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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Schlesien (Geschichte)

und Industrieerzeugnissen wird noch durch den Kommissions- und Transithandel mit österr. und ungar. Weinen, russ. Juchten, Talg, Leinsamen und Pelzwerk, galiz. Steinsalz, russ. Schlachtvieh und Wiener Modewaren übertroffen. 1892 bestanden 10 Aktiengesellschaften mit 3,32 Mill. Fl. Kapital und 21 Sparkassen mit 28,9 Mill. Fl. Einlagen.

Das Land besitzt 3679,5 km Straßen, darunter 375,1 km Staats-, 1263,7 km Bezirks- und 2040,5 km Gemeindestraßen. Schiffbare Wasserstraßen sind 27 km vorhanden, Eisenbahnen 456,9 km, Telegraphenlinien 750,8 km mit 2155,3 km Leitungen; die Zahl der Postanstalten ist 145.

Unterrichtswesen. 1892 bestanden 5 Gymnasien und 4 Realschulen, 3 Lehrer- und 2 Lehrerinnenbildungsanstalten, 5 kaufmännische Fortbildungsschulen, 1 Staatsgewerbeschule, 8 gewerbliche Fachschulen, 14 gewerbliche Fortbildungsschulen, 1 mittlere, 3 niedere landwirtschaftliche Schulen, 5 Gesang- und Musikschulen, 8 Erziehungsanstalten, 213 deutsche, 116 czech., 131 poln. und 25 mehrsprachige Volksschulen und 9 Bürgerschulen.

Verfassung und Verwaltung. S. war 1783-1849 mit Mähren in administrativer Hinsicht vereinigt und wurde nach der Reichsverfassung vom 4. März 1849 zu einem eigenen Kronlande mit selbständiger Verwaltung erhoben. Die Verfassung des Landes beruht auf der Landesordnung vom 26. Febr. 1861. Danach besteht der Landtag, mit dem der Kaiser in Landessachen die gesetzgebende Gewalt ausübt, aus 31 Mitgliedern: dem Fürstbischof von Breslau, 9 aus den Großgrundbesitzern, 10 aus den Städten, Märkten und Industrieorten, 2 aus der Handels- und Gewerbekammer in Troppau und 9 aus den Landgemeinden Gewählten. In das Haus der Abgeordneten in Wien entsendet S. 10 Vertreter.

Die Verwaltung des Landes besorgt die k. k. Landesregierung mit einem Landespräsidenten an der Spitze; ihm unterstehen drei Städte mit eigenem Statut und sieben Bezirkshauptmannschaften:

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Städte mit eigenem Statut und Bezirkshauptmannschaften qkm Häuser Wohnparteien Einwohner Einw. auf 1 qkm

Städte:

Troppau 10,92 1217 4697 22867 2094

Bielitz 4,97 714 2755 14573 2932

Friedek 10,23 556 1554 7374 721

Bezirkshauptmannschaften:

Bielitz (Umgebung) 758,26 8443 15770 71339 94

Freistadt 356,42 8258 17093 86675 243

Freiwaldau 736,38 9831 16747 69688 95

Freudenthal 591,62 6896 12049 51631 87

Jägerndorf 532,21 7958 15425 63194 119

Teschen 1152,41 15216 25825 120189 104

Troppau (Umgebung) 993,46 13012 23108 98119 99

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Die Finanzverwaltung wird von der Finanzdirektion in Troppau, 2 Hauptsteuerämtern und 21 Steuerämtern besorgt. Die Rechtspflege wird in erster Instanz von dem Landesgericht in Troppau, dem Kreisgericht in Teschen als Kollegialgerichten und 24 Bezirksgerichten als Einzelngerichten, in zweiter Instanz von dem Oberlandesgericht in Brünn, in dritter Instanz von dem Obersten Gerichts- und Kassationshof in Wien ausgeübt. In militär. Beziehung untersteht S. dem Korpskommando in Krakau.

Das Wappen des Herzogtums zeigt im goldenen Schild einen gekrönten schwarzen Adler, auf der Brust ein silbernes Kreuz tragend, welches auf einem silbernen, mit kleeblattförmigen Enden versehenen Halbmonde ruht. Auf dem Schilde ein Fürstenhut. (S. Tafel: Wappen der Österreichisch-Ungarischen Kronländer, Fig. 10, Bd. 12, S. 726.) Die Landesfarben sind Gold-Schwarz.

Litteratur. Schirmer, Heimatskunde des Herzogtums S. (Bielitz 1880); Peter, Heimatskunde des Herzogtums S. (Teschen 1880); Sláma, Österreichisch-Schlesien, Landschafts-, Geschichts- und Kulturbilder (Prag 1887); Czermak und Hauser, Specialkarte von Österreichisch-Schlesien 1:288000 (3. Aufl., Troppau 1894).

Geschichte. Im Altertum wurde S. von den Lugiern und Quaden bewohnt; als diese weiter gegen Westen zogen, nahmen nachdrängende Slawen ihre Wohnsitze ein, und nur in den Gebirgen blieben Deutsche zurück. Den Namen, der zuerst in der Bezeichnung des Gaues Silensi im 11. Jahrh. vorkommt, erhielt das Land nach dem Berge Zlenz, dem jetzigen Zobtenberge, und von dem an ihm vorbeifließenden Flüßchen Zlenza (heute Lohe). Vor der Zeit der slaw.-deutschen Kriege scheint S. erst zum Großmährischen Reiche, nach dessen Zerstörung aber zu Böhmen gehört zu haben. Im Verlauf des 10. Jahrh. kam es unter poln. Herrschaft und wurde von dieser christianisiert. Das Bistum Breslau wurde gegen Ende des 10. Jahrh. begründet und im J. 1000 unter das Erzbistum Gnesen gestellt; im 11. Jahrh. wird S. noch einmal auf kurze Zeit von dem Böhmenherzoge Bretislaw zurückerobert. Es wurde erst selbständig, jedoch zunächst noch unter poln. Oberhoheit, durch den Vertrag von 1163, in dem der poln. Herzog Boleslaw IV. den drei Söhnen des in der Verbannung gestorbenen Herzogs Wladislaw II., Boleslaw, Mesko und Konrad, das Land zurückgab. Die drei Brüder teilten sich in das Land und wurden die Stammväter der schles. Herzöge aus dem Geschlecht der Piasten (s. Piast). Um das verheerte Land wieder zu bevölkern, zogen diese Herzöge deutsche Ansiedler nach S., besonders nach Niederschlesien, und ihre Nachfolger, gewöhnlich mit deutschen Fürstentöchtern verheiratet, führten allmählich deutsches Recht und deutsche Sitte ein. Besonders gefördert wurde die Germanisation auch durch die vielen neu gegründeten Prämonstratenser- und Cistercienserklöster. Unter letztern wurde Leubus vor allen wichtig. Die zahlreichen Nachkommen jener drei Herzöge teilten sich wieder in ihre väterlichen Landesteile, so daß eine ganze Reihe von Fürstentümern entstanden. Doch gab es, besonders in Oberschlesien, auch noch Fürsten böhm. Stammes, von einem natürlichen Sohne des Königs Ottokar II. (gest. 1278), namentlich die Herzöge zu Troppau, Jägerndorf und Ratibor. Unter den Fürsten aus der niederschlesischen Linie zeichnen sich aus Heinrich I. der Bärtige (gest. 1238), der Gemahl der heil. Hedwig, der mehrere blutige Kriege mit Polen führte und zuletzt einen bedeutenden Teil von Großpolen besaß, sowie sein Sohn Heinrich II. (s. d.), der Fromme, der 1241 in der Schlacht bei Wahlstatt gegen die Mongolen fiel. Unter seinen Nachfolgern fielen bald die poln. Landschaften wieder ab. Ans der niederschles. Linie entstanden wieder drei Herzogtümer: Breslau, Liegnitz und Glogau, aus denen später die Linien Brieg, Schweidnitz, Jauer und Münsterberg, ferner Sagan und Öls sich ausschieden. Auch Oberschlesien zerfiel durch wiederholte Teilungen in mehrere Herzogtümer, von denen Teschen, Oppeln, Ratibor,