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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Schiffahrtskanäle

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Schiffahrtskanäle

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Schiffahrtsgesetze'

Beaufsichtigung und Gesetzgebung des Deutschen Reichs der Schiffahrtsbetrieb auf den mehrern Bundesstaaten gemeinsamen Wasserstraßen, und ferner nach Art. 4, Ziffer 7, und Art. 54 die Seeschiffahrt in ihrem ganzen Umfange. Hinsichtlich der zahlreichen auf letztere bezüglichen Gesetze und Verordnungen des Reichs s. Seerecht.

Schiffahrtskanäle, künstlich für Schiffahrtszwecke hergestellte Wasserstraßen, die entweder freie offene Durchstiche oder eine fortlaufende Folge durch Stauvorrichtungen voneinander geschiedener Wasserhaltungen sind. Die durch offene S. verbundenen Gewässer können gleiche Höhe haben, wie z. B. (s. Tabelle I zur Karte) bei dem Bickow- oder dem Erftkanal, oder zeitweilig verschiedene, wie bei einigen der in das Meer mündenden Kanäle oder, wie zumeist, dauernd verschiedene. In beiden letztern Fällen haben die S. Strömung, wenn schon meist eine geringe. Haltungsschiffahrtskanäle stellen eine Anzahl von wagerechten Wasserbecken dar, die ohne Strömung sind. Deren Höhenunterschiede werden durch besondere Konstruktionen ihrer Stauvorrichtungen (Schiefe Ebenen, s. d., und Schleusen, s. d.) für die Schiffahrt überwunden. Man unterscheidet See- und Binnenlandskanäle. Seekanäle verbinden zwei Meeresteile miteinander, wie der Nordostseekanal, der Sueskanal, der Canal des deux Mers (s. unten), oder ein binnenlands gelegenes Wasserbecken mit dem Meer, wie der Manchester-Schiffskanal (s. d.). Binnenlandskanäle gehen entweder von einem Flußlauf aus und münden weiter unterhalb wieder in ihn ein (Seiten- oder Lateralkanal) oder sie verbinden zwei Wasserläufe (Wasserscheidenkanal). Haben in letzterm Falle die S. eine Haltung, die höher liegt als jeder der beiden Wasserläufe, so heißt sie Scheitelhaltung. Während in offenen S. die Wassertiefen je nach dem Wechsel der Höhe der Wasserspiegel in einem oder beiden der verbundenen Gewässer sich ändern, bleibt in den Haltungen der Haltungskanäle die Tiefe principiell gleich. Zuweilen bezeichnet man auch kürzere Durchstiche und Begeradigungen eines Flusses als Kanäle. Fehn- oder Hochmoor-Schiffahrtskanäle (vgl. Artikel Fehn- und Moorkolonien) dienen jederzeit in erster Linie der Entwässerung, erst in zweiter der Schiffahrt. Auch die Flüsse selbst kann man durch Einbau von Stauwerken mit Schleusen u. s. w. kanalisieren, d. h. für die Zeit niedriger Wasserstände derart anstauen, daß in den einzelnen Haltungen die für die Schiffahrt erforderliche Tiefe vorhanden ist, wobei die Wirksamkeit eines Stauwerkes bis zum nächst obern reichen soll. Entsprechend der Wasserführung des kanalisierten Flusses besitzen die einzelnen Haltungen stets ein Wasserspiegelgefälle und also eine geringe Strömung. Auch kanalisierte Flüsse, wie z.B. die Stecknitz (s. Stecknitzkanal), werden zuweilen Kanäle genannt.

Die Querschnittsabmessungen der S. sind sehr verschieden. In Frankreich hat sich die von der Nationalversammlung eingesetzte Kommission für Eisenbahnen und Verkehrswege schon 1874 mit einer einheitlichen Regelung der Frage beschäftigt. Diese ist auf dem Wiener Binnenschiffahrtskongreß von 1886 behandelt. Bei Hauptkanälen verlangt man für die Sohlbreite in Frankreich 10, in Deutschland und Österreich-Ungarn 16 m, für die Tiefe auf freier Strecke 2, für die nutzbare Schleusenlänge 38,5 und 57,5 bis 67, für die nutzbare Schleusenbreite 5,2 und 7 bis 8,6, für die Wassertiefe auf den ↔ Drempeln mindestens 2 und 2,05, für die freie Durchfahrtshöhe unter den Brücken 3,7 und 4 bis 4,5 m.

Leinpfade müssen auf mindestens einer Seite durchlaufend sein.

Zu lange gerade Strecken eines Schiffahrtskanals haben den Nachteil vermehrter Wirkung des Wellenschlags auf die (meist durch besondere Schutzmaßregeln gedeckten) Uferböschungen und vermehrten Austreibens des Wassers durch Wind. Die Länge der Halbmesser gekrümmter Strecken (diese pflegt man breiter zu halten als die geraden) richtet sich nach der Länge der verkehrenden Schiffe; bei ältern franz. Kanälen beträgt sie zuweilen nur 30–40, beim Nordostseekanal bis zu 6000 m.

Wasserverlust in S. tritt ein

  • 1) durch Versickerung in Sohle und Böschungen, wogegen man sich zuweilen durch deren Bedeckung mit undurchlässigem Boden schützen muß;
  • 2) durch die (in den Sommermonaten besonders wirksame) Verdunstung;
  • 3) bei Haltungskanälen durch Einlassen des Wassers aus den höhern in die tiefern Haltungen beim Durchschleusen der Schiffe, und durch Undichtheit der Stauvorrichtung (Schleusenthore, Schütze u. s. w.).

Gespeist werden die Haltungskanäle durch beide oder einen der durch sie verbundenen Wasserläufe, durch Niederschlage, durch hineingeleitete Flüsse, Bäche oder Speisekanäle, endlich in einzelnen Fällen durch Pump- und Wasserhebewerke.

S. haben die allgemeinen Vorteile der Wasserstraßen (s. Flußschiffahrt) und vor einem schiffbaren Fluß folgende besondere Vorzüge: Die geregelten Ufer erlauben überall das Laden und Löschen der Schiffe ohne schwierige Vorrichtungen, was namentlich für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Bedürfnisse wertvoll ist. Für Haltungskanäle kommen hinzu: Man kann in beiden Fahrrichtungen die Zugkraft gleich günstig ausnutzen, ist von den Wasserständen im Fluß unabhängig, kann also den Kanal, wenn dieser nicht gefroren ist, stets befahren, man kann endlich bei zweckmäßiger Führung der Kanallinie Bewässerung oder nach Umständen Entwässerung des umliegenden Geländes erzielen. Auch ist in vielen Fällen die Kanalisierung eines Flusses wegen der großen Wehr- und Uferschutzbauten kostspieliger als die Herstellung eines Kanals, weswegen man auch häufig neben an und für sich schiffbaren Flüssen Seitenkanäle angelegt hat. Nachteile der Haltungskanäle gegenüber offenen Kanälen oder Flüssen sind ihr leichteres Zufrieren und der Zeitverlust beim Durchschleusen der Schiffe.

Die vorhandenen deutschen Schiffahrts- und die flößbaren Kanäle sind in den Tabellen I–III zur hierher gehörigen Karte: Die Schiffahrtsstraßen des Deutschen Reiches zusammengestellt. Zu den wichtigsten deutschen Kanälen zählen die (jetzt durchweg künstlichen) Wasserstraßen in und um Berlin, einschließlich der Rüdersdorfer Gewässer und des Motzener Kanals, sodann die S. zwischen Stettin, Berlin und Magdeburg, nämlich der Finow- und Ihlekanal (nebst den betreffenden Havelkanälen), ferner der den Verkehr von Schlesien und Berlin-Hamburg vermittelnde Oder-Spree-Kanal, für den Holzimport nach der Mark Unter-Brahe und Bromberger Kanal und für den Holzexport nach der Ostsee der Gilge- und der König-Wilhelms-Kanal, endlich im Rheingebiet der kanalisierte Main, der Rhein-Marne-Kanal und die kanalisierte Saar. Der 1894 begonnene Elbe-Trave-Kanal soll den jetzt bedeutenden, aber sonst durch den Nordostseekanal

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 439.