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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Sachsen, Königreich (Geschichte)

leute gingen 1835 an die vier Kreisdirektionen in Dresden, Leipzig, Zwickau und Bautzen und die ihnen untergeordneten Amtshauptleute über. Auch die Oberlausitz trat vorbehältlich der Erhaltung ihres Sonderlandtages unter die Verfassung des Gesamtstaates. Die alte Teilung der Finanzverwaltung zwischen Krone und Ständen wurde beseitigt, indem die Hauptstaatskasse die Verwaltung des Staatsvermögens, die Finanzcentralkasse die Verteilung der Staatseinnahmen, die Staatsschuldenkasse die Aufsicht über die Staatsschulden unter der weitgehenden Mitwirkung einer ständischen Deputation übernahm. An die Stelle des bisherigen höchst verwickelten Abgabesystems traten 1834 drei direkte Steuern: die Gewerbesteuer im wesentlichen für die Städte, die Grundsteuer besonders für das platte Land und die Personalsteuer für beide. Die bisherigen Steuerbefreiungen der Rittergüter wurden gegen billige Entschädigung aufgehoben und die gleichmäßige Verteilung der Lasten durch eine neue Katastrierung gesichert (bis 1843). Die Lehen wurden 1834 in Allode verwandelt. Dieser befreiten Landbevölkerung gewährte die Landgemeindeordnung von 1838 die Verwaltung ihrer örtlichen Angelegenheiten. Die Befreiung des städtischen Gewerbebetriebes wurde angebahnt durch Aufhebung des Bier- und Mahlzwanges 1834, die Gestattung einiger Gewerbe für das platte Land 1840 und die Zulassung der Juden zu Handwerk und Handel 1838. Die Appellationsgerichte und das Oberappellationsgericht in Dresden sicherten die Einheitlichkeit der Rechtsprechung, die zugleich durch das Strafgesetzbuch von 1836 eine feste Grundlage erhielt. 1835 erschien ein Militärstrafgesetzbuch. Das Armenwesen erhielt durch das Heimatgesetz von 1834 und die Armenordnung von 1840 eine feste Grundlage; die Aufsicht über die Gesundheitspflege wurde 1836 den Bezirksärzten übertragen. Die Leitung der luth. Landeskirche ging an das Dresdener Landeskonsistorium und die vier in Evangelicis beauftragten Staatsminister über, als dessen Organe die Kirchen- und Schulräte bei den Kreisdirektionen eingesetzt wurden (1835). Das Volksschulwesen ordnete das Gesetz von 1835, ein anderes die Prüfung der geistlichen und Schulamtskandidaten; die Gelehrtenschulen erhielten 1846 ein Regulativ; für die Hinterbliebenen der Geistlichen und Lehrer sorgte die Pensionskasse seit 1840.

Die Finanzen und der Kredit S.s gewannen durch die Öffentlichkeit des Staatshaushalts und eine weit ausgedehnte ständische Kontrolle. Der Anschluß S.s an den Zollverein (1. Jan. 1834) verschaffte der Gewerbthätigkeit des Landes und dem Meßhandel Leipzigs einen neuen Aufschwung, und die Annahme des preuß. Münzfußes auf der Münzkonferenz der Zollvereinsstaaten 1838 schuf eine Münzeinheit fast für ganz Norddeutschland. S. war das erste Land in Deutschland, das neben zahlreichen Straßenbauten den Bau einer größern Eisenbahn, von Leipzig nach Dresden, unternahm. Für die Flußschiffahrt eröffnete die Begründung der Sächsisch-Böhmischen Dampfschiffahrtsgesellschaft eine neue Periode (1837).

Als nach König Antons Tode (1836) sein Neffe, der bisherige Mitregent Friedrich August II. (s. d.), infolge der Verzichtleistung seines Vaters Maximilian (gest. 1838), den Thron bestiegen hatte, begann sich eine starke Opposition zu regen. Durch Lindenaus Austritt aus dem Kabinett 1843 und seine Ersetzung durch von Könneritz ward die Kluft zwischen dem Ministerium und der liberalen Opposition größer. Zu den polit. Elementen des Zwiespalts kamen seit Anfang 1844 kirchliche durch die Bestrebungen für eine freiere Verfassung der prot. Kirche. Der Deutschkatholicismus sowie die prot. Lichtfreunde fanden in S. Anklang, doch verhielt sich die Regierung noch wesentlich ablehnend. Der Bruder des Königs, Prinz Johann, den man ohne Grund für einen Freund der Jesuiten hielt, wurde deshalb bei Gelegenheit einer Revue über die Kommunalgarde zu Leipzig 12. Aug. 1845 von einem Volkshaufen in seinem Hotel insultiert. Das Einschreiten des Militärs, das mehrfache Tötungen und Verwundungen Unbeteiligter zur Folge hatte, rief wieder große Erbitterung hervor. Überdies folgten (1846/47) Jahre des Notstandes und der Teuerung, die das Mißvergnügen steigerten. Der außerordentliche Landtag von 1847 hatte sich nur mit den Mitteln zur Abhilfe der Not und mit finanziellen Fragen in betreff der Eisenbahnen zu beschäftigen. Der Eintritt des Präsidenten der Ersten Kammer von Carlowitz in das Ministerium als Justizminister, wogegen von Könneritz nur den Vorsitz im Gesamtministerium und die Leitung der Arbeiten der Gesetzgebungskommission behielt, blieb zunächst ohne Einfluß auf die Gesamtpolitik des Kabinetts.

Die Ereignisse des J. 1848 wirkten auch auf S. mächtig ein. Die Bewegung, von Leipzig ausgehend, doch in der Bahn friedlicher Agitation, nahm neben der freiheitlichen bald eine nationale deutsche Richtung. An Stelle des Ministeriums Könneritz trat ein liberales Ministerium (16. März), das meist aus Mitgliedern der bisherigen Kammeropposition (Braun, Georgi, Oberländer), dazu Professor von der Pfordten und General Holtzendorff, bestand. Es folgte die Verkündigung und teilweise auch sofortige Ausführung einer Reihe von Reformen. Die Finanzen suchte das neue Ministerium durch Einführung der Einkommensteuer zu heben. Am 18. Mai ward die bisherige Landesvertretung, für welche die Ergänzungswahlen fast durchweg demokratisch ausgefallen waren, noch einmal zur Beratung gesetzgeberischer Reformen, besonders eines neuen Wahlgesetzes, einberufen. Das den Kammern vorgelegte Wahlgesetz ward als nicht freisinnig genug abgewiesen; die Regierung mußte ein anderes vorlegen, über welches man sich dann einigte. Das Zweikammersystem wurde zwar beibehalten, aber für die Erste Kammer eine Zusammensetzung durch Wahlen aus den Höchstbesteuerten beschlossen, für die Zweite ein fast allgemeines Wahlrecht zu Grunde gelegt. Außerdem wurden Gesetze angenommen: über Reorganisation der Justiz auf der Basis gänzlicher Trennung derselben von der Verwaltung, über Einführung von Öffentlichkeit und Mündlichkeit im bürgerlichen und Strafprozeß sowie Einführung der Geschworenengerichte; ein Preß- und Vereinsgesetz, beide im Sinne größter Freiheit, mit Entscheidung über Preßvergehen und über das mündliche Wort in öffentlicher Versammlung durch Schwurgerichte, die Aufhebung der Stellvertretung beim Militär und Erweiterung des Instituts der Kommunalgarde, die Verwandlung des indirekten Wahlverfahrens bei den Gemeindewahlen in ein direktes und die Anerkennung der Deutschkatholiken als einer selbständigen christl. Religionsgesellschaft.

Die Wahlen zur Deutschen Nationalversammlung wie die zu dem ersten nach dem neuen Wahlgesetz gebildeten Landtage, der für Anfang 1849 einbe-^[folgende Seite]