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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Römische Litteratur

während mit größerm Erfolge beim Publikum das griech. Lustspiel von Cäcilius Statius und vor allem von Terentius mit dem Bestreben weiter gebildet wurde, auch feinere Ohren zu befriedigen, als die derbe Komödie des Plautus voraussetzte. Der Herrschaft der griech. Richtung treten aber gegen das Ende dieser Periode wieder nationale Elemente gegenüber in Afranius, dem Vertreter der fabula togata oder des Lustspiels mit röm. Stoff, und in Lucilius, der die Satire als eine sich an die altnationale Satura anschließende Gattung handhabte, in der er aber, wie nach ihm besonders Horaz, eine poet. Kritik der Zeiterscheinungen ausübte. Um dieselbe Zeit wurde auch die volkstümliche Atellane in verfeinerter Form auf die Bühne gebracht. - In der Prosa ist die einzige bedeutendere Erscheinung dieser Periode die Geschichtschreibung, deren Begründer Fabius Pictor um die Zeit des zweiten Punischen Krieges war. Aber die trockne, kunstlose Art der chronikartig schreibenden Annalisten (s. Annalen) ist nur aus den Erwähnungen der spätern bekannt, deren künstlerische Darstellung die ältern Vorgänger bald vergessen ließ. Nur der ältere Cato nimmt mit seinen "Ursprungsgeschichten" (origines) Roms und anderer italischer Städte eine bedeutendere Stellung ein. Außerdem sind in der Prosa dieser Zeit noch zu erwähnen Anfänge der Grammatik, der Jurisprudenz und Darstellung praktischer Fächer, wie z. B. der Landwirtschaft in einer Art Encyklopädie des für den praktischen Gebrauch Wissenswerten durch Cato. Eine wichtige Rolle in der allmählichen Hebung der Prosa ist auch der polit. Beredsamkeit zuzuteilen; doch kann darüber weniger nach den erhaltenen Resten als nach der Macht und dem Glanz geurteilt werden, den dieselbe sofort in der nächsten Periode entwickelt.

In der zweiten Periode, der klassischen Zeit oder dem Goldenen Zeitalter der R. L., geht der Höhepunkt der Prosa in Cicero dem der Poesie durch Virgil und Horaz voran. Was diese Prosa, besonders die Ciceros, zur klassischen, mustergültigen macht, ist gleichmäßige Korrektheit, die Vermeidung des Ungewöhnlichen, wobei der Maßstab die gebildete Umgangssprache war, der rhetorische Wohllaut, die Klarheit der Darstellung, die bei Cicero freilich öfters den Inhalt vermissen läßt, dann namentlich der abgerundete, wohlgemessene Periodenbau. Die alle andern Gattungen überragende künstlerische Beredsamkeit, nach den Griechen bearbeitet in den rhetorischen Schriften Ciceros, neben ihm hauptsächlich vertreten durch Hortensius, weiterhin durch Cäsar, gab der lat. Prosa überhaupt einen rhetorischen Charakter. Die Zahl der in den Kreis der Darstellung gezogenen Fächer erfuhr eine bedeutungsvolle Bereicherung durch die Philosophie, deren Sprache den Römern geschaffen zu haben wiederum ein Verdienst Ciceros ist. Die Geschichtschreibung, im republikanischen Teile dieses Zeilraums vertreten durch Cäsar, Sallust, Cornelius Nepos, Pomponius Atticus u. a., wurde nun erst eine Kunst, die zum Teil im polit. Interesse der Gegenwart geübt, in ihrer Form aber ganz besonders von der Beredsamkeit beeinflußt wurde. Die historische und grammatische Forschung sowie das praktische Fach des Landbaues fanden einen fleißigen und um die Altertümer Roms hochverdienten Vertreter in M. Terentius Varro. Endlich erfuhr durch den geistigen Verkehr in der gebildeten Gesellschaft Roms der Briefstil eine hohe Ausbildung, wie sie durch Ciceros Briefwechsel bezeugt wird. Gegenüber diesem Reichtum tritt die gleichzeitige Poesie verhältnismäßig zurück. Das Drama hat nur in einer untergeordneten Gattung Neues auszuweisen, nämlich im Mimus (s. Mimen), der moralisierenden, aber auch unzüchtigen Charakterposse mit Tanz, vertreten durch Laberius und Publilius Syrus. Lyrik und Epos aber haben je einen Vertreter, jene den Catullus, anmutig als Dichter der Liebe und des Genusses und dabei voll Kraft in der polit. Lyrik, dieses (und nur als didaktisches Epos) den Lucretius, der in seinem formell noch unbeholfenen Lehrgedicht "Über das Wesen der Dinge" der Dolmetscher Epikureischer Philosophie ist.

Der Ruhm der Klassicität aber in Epos und Lyrik, begründet auf unbedingter Annahme der Gesetze griech. Dichtkunst, gebührt der Augusteischen Periode. Die neue Richtung, theoretisch vertreten von Horaz in seiner "Ars poëtica", bildete ein höchst wichtiges Element in dem geistigen Leben dieser Zeit. Rein ästhetisch hat sie in der Äneis Virgils, den Oden des Horaz und der Elegie des Tibull, Properz, Ovid ihre höchste Blüte gefunden und dem rhetorischen den poet. Schmuck beigesellt. Sodann hat sie die griech. Mythologie vollends im röm. Bewußtsein eingebürgert. Zugleich war sie von hoher Bedeutung für die neue Monarchie, der sie mit ihrer Huldigung einen Glanz für alle Zeiten verlieh, ja für deren röm.-nationale Zwecke sie in den patriotischen Klängen der Äneis und horazischer Oden eine schätzbare Bundesgenossen war. Hinsichtlich der poet. Kraft und Ursprünglichkeit bleiben Virgil und Horaz freilich hinter den höchsten Anforderungen zurück; allein es ist unrichtig, sie bloß an Homer und Sappho zu messen, statt an der Zeit, in der, und an dem Volk, für das sie schrieben. Im reinen Epos stehen neben Virgil nur Namen, keine uns erhaltenen Dichtungen. Wären die uns erhaltenen "Metamorphosen" des Ovid ein geschlossenes Epos, nicht bloß eine Reihe oft nur lose zusammengehaltener Erzählungen, so müßte Ovid für den größten röm. Epiker gelten, wie er denn in der Handhabung der Form der größte Künstler, nicht bloß der R. L. ist, und sein Talent allen Stoffen und Kunstgattungen anzubequemen vermag, der epischen wie der lehrhaften, der lyrischen wie der dramatischen. In der Lyrik finden sich neben Horaz die Elegiker Tibull, Properz und Ovid, jener mit tieferm Gefühl, Properz mit gesuchter Kunst und Leidenschaftlichkeit, Ovid zwar weniger tief, aber mit unnachahmlicher Grazie und Geschmeidigkeit dichtend. Virgil und Horaz waren aber, wie Ovid, auch Muster in andern Gattungen, Virgil in dem dem Theokrit nachgebildeten Idyll, Horaz in der nunmehr im modernen Sinn gefaßten Satire durch die schärfern, dem Archilochus nachgebildeten Epoden und die ruhiger gehaltenen, nicht aus tiefer, sittlicher Entrüstung, sondern aus der ironischen Laune des Weltmanns hervorgegangenen Sermonen. Beide bildeten ferner das Lehrgedicht aus, Virgil durch die "Georgica", Horaz durch die "Ars poëtica". Auch wird man die "Episteln" des Horaz mit ihrer moralischen Reflexion der didaktischen Gattung zurechnen können. Im Drama dagegen ist die Augusteische Zeit weniger produktiv und nur durch zwei Namen, Ovid und Varius, vertreten.

In der Prosa bildet den Glanzpunkt die Geschichtschreibung, vertreten durch Livius. Die Beredsamkeit dagegen fühlt schon jetzt den nachteiligen Ein-^[folgende Seite]