Die Stadt, im 14. Jahrh. auf den schmalen Streifen am Fluß (Rioni Regola, Sant' Angelo, Ponte, Trastevere, Borgo) beschränkt, breitete sich nun auch im Marsfeld aus (Rioni Parione, Sant' Eustachio, Pigna).

Die Renaissance in Litteratur und Kunst hielt auch in R. ihren Einzug. Sixtus IV., der 1475 ein großartiges Jubeljahr feierte, erbaute den Ponte Sisto, die Sixtinische Kapelle und erneuerte zahlreiche Kirchen. Die Bebauung des Marsfeldes dehnte sich bis zum Corso aus, die Physiognomie des mittelalterlichen R.s wurde völlig umgestaltet durch die von ihm angeordnete Beseitigung der Erker und Hallengänge vor den Häusern. Die Bauthätigkeit nahm unter seinen Nachfolgern Alexander VI. (1492–1503), Julius II. (1503–13), Leo X. (1513–21) einen mächtigen Aufschwung; mit den Päpsten wetteiferten die Kardinäle in prunkvollen Kirchen- und Palastbauten, ungeheure Summen aus allen christl. Ländern wurden zur Ausschmückung R.s verwandt. Architekten, wie Bramante, Raffael, Michelangelo, die beiden Sangallo, Peruzzi, Maler wie Perugino und Pinturicchio gaben der Stadt ihr künstlerisches Gepräge. Die Einwohnerzahl betrug Ende 1526 nach einer neuerdings (von D. Gnoli, «Archivio della Società romana", 1894) veröffentlichten Urkunde 55035.

Diese glänzende Epoche fand ihren Abschluß schon 1527 durch den schrecklichen Sacco di Roma, die Erstürmung der Stadt durch die span. und deutschen Truppen Karls V. Unter Paul III. (1534–49) trat die Türken- und Moreskengefahr so nahe, daß eine neue Befestigung (durch Antonio da Sangallo) geplant, aber nur zum kleinen Teil vollendet wurde. Künste und Wissenschaften wurden unter ihm wie Julius III. (1550–55) und Paul IV. (1555–59), wenn auch nicht mehr in der fast heidnisch-humanistischen Art des beginnenden 16. Jahrh., weiter gepflegt. Das Kapitol wurde nach den Plänen Michelangelos umgestaltet, der auch den Plan für die Peterskirche und das Modell für deren Kuppel herstellte. Unter Gregor XIII. (1572–85) begann sich die Stadt nach Osten zu erweitern.

Von einschneidender Bedeutung für die Entwicklung R.s war das Pontifikat des kraftvollen Sixtus V. (1585–90). Nicht nur große Monumentalbauten wurden geschaffen (Peterskuppel, Vatikanische Bibliothek, Acqua Felice), sondern auch eine ausgedehnte Fläche, vom Pincio über Quirinal und Esquilin bis zum Cälius reichend, der bebauten Stadt hinzugefügt. Seine schnurgeraden Straßenanlagen (Via Sistina, Quattro Fontane und Nebenstraßen) sind maßgebend gewesen für das päpstliche R. bis 1870. Das 17. Jahrh. hatte zu thun, die von Sixtus V. gezogenen Stadtgrenzen allmählich mit Gebäuden auszufüllen. An die Namen der großen Familien, die einen Papst zu den ihrigen zählen (Aldobrandini: Clemens VIII., Barberini: Urban VIII., Ludovici: Gregor XV., Pamfili: Innocenz X.), knüpfen sich die großartigsten Anlagen von Privatpalästen und Villen, welche R. besitzt. Bernini und Borromini haben dieser Barockepoche ihr künstlerisches Gepräge gegeben. Das geistige Leben aber stagnierte unter der Hierarchie, und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bevölkerung, welche Sixtus V. durch Anlage von Manufakturen und andern Vorkehrungen hatte heben wollen, verschlechterten sich