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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Säuferwahnsinn - Sängetiere
Säuferwahnsinn, s. Delirium.
Saugadern, s. Lymphe.
Saugbagger, s. Bagger (Bd. 2, S. 282 d).
Saugbrunnen, s. Wasserversorgung.
Saugdrains, s. Drainierung.
Saugen, in der Metallgießerei, s. Schwindung.
Säugen, die Ernährung des neugeborenen Tieres
und Kindes (Stillen) mit Muttermilch. (S.Säuge-
tiere und Säugling.)
Säugetiere (Uainniklia.), warmblütige, luft-
atmende, meist behaarte Wirbeltiere, die lebendige
Junge gebären und dieselben säugen. Sie stehen
hinsichtlich ihrer gesamten Organisation an der
Spitze der Wirbeltiere. Einige, wie die an 30 in
langen und 250000 Pfd. schweren Wale sind jetzt
die größten Tiere; andere werden nie sehr groß,
und selbst ganze Gattungen, z. V. die Spitzmäuse,
sind zwerghaft. Bekleidet sind sie mit Haar, das
von mannigfacher Beschaffenheit ist, hier in Wolle,
dort in Borsten, Stacheln oder Schuppen übergeht,
mit Ausnahme einiger Waltiere nirgends ganz
fehlt, auch am Schuppenticr als Bestandteil der
harten Bekleidung nachweisbar ist und den S. im
Gegensatz zu den Vögeln den Namen Haartiere
verschafft hat. Fast niemals sind S. von sehr bunter
Färbung und nur in einem Falle (Goldmull) haben
sie irisierende Haare. Ihre Vewegungswerk-
5 eugc ändern sich in Gestalt und Einrichtung je nach
Bedürfnis und Bestimmung der Familien oder Gat-
tungen. Sie erscheinen als greifende Hände bei Men-
schen, Affen und einigen Beuteltieren, als flügcl-
artige Gebilde bei den Fledermäusen, als Flossen an
Waltieren und als zurOrtsbewcgung allein bestimm-
ter Fuß bei den meisten übrigen. Sie sind zum Lau-
fen, Springen, Klettern, Graben, Schwimmen
u. s. w. eingerichtet und mit einer (Pferd) bis fünf
Zehen versehen, auf deren verschiedenartiger Be-
waffnung die Einteilung in Nagel-, Krallen- und
Huftiere beruht. Je nachdem ein Säugetier den Bo-
den mit der ganzen Sohle, wie der Bär, oder nur
mit den Zehen, wie Hund und Katze, im Gange
berührt, heißt es Sohlengänger oder Zehcn-
gänger, Untcrfchicde, die darum wichtig sind, weil
sie mit dem Bau des Tiers und also auch mit seiner
Lebensweise zusammenhängen. Von noch größerer
Bedeutung ist die Gestaltung des Schädels. Alle
Schädel- und Gesichtsknochen sind stets fest mitein-
ander verwachsen, nur der Unterkiefer beweglich ein-
gelenkt. Das Gebiß ist sehr mannigfaltig. Zähne
fehlen außer den Bartenwalen nur den Schuppen-
tieren, Ameisenfressern und Amcifenigcln. Bei dem
Schnabeltier haben die Kiefer nur einen einzigen
Backenzahn, und Gürteltiere und Faultiere sind mit
wenigen Zähnen versehen, in größter Zahl sind sie
bei gewissen Beuteltieren vorbanden. Ihrer Stel-
lung nach heißen sie Vorder-, Eck- und Backenzähne.
Die crstcrn stehen stets im Zwischenkieferknochen; die
Eckzähne, deren auf jeder Seite nur einer vorhanden
sein kann, sind die vordersten im Kieferknochen, dessen
übrigen Raun: die Backenzähne einnehmen, von
denen die vordersten zuweilen noch cinwurzclig sind
und dann Lückcnzähne heißen. Fast bei allen S.
wird eine größere oder geringere Zahl von Zähnen,
die Milchzähnc heißen, während der Jugend gewech-
selt, man unterscheidet daher zwischen Milchgebiß
und bleibendem Gebiß. Die Zähne sind von ein-
fachem oder zusammengesetztem, zugleich aber so be-
stündigem Bau, daß sie eins der wesentlichsten Unter-
scheidungsmerkmale abgeben.
Zwischen den Werkzeugen der Bewegung und der
Ernährung, zu welchen letztern auch die Zähne
gerechnet werden, herrscht eine genaue Beziehung.
Der Wiederkäuer hat stets Hufe, das Raubtier un-
verwachsene, Krallen tragende Zehen u. s. w. Je
nach der Art der naturgemäßen Nahrungsstofje
sind nicht allein die Zähne und die Einlentung des
Unterkiefers verschieden, sondern auch die Bildung
des Magens, der einfach bei Fleischfressern, vier-
fach bei den Wiederkäuern ist, Ertreme, zwischen
denen wieder mehrere Mittelstufen liegen. Das
einzige Werkzeug des Atmens sind die Lungen;
das Blut ist rot und bei allen S. von ziemlich glei-
cher Temperatur. Die relative Größe sowie der
Bau des Gehirns wechselt je nach den Familien
und bedingt die Entwicklung der bei manchen
schärfer hervortretenden intelligenten Fähigkeiten.
Die Sinne besitzen oft große Schürfe, sind aber
bei demselben Tiere niemals alle gleich vollkom-
men. Einer vertritt nicht selten zum Teil den an-
dern, z. B. am Hasen, wo das scharfe Gehör für
das am Tage minder scharfe Gesicht Ersatz leistet.
Die äußern Sinneswerkzeuge richten sich in
ibrer Bildung nach dem Bedürfnis eines Tiers und
bieten daher der Beobachtung Reiben der interessan-
testen Modifikationen. So ist z. V. das Ohr durch
Klappen verschließbar bei solchen, die im Wasser
leben; das Auge sehr konvex und mit spaltförmiger
Pupille versehen bei nächtlichen und sehr klein bei
unterirdischen S.; die gewöhnlich kurze Nase wird
am Elefanten zum Rüssel, am Ameisenfresser die
wurmförmige Zunge zum Werkzeug des Erhafchens
der Beute, und selbst das Organ des Fühlsinnes,
die Haut, erfährt da, wo die Notwendigkeit einer
großen Steigerung jenes Sinnes vorliegt, wie bei
den Fledermäusen, eine ungemeine Ausbildung
und Vergrößerung.
Alle S. gebären mit Ausnahme der Kloaken-
tiere (s. d.) lebendige Junge und säugen sie an
den je nach der Gattung in verschiedener Menge
(2-18) vorhandenen Warzen der milchführcnden
Organe (Milchdrüsen). Sie leben teils im mono-
gamischen, teils im polygamischen Verhältnis, im
erstern viele Raubtiere und Affen, im letztern viele
Wiederkäuer und die meisten Nager. Betreffs ihrer
Fruchtbarkeit gilt im allgemeinen, daß, je größer
eine Art ist, sie auch um so länger im Zustand
der Trüchtigtcit verharrt und eine um so geringere
Zahl von Jungen bei jeder Geburt zur Welt kommt.
Das Kaninchen kann in einem Jahre 80 Junge
haben, die Löwin ein einziges. Der Nachkommen-
schaft nehmen sich wenigstens die Weibchen mit
vieler Zärtlichkeit und mit Mut an; allein sie ent-
wickeln, mit Ausnahme einiger Nager, nicht jenen
Kunsttrieb, der untcr den Vögeln im Nesterban sich
darlegt. Gegenüber den periodischen Wechseln, die
der Erdkörpcr erfährt, sind die S. Tagtiere, Nacht-
tiere, Winterschläfer oder Wanderer. Wohnorte,
Ökonomie, Lebensart und Sitten bieten unter den
Mitgliedern einer fo großen, über 2500 Arten be-
greifenden und wohlausgerüsteten Klasse ein Bild
voll der interessantesten und zugleich mannigfaltig-
sten Wechsel. Die Klasse der S. ist teils aus'diesen:
Grunde, teils auch der Anatomie wegen sehr genau
studiert worden und für den Menschen die wichtigste.
Ihre systematische Einteilung istjenach den
Gesichtspunkten, von denen man ausging, sehr ver-
schieden aufgefaßt worden. Ziemlich allgemein er-
kennt man jetzt an, daß zuerst nach der Art der Fort-