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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Russische Kunst

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Russische Kunst

minarien und Rektoren der Akademien, die andern Vikarbischöfe und endlich Eparchialbischöfe. Die Klöster haben, ebenso wie die Gemeinden, am Ende des vorigen und Anfang dieses Jahrhunderts das Wahlrecht ihrer geistlichen Vorstände verloren; die Gutsbesitzer verloren ihr Patronatsrecht mit der Aufhebung der Leibeigenschaft.

Die Grusinische Kirche war ursprünglich gleich der armenischen autokephal und hatte ihre eigenen Patriarchen; bei der Unterwerfung Grusiens wußte man den damaligen Patriarchen dahin zu bringen, daß er ohne seine Synode zu fragen, sich dem russ. Synod unterwarf, so daß diese Kirche jetzt zur russischen gehört, wenn sie auch den Gottesdienst in ihrer eigenen Sprache und ihre Besonderheiten hat. Sie wird unter der Leitung des Synod vom Erzbischof von Kartalinien und Kachetien als Exarchen von Grusien verwaltet; unter seinem Vorsitz besteht ein Grusinisch-Imeretisches Synodalcomptoir. Außer dem Erzbistum giebt es noch 4 Eparchien.

Vgl. Stourdza, Considérations sur la doctrine et l'esprit de l'église orthodoxe (Stuttg. 1816; deutsch von Kotzebue, Lpz. 1817); Briefe über den Gottesdienst der morgenländ. Kirche (von Murawjew; deutsch von Muralt, Lpz. 1838); Wimmer, Die griech. Kirche in Rußland (ebd. 1848); Makarij, Geschichte der R. K. (russisch, 12 Bde., Petersb. 1848-83); Boissard, L'église de Russie (2 Bde., Par. 1866-67); Hepworth Dixon, Free Russia (2 Bde., Lond. 1870 u. ö.); Philaret, Geschichte der Kirche Rußlands (aus dem Russischen von Blumenthal, 2 Bde., Frankf. a. M. 1872); Basarow, Die russ.-orthodoxe Kirche (Stuttg. 1873); Golubinskij, Geschichte der R. K. (russisch, Tl. 1, Moskau 1881); Heard, The Russian church and Russian dissent, comprising orthodoxy, dissent and erratic sects (Lond. 1887); Frank, Russ. Selbstzeugnisse. I. Russ. Christentum (Paderb. 1889); Dalton, Die R. K. Eine Studie (Lpz. 1892); Knie, Die russ.-schismatische Kirche, ihre Lehre und ihr Kult (Graz 1894). (S. auch die Litteratur beim Artikel Griechische Kirche.)

Russische Kunst. Bis vor kurzem galt es als ausgemacht, daß die slawische und vor allem die R. K. nur eine Fortentwicklung oder gar eine willkürliche Verstümmelung der Byzantinischen Kunst (s. d.) sei; doch kann es nach neuern Forschungen keinem Zweifel mehr unterliegen, daß in den russ. Kunstformen nicht bloß byzant. Elemente, sondern auch aus dem klassischen Altertum überlieferte griechische sowie asiatische, indische, turanische und iranische (persische), besonders letztere, zu unterscheiden seien. Die Originalität der russ. Kunstformen besteht in der Verschmelzung aller dieser Elemente. (Hierzu die Tafeln: Russische Kunst I-III. - Taf. I: Bildnerei. Taf. II: Baukunst. Taf. III: Malerei.)

Der erste Zeitraum umfaßt die Anfänge der R. K. durch Aufnahme aller der erwähnten Kunstelemente und durch ihre Verschmelzung. In diesen Zeitraum fallen sowohl die ältesten, noch ganz barbarischen Kunstprodukte der Scythen und Sarmaten, als auch alle diejenigen Denkmäler slaw. und russ. Kunstthätigkeit, welche bis zum 11. Jahrh. unter dem Einfluß der erwähnten fremden Kunstelemente stehen. Diesen Zeitraum könnte man den kurhanischen nennen, weil die Kunstprodukte desselben fast ausschließlich aus Kurhanen, d. h. Gräbern, stammen.

Die monumentalen Überreste dieses ältesten Zeitraums slaw. Kunst bedecken den Süden Rußlands ziemlich dicht, im SO. vom Kaukasus beginnend, im NW. bis in die Gegenden von Tschernigow und Kiew reichend. Man hat bei den reichen Funden, welche die Ausgrabungen dieser Grabstätten besonders in den letzten Jahrzehnten zu Tage gefördert haben, hauptsächlich zwei große Klassen von Kunstprodukten zu unterscheiden: solche, die von einer hohen Kultur zeugen und meist griech. Ursprungs sind, und solche, die sich als das Werk einer niedern, vielfach noch barbarischen Kulturstufe darstellen. Die letztern sind wohl durchgängig als selbständige Kunstprodukte der Scythen, Sarmaten oder Slawen anzusehen, während die erstern zur griech. Archäologie gehören, aber dadurch von besonderm Interesse sind, daß sie vielfach das Leben, die Sitten, die Kleidung und Industrie jener barbarischen Völker zum Gegenstand haben. In letzterer Beziehung sind die bosporischen Altertümer, die in der Umgegend von Kertsch schon seit 1835 gefunden wurden, ganz besonders lehrreich. So ist z. B. auf der Halbinsel Taman in dem größern der beiden Kurhanen, die als "Zwillinge" bezeichnet werden, 1869 ein prächtiger goldener Frauenkopfschmuck, eine Art Diadem, im schönen griech. Stil aus dem 4. Jahrh. v. Chr. ausgegraben worden, auf dessen dünnen Platten Figuren befestigt sind, die den Kampf scyth. Barbaren mit Greifen darstellen. Ein anderer großer und reicher Kurhan, der Czertomlitzkische bei Nikopol, am rechten Ufer des untern Dnjepr, der einen ganzen Gräberkomplex umfaßt und auch einem barbarischen Fürsten gewidmet war, enthält unter vielen barbarischen Werken auch Gegenstände von feinster griech. Arbeit. Sie bieten eine Fülle von Material, das direkt sowohl über die Lebensart als die Geschmacksrichtung und die Kunstthätigkeit der alten Slawen aufklärt. Den prächtigsten Fund dieses Grabes und bis heute mit den schönsten Schmuck des so überaus reichen Museums der Eremitage in Petersburg bildet eine silberne Vase in Form einer Amphora, die wahrscheinlich als Kumysbehälter benutzt war. Ihre Ornamente bilden eine Apotheose des Pferdes und schildern in charakteristischen Darstellungen das Verhältnis der alten Slawen zu diesem Tiere. In den Gräbern finden sich auch viele andere Gegenstände, so Schwerter mit verzierten Griffen, Messer, Pferdegeschirre u. s. w. Auch hier sind neben griech. Formen orientalische, besonders pers. Motive sichtbar, die von direktem asiat. Einfluß zeugen. Den schlagendsten Beweis dieses Einflusses sowie überhaupt eine Ausbeute barbarischer Kunstprodukte boten die Ausgrabungen des Alexandropolschen Kurhans im Jekaterinoslawschen Kreise, 60-70 Werst vom Dnjepr entfernt, dann des Heremesowschen Kurhans, 50 Werst südöstlich vom vorhergehenden, des Krasnokutschen, zwischen Jekaterinoslaw und Nikopol, ebenfalls im Thale des Dnjepr, und schließlich des Zimbalowschen im Melitopolschen Kreise des Taurischen Gouvernements, in der Nähe des Asowschen Meers. Die meisten Gegenstände dieser Fürstengräber sind rohe barbarische Arbeiten, aber in den Ornamenten dieser Gegenstände findet man neben den persisch stilisierten Greifen, neben dem Lebensbaum und der Lotosblume eine absonderliche Verwertung der Pferdeköpfe mit langgedehnten, schlangenartig ineinander gewundenen Leibern, Menschenkörper mit Kleidern und Beinen, die in gewundene Schlangen- und andere Tierornamente auslaufen und sich als Anfänge origineller Kunstformen darstellen. Welchen Völkerstämmen auch die