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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Rom und Römisches Reich (als Republik)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Rom und Römisches Reich (als Republik)'

Die nationalröm. Überlieferung hat diesen Krieg mit allerhand patriotischen Sagen (von Horatius Cocles [s. Horatier], Mucius Scävola [s. Mucier], Clölia [s. d.]) ausgeschmückt, in Wahrheit verlief er unglücklich; Rom geriet unter Porsennas Herrschaft. Erst als die weiter südwärts vordringenden Etrusker durch die von den Cumäern unterstützten Latiner bei Aricia entscheidend geschlagen waren, vermochten wohl die Römer die Fremdherrschaft abzuschütteln. Aber ihre beherrschende Stellung in Latium war verloren; die Latiner zeigten sich sogar feindlich. Es bedurfte wieder des Kampfes und eines großen Sieges, der angeblich 499 oder 496 am See Regillus ausgefochten wurde, um ein neues, auf Gleichberechtigung beider Mächte gestelltes Bündnis mit den Latinern zu schließen (493), dem 486 auch die Herniker von den westl. Vorbergen des Apennin beitraten.

Nach dem Latinersieg war es auch zu einer entscheidenden Umwandlung im Innern gekommen: die andauernde Kriegsnot und die Kriegslast hatten einen argen Notstand unter der freien Bauernschaft, dem Kern der Plebs, hervorgerufen; der hohe Zinsfuß, das auf persönliche Haftbarkeit des Schuldners gegründete Schuldrecht drückten schwer. So schärften sich die Gegensätze zwischen dem herrschenden Patriciat und der Plebs und führten 494 (?) zur Auswanderung des plebejischen Heers nach dem Mons sacer nördlich von der Stadt. Hier konstituierte sich die Plebs durch feierlichen Schwur als eigene Gemeinde mit eigenen Oberbeamten, den Tribuni plebis (s. Tribun). Der Senat gab nach, erkannte diese Organisation der Plebs an (s. Menenius Agrippa), und diese kehrte zurück; sie versammelte sich fürderhin, wenn nötig, gesondert, in welcher Formation, ist zunächst nicht ganz klar. Mit diesen Ereignissen steht auch wohl die Einteilung des gesamten röm. Gebietes in 4 städtische und 16 ländliche Tribus in Zusammenhang, bald nachher wurde noch die 21. dazugefügt. Die Grundlage für eine Gleichstellung der beiden innerhalb des röm. Staates bestehenden Gemeinden war damit gewonnen. In den bald ausbrechenden Kämpfen mit den Rom benachbarten Volskern, Äquern, Fidenaten, Vejentern stehen Patricier und Plebejer treu zusammen. Immerhin blieb der Gegensatz bestehen und brach zeitweise durch; die sagenhafte Geschichte vom Coriolanus (s. d.) wird mit einem Restaurationsversuch gegen die Abmachungen mit der Plebs in Verbindung gebracht; der plebejische Adlige Spurius Cassius, der 486 das erste Ackergesetz zu Gunsten der Plebs beantragt, wird verurteilt. Die Ackerfrage ist vor allen brennend. Die hochherzige Aufopferung des lange verhaßten Patriciergeschlechts der Fabier, auf eigene Hand Veji (s. d.) zu besiegen und damit Land für die Plebs zu schaffen (477), blieb erfolglos. Der Ständekampf verschärfte sich von neuem. Da man in der Ackerfrage nicht vorwärts kam, suchte man auf anderm Gebiet etwas zu erreichen: 472 setzte Publilius Volero die Umgestaltung der Versammlungen der Plebs in die Tributkomitien (s. Komitien) und die Wahl der plebejischen Magistrate in diesen durch. 462 begann der Tribun Terentilius Arsa die Agitation für die Aufzeichnung des Landrechts, aber erst 451 wurde zu diesem Zweck eine Kommission von zehn Männern (Decemvirn, s. d.) mit absoluter gesetzgeberischer Vollmacht (Konsulat und Tribunal wurden suspendiert) eingesetzt, die 450 zehn Gesetzestafeln ↔ vollendete; sie wurden 449 mit zwei weitern Tafeln als Zwölftafelgesetz (s. Zwölf Tafeln) veröffentlicht. In demselben Jahre aber wurden die Decemvirn, die den Versuch machten, sich widerrechtlich im Amte zu behaupten, nach der Tradition durch eine zweite Secession der Plebs beseitigt, das Konsulat mit seinem Gegenstück, dem Tribunat, wiederhergestellt und mittels der valerisch-horazischen Gesetze (s. Valerier) die Rechte der Tribunen und der Plebs gefestigt und erweitert. Von nun an gewinnt die Plebs, durch Parteiungen innerhalb der Patricier gefördert, eine Position nach der andern: 445 die Ehegemeinschaft mit den Patriciern durch das canulejische Gesetz, in demselben Jahre die Konzession, daß statt der Konsuln außerordentlicherweise auch Militärtribunen mit konsularischer Gewalt gewählt werden könnten aus beiden Ständen, 421 den Zutritt zur Quästur. 366 gelangte schließlich nach der gewöhnlichen Tradition durch die licinisch-sextischen Gesetze (s. Licinier) das Konsulat in die Hände der Plebejer. Auch die vom Konsulat losgelösten Amter der Censur (seit 443?) und Prätur (366) wurden bald den Plebejern zugänglich. 300 erhielten sie endlich durch das ogulnische Gesetz die Berechtigung zur Bekleidung der letzten wichtigen Priestertümer des Augurats und Pontifikats. 339 (oder spätestens 287) wurden die Beschlüsse der Tributkomitien als gültig für das ganze Volk erklärt.

Trotz dieser heftigen innern Bewegungen, neben denen noch Versuche, die Alleinherrschaft zu begründen, von der allerdings hierin ziemlich unzuverlässigen Tradition gemeldet werden (486 Spurius Cassius, 460 Herdonius, 439 Spurius Mälius, 384 M. Manlius), trotz mancher Mißerfolge nach außen, ist die röm. Macht doch stetig wachsend siegreich vorgeschritten. Nach langen Kämpfen (411–396) ward durch Furius Camillus (s. d.) endlich die alte Feindin Veji bezwungen, glückliche Kriege gegen Äquer, Volsker u.a. reihten sich an. Kurz darauf, 390 oder wahrscheinlicher 388, ist allerdings eine der furchtbarsten Katastrophen über Rom hereingebrochen durch den Einfall der Gallier. Unter ihrem Führer Brennus (s. d.) schlugen sie die Römer an der Alia, besetzten die Stadt bis auf das Kapitol und konnten nur durch schwere Kriegsbuße zum Abzug bestimmt werden. Zweimal noch haben sich danach die Gallier gezeigt, sind aber 349 durch die vereinigten Römer und Samniter entscheidend zurückgeschlagen worden (s. Gallien, Bd. 7, S. 492). Rom stützt sich durch Bündnisse: 358 wird der alte Bund mit den Latinern erneuert, 354 der mit den Samnitern geschlossen, die durch die gallische Katastrophe wieder übermütigen Gegner werden gezüchtigt, die neu erworbenen Gebiete 387 in vier neue Tribus geteilt und durch Militärkolonien gesichert. 358 kommen abermals zwei Tribus hinzu. Rom breitete seine Herrschaft auch in Etrurien weit aus und ging 348 und 343 mit Karthago neue Handelsverträge ein. Das Verhältnis der Römer zu ihren samnitischen Verbündeten ist nicht ganz klar; die Überlieferung erzählt von einem großen (dem ersten Samniter-) Kriege 343–341, scheint aber verwirrt (s. Samniter). Unmittelbar darauf zogen Römer und Samniter wieder vereint gegen die Latiner und Campaner (340–338). Die Römer siegten, Latium und Campanien wurden unmittelbar dem röm. Staate angegliedert.

Die zweite Periode der Republik (338–265 v.Chr.) hat im Innern keine so großen Umgestaltungen hervorgerufen wie die vorausgehende, sie er-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 951.