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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Schlesien (Preußisch-)

8° C.; drei Monate im Jahre liegt die mittlere Temperatur unter Null. Die Regenverhältnisse sind in der Ebene normal, im Gebirge wechselnd; die mittlere jährliche Niederschlagsmenge beträgt in Breslau 53, in Ratibor 59, in Grünberg 61 und in Beuthen in Oberschlesien 69 cm.

Bevölkerung. Die Provinz hat (1890) 4224458 (1999700 männl., 2224758 weibl.) E., 450689 bewohnte, 7841 unbewohnte Wohnhäuser, 7221 andere bewohnte Baulichkeiten, 979998 Haushaltungen und 3385 Anstalten mit 79999 Insassen. Dem Religionsbekenntnis nach waren 2247890 Katholiken, 1921216 Evangelische, 5886 andere Christen, 1256 Dissidenten und 48003 Israeliten, der Staatsangehörigkeit nach 4199431 Reichsangehörige, 23207 Reichsausländer (Österreicher, Ungarn, Holländer, Dänen, Russen) und 1817 andere und ohne Angabe; der Muttersprache nach sind die meisten Bewohner Deutsche, mit Ausnahme von 973586 Polen, Masuren und Kassuben, ferner 68797 Czechen und 26299 Wenden.

Land- und Forstwirtschaft. Von der Gesamtfläche kamen (1893) aus Acker- und Gartenland 2246626 ha, Wiesen 347529, Weiden und Hutungen 61671, Öd- und Unland 24813, Holzungen 1161366, Haus- und Hofräume 50709, Wegeland, Gewässer u. s. w. 137108 ha. Die Landwirtschaft beruht zum größten Teil auf dem mittlern und bäuerlichen Betriebe; doch ist auch der Großgrundbesitz in einzelnen Gegenden sehr ausgedehnt (keine preuß. Provinz zählt so viel mittelbare Fürstentümer, Standesherrschaften u.s. w. wie S.), und im ganzen entfällt ungefähr ein Drittel der Gesamtfläche auf den landwirtschaftlichen Großbetrieb. S. hat etwa zur Hälfte trefflichen Boden und ist fast durchweg gut angebaut. Besonders fruchtbar sind das Oderthal und die Vorstufen des Gebirges von Liegnitz bis Ratibor, ebenso die Thäler von Hirschberg und Landeshut, sowie die Grafschaft Glatz. Hier liegen die Hauptsitze des Ackerbaues und der Viehzucht. Unfruchtbar ist dagegen fast das ganze Gebiet auf der rechten Oderseite und der westl. Teil des schles. Längenthals. S. liefert nächst Sachsen den größten Ertrag von Weizen und Gerste im Staat, überragt im Haferertrag alle übrigen Provinzen und gewinnt auch reichlich Roggen sowie Buchweizen, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Rüben, Ölfrüchte, Flachs, Tabak und andere Handelsgewächse. Der Obst- und Weinbau blüht bei Grünberg, Beuthen a. O. und Muskau, ferner bei Liegnitz, Öls u. s. w. Der größte Teil der landwirtschaftlich benutzten Fläche ist mit Roggen bebaut (1893: 604216 ha), dann folgen Hafer (355352), Kartoffeln (327371), Weizen (215498) und Gerste (157655 ha). Der Ernteertrag belief sich (1894) auf 693198 t Roggen, 296563 Weizen, 206178 Gerste, 3089117 Kartoffeln, 270834 Hafer und 596406 t Wiesenheu. Die Viehzucht ist außerordentlich entwickelt. Der Viehbestand betrug (1. Dez. 1892) 296725 Pferde, 1457576 (1893: 1425398) Stück Rindvieh, 657271 Schafe, 658702 (1893: 701123) Schweine, 206268 Ziegen und 126674 Bienenstöcke. Die Provinz hat (1893) 1161366 ha Forsten, darunter 888239 Privat-, 152892 Staats- und 93292 Gemeindeforsten. Der Wald besteht zu 87,2 Proz. aus Nadelholz, doch finden sich ausgedehnte Laubwaldungen namentlich im Oderthal, besonders im Reg.-Bez. Breslau.

Bergbau und Hüttenwesen. Der Kohlen- und Erzbergbau und im Zusammenhang damit das Hüttenwesen sind außerordentlich entwickelt. Das Oberschlesische Steinkohlenbecken (s. d.) ist das reichste Deutschlands, und die oberschles. Steinkohle wetteifert mit der besten englischen. Der Reg.-Bez. Oppeln hat die meisten Eisenwerke unter allen Bezirken des Staates. Eisenerz wird in großen Mengen in den Kreisen Tarnowitz und Beuthen gewonnen und ebenda, sowie in den Kreisen Zabrze, Kattowitz und Gleiwitz verhüttet. Das Tarnowitzer Plateau hat ferner das reichste bekannte Zinklager, dessen Galmei auch das seltene Metall Kadmium einschließt; ebenso liefert es Bleierze mit Silber in bedeutenden Mengen. Zahlreiche Erz- und Kohlenbergwerke sowie Hütten- und Hochofenwerke finden sich auf dem verhältnismäßig engen Plateau zusammengedrängt. Auch die Vorstufen des Riesengebirges, namentlich die Gegend um Waldenburg, haben einen bedeutenden Kohlen- und Erzbergbau; hier werden namentlich Kupfererze und Kupferkies, Schwefelkies und Vitriolerze gewonnen. Auf dem Katzbachplateau und im Reichensteiner Gebirge sind die einzigen ergiebigern Fundgruben im Staat für Arsenikerze. Auch Braunkohlen finden sich in den Vorbergen des Berglandes. Dagegen ist die Torfgewinnung nicht wesentlich, wenngleich sich in den Flußthälern und in den Moorfeldern des Glatzer Gebirges mächtige Torfvorräte finden. Die Berg- und Hüttenindustrie beschäftigte (1882) 70900 Personen. Die Industrie der Steine und Erden, welche (1882) 3425 Betriebe mit 41395 Gewerbthätigen zählte, stützt sich auf reiche Lager von nutzbaren Steinen und Erden: die Gips- und Kalksteinbrüche Oberschlesiens, die Marmor- und Steinbrüche in den Kreisen Strehlen, Neisse, Striegau und Schweidnitz, die Cementfabrikation Oberschlesiens, die Töpferei von Bunzlau, Sagan und Rothenburg, die Porzellanfabrikation von Waldenburg und Schweidnitz, die Glasmacherei in den Kreisen Waldenburg, Glatz, Habelschwerdt, Sagan, Bunzlau, Hirschberg (Josephinenhütte), Görlitz u. s. w., ferner die Gewinnung von Bergkrystall, Serpentin (am Zobten), Chrysopras (Kosemitz bei Nimptsch und Tarnau bei Frankenstein, beinahe die einzigen Fundorte), Amethyst, Topas und andern Halbedelsteinen und deren Verarbeitung liefern große Mengen von Produkten, deren Ruf weit verbreitet ist.

Industrie und Gewerbe. Die Eisengießerei, Schwarz- und Weißblechfabrikation, die Kupferschmiederei und Blechwarenfabrikation und die sonstigen Gewerbe der Metallverarbeitung beschäftigten 1882 in 12275 Betrieben 33365 Personen. Der Herstellung von Maschinen, Geräten und Apparaten aller Art widmeten sich 24356 Gewerbsthätige in 7036 Betriebsstätten; die Kreise Breslau, Liegnitz, Grünberg, Görlitz, Sprottau, Glogau, Schweidnitz (großartige Uhrenindustrie), Oppeln, Ratibor, Neisse sind die Hauptsitze dieser Gewerbszweige. Die chem. Industrie sowie die Gewerbe der Fette und Leuchtstoffe beschäftigen gegen 7000 Personen. Vor allen bedeutend ist die Textilindustrie mit 49601 Betrieben und 91326 Personen. Die Flachsspinnerei und Leinweberei ist die großartigste im ganzen Staat; sie hat ihre Sitze am Fuße des Gebirges in den Kreisen Lauban, Hirschberg, Löwenberg, Landeshut, Waldenburg, Glatz, Habelschwerdt, ferner Leobschütz, Neisse und Neustadt in Oberschlesien. Die Baumwollspinnerei und -Weberei ist verbreitet auf dem platten Lande