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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Sachsen, Königreich (Geschichte)

rufen ward, trugen einen demokratischen Stempel. Daher geriet selbst das liberale Märzministerium mit dem Landtage in Zwistigkeiten wegen der von der Kammermehrheit geforderten Einführung der vom Frankfurter Parlament verkündigten "Deutschen Grundrechte". Es nahm infolgedessen seinen Rücktritt, und an seine Stelle trat ein aus den Geheimräten Held, Weinlig, von Ehrenstein, dem bisherigen Gesandten zu Berlin von Beust und dem General von Buttlar gebildetes. Dieses bekannte sich in seinem Programm vollständig zu den Grundsätzen seiner Vorgänger, vollzog aber auch die Verkündigung der Grundrechte unbedenklich. Dennoch kamen von den vorgelegten Gesetzentwürfen nur wenige zur wirklichen Beschlußfassung, darunter als die wichtigsten: ein Gesetz, das die bisher der Regierung allein zustehende Initiative bei der Gesetzgebung zwischen dieser und den Kammern teilte, Aufhebung der Bannrechte, Ablösung der Lehngelder, Freigebung der Jagd auf eigenem Grund und Boden, endlich ein Ausführungsgesetz zu der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung. Als aber die Kammern auf sofortige Anerkennung der von dem Frankfurter Parlament verkündeten Reichsverfassung drangen und die Forterhebung der nur für die ersten Monate des J. 1849 vorläufig bewilligten Steuern als einen Verfassungsbruch bezeichneten, schritt die Regierung, nach dem Vorgange Preußens und der preuß. Unterstützung für den Notfall bereits sicher, 30. April 1849 zur Auflösung des Landtags. Fast unmittelbar nachher löste sich auch das Ministerium auf. Das 2. Mai durch Zschinsky, als Justizminister, ergänzte Ministerium machte im Namen des Königs bekannt: die Regierung trage Bedenken, solange der König von Preußen die Reichsverfassung und die Kaiserkrone nicht annehme, ihrerseits eine Anerkennung auszusprechen, durch die sie die Selbständigkeit S.s zu gefährden fürchten müsse. Die allgemeine Aufregung rief eine gewaltsame Erhebung zunächst in dem damals von Truppen fast entblößten Dresden hervor. Der König entfloh 4. Mai mit den Ministern auf den Königstein, worauf eine Anzahl der noch in Dresden anwesenden Mitglieder des aufgelösten Landtags eine provisorische Regierung (Heubner, Tzschirner, Todt) niedersetzten. Es begann nun in Dresden der offene von dem Russen Bakunin geleitete Kampf, der endlich 9. Mai mit Hilfe preuß. Truppen zu Gunsten der Regierung entschieden ward. Todt und Tzschirner entflohen, Heubner, nebst andern Führern und Teilnehmern des Kampfes, ward gefangen genommen. Zahlreiche Verhaftungen und Untersuchungen folgten. Während dieser Ereignisse nahm eine kombinierte sächs. Brigade an dem Feldzuge gegen die Dänen ehrenvollen Anteil und wirkte namentlich bei der Erstürmung der Düppeler Schanzen 13. April mit.

Die sächs. Regierung hatte inzwischen nach dem Vorgange der preußischen die Abgeordneten ihres Landes von Frankfurt abberufen und die in Berlin begonnenen Konferenzen zur Vereinbarung einer Verfassung für Deutschland durch von Zeschau, den ehemaligen Finanzminister, beschickt. Am 26. Mai kam daselbst der Entwurf einer Verfassung zu stande, welchen die verbündeten Regierungen von Preußen, S. und Hannover den übrigen deutschen Regierungen zur Annahme vorlegten (Dreikönigsbündnis). Im Innern blieb jedoch die Gesetzgebung des letzten Jahres unverändert bestehen. Die Verhängung des Belagerungszustandes über Dresden und Umgebung und über einen Bezirk im Erzgebirge sowie die von dem neu eingetretenen Finanzminister Behr vorgenommene Ausschreibung der Steuern ohne vorausgegangene Bewilligung der Kammern wurden, als durch den Drang der Verhältnisse gerechtfertigt, von der nachfolgenden Volksvertretung anerkannt. In den auswärtigen Beziehungen war indessen die Regierung nebst Hannover von dem mit Preußen abgeschlossenen Bündnis zurückgetreten, indem sie von einem früher geheimgehaltenen "Vorbehalte" Gebrauch machte, und hatte sich statt dessen, unter Mitwirkung Österreichs, in Unterhandlungen mit Bayern und Württemberg eingelassen, als deren Zweck die Ersetzung des Bundestags durch ein Direktorium und eine Verteilung der deutschen Einzelstaaten in größere Gruppen unter der Herrschaft der beiden Großmächte und der Mittelstaaten erschien. Als sodann im Mai 1850 die Regierung der Einladung Österreichs zu Konferenzen wegen der deutschen Verfassungsfrage nach Frankfurt Folge leistete, legte der deutsche Ausschuß der Zweiten Kammer den Entwurf einer Adresse vor, worin gegen eine Mitwirkung der Regierung zu einer Wiederherstellung des alten Bundestags im voraus Verwahrung eingelegt ward. Am 1. Juni 1850 erfolgte hierauf die abermalige Auflösung der Kammern und 3. Juni 1850 die Wiedereinberufung der alten, 1848 aufgehobenen Stände. Im Verordnungswege ergingen Gesetze zur Beschränkung des Vereinsrechts und der Preßfreiheit; doch ward der Belagerungszustand in Dresden und Crimmitschau aufgehoben. Am 15. Juli 1850 traten die alten Stände wieder zusammen.

Diese "reaktivierten" Stände hoben das Wahlgesetz und das Gesetz über die Zusammensetzung der Kammern von 1848 auf, änderten mehrere Bestimmungen der Verfassung von 1831 im Sinne größerer Machtvollkommenheit der Regierung, genehmigten die Wiederabschaffung der Grundrechte (mit Ausnahme der bereits in die Landesgesetzgebung übergegangenen Bestimmungen) sowie der Schwurgerichte für Preß- und Vereinsvergehen und gaben ihre Zustimmung zu den vorgelegten Preß- und Vereinsgesetzen sowie zu andern reaktionären Maßregeln. Den wichtigsten Punkt der Verhandlungen der Ständeversammlung von 1851 bildete die Umgestaltung der ganzen Rechtspflege und Verwaltung. Da die Regierung die gänzliche Trennung der Justiz von der Verwaltung, desgleichen die Einführung der Mündlichkeit im Civilverfahren fallen ließ und an Stelle der versprochenen Schwurgerichte juristisch besetzte Gerichte mit öffentlich-mündlichem Anklageverfahren traten, so war in dieser Beziehung so ziemlich alles wieder rückgängig gemacht, was das J. 1848 neu gestaltet oder angebahnt hatte. In betreff der deutschen Verhältnisse beteiligte sich die Regierung, wie an den Frankfurter Konferenzen im Frühjahr 1850, so an den folgenden Versuchen zur Wiederherstellung des alten Bundestags, die auch das einzige Ergebnis der im Winter 1850-51 in Dresden unter dem Vorsitz des sächs. Ministers des Auswärtigen gehaltenen Konferenzen war. Im Okt. 1852 übernahm von Falkenstein das Departement des Kultus, während von Beust die Departements des Innern und des Äußern vereinigte. 1858 trat von Friesen als Finanzminister an Stelle Behrs, der das durch Zschinskys Tod erledigte Justizministerium übernahm, in das Ministerium ein. Durch die Erneuerung und Vergrößerung des Zollvereins 1853 wurden der sächs. Industrie und dem sächs. Handel