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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Schleswig-Holstein

dän. Krone", dagegen Holstein als ein "selbständiger Teil der dän. Monarchie" bezeichnet. Bei der verfassungsmäßigen Einrichtung des Gesamtstaates wurden die schlesw. und holstein. Stände gar nicht gehört. Nach den ersten Jahren der Abspannung und Erschöpfung begann allmählich eine Opposition fast gleichzeitig im Reichsrat und in den beiden Provinzialständeversammlungen. Da die dän. Regierung auf die Abmahnungen Österreichs und Preußens nicht hören wollte, so brachten diese Okt. 1857 die holstein-lauenburg. Sache wieder vor den Deutschen Bund. Dieser veranlaßte zunächst Friedrich VII. zum Patent vom 6. Nov. 1858, das die nicht mit den Ständen beratenen Abschnitte der holstein. Verfassung sowie die Gesamtstaatsverfassung für Holstein und Lauenburg aufhob.

Im Anschluß an den Deutschen Nationalverein bildete sich indes unter dem Abgeordneten für Kiel, Theodor Lehmann, eine nationale Partei in S., deren Programm außer dem alten Landesrechte den "Anschluß der Herzogtümer an das unter Preußens Führung centralisierte Deutschland" verlangte. Aber gleichzeitig hatte auch in Dänemark die nationalliberale (eiderdän.) Partei sich zu größerer Energie aufgeschwungen, und die Regierung ließ sich willig vorwärts drängen. Große Befestigungen bei Düppel und am Danewerk wurden in Angriff genommen. Als die holstein. Stände in einer Adresse vom 18. Febr. 1863 die Wiedervereinigung S.s als die einzig befriedigende Lösung betonten und der königl. Kommissar die Annahme dieses Aktenstücks verweigerte, wandten sie sich (19. März) mit einer Beschwerde an den Deutschen Bund. In Schleswig legte die Mehrheit der Stände ihr Mandat nieder, was zur Auflösung der Versammlung führte (Juli 1863). Die dän. Regierung war jetzt entschlossen, den äußersten Schritt zu thun. Bereits 12. Nov. 1862 hatte man für das Herzogtum Holstein eine sogenannte holstein. Regierung angeordnet, dann folgte die königl. Bekanntmachung vom 30. März 1863, welche die beschlossene "Aussonderung" Holsteins thatsächlich vollzog. Das Herzogtum erhielt dadurch ein abgesondertes Bundeskontingent und Militärbudget. Im übrigen sollte es die Beiträge zu den Gesamtstaatsfinanzen unverändert fortbezahlen, ohne irgend welchen Einfluß auf die Gesamtstaatsverwaltung zu haben. Endlich ward ein neues "Grundgesetz für die gemeinschaftlichen Angelegenheiten Dänemarks und Schleswigs" 29. Sept. dem dän.-schlesw. Reichstag vorgelegt und 13. Nov. 1863 genehmigt mit der Bestimmung, daß es 1. Jan. 1864 in Kraft trete. Somit hatte Dänemark vollends die Vereinbarungen von 1851 und 1852 zerrissen, ohne sich an den Bundesbeschluß vom 1. Okt. 1863 zu kehren, der endlich das Exekutionsverfahren gegen den König-Herzog einleitete.

So war die Sachlage, als Friedrich VII. 15. Nov. 1863 starb, ohne die neue Verfassung unterschrieben zu haben. Mit ihm erlosch die königl. Linie des Oldenburger Hauses (Holstein-Glückstadt). Zunächst trat der durch den Londoner Traktat designierte Thronerbe, König Christian IX., auch in S. die Herrschaft an und bestätigte sofort, 18. Nov., das neue "Grundgesetz" für Dänemark und Schleswig. Dem gegenüber erklärte durch Patent vom 16. Nov. der Erdprinz Friedrich von Augustenburg, gestützt auf die agnatische Erbfolgeordnung des Oldenburger Hauses und auf das schlesw.-holstein. Staatsgrundgesetz von 1848, seinen Regierungsantritt als Herzog Friedrich VIII. von S. In Holstein, wo ein großer Teil der Beamten Christian IX. den Huldigungseid verweigerte, fiel ihm alles zu, und zugleich begann in Deutschland eine Volksbewegung, die auf einen deutschen Nationalkrieg zur Befreiung S.s hinarbeitete. Vorläufig blieb die Aktion dem Deutschen Bunde überlassen, der 28. Nov. die holstein. Stimme am Bundestag suspendierte und 7. Dez. die sofortige Exekution in Holstein und Lauenburg beschloß, unter Vorbehalt seiner Entscheidung über die Erbfolgefrage. Am 23. Dez. überschritten sächs. und hannov. Bundestruppen die Grenze Holsteins und besetzten das ganze Herzogtum. Die Bundeskommissare erklärten die holstein. Regierung in Plön für aufgehoben und bestellten eine sog. "Herzogliche Landesregierung" in Kiel. Gleichzeitig wurde Erbprinz Friedrich an vielen Orten und namentlich auf einer "allgemeinen Landesversammlung" zu Elmshorn 27. Dez. als Herzog ausgerufen. Am 30. Dez. traf der Prinz in Kiel ein, ließ jedoch den Bundeskommissaren erklären, daß er als "Privatmann" dem Deutschen Bunde in keiner Weise vorgreifen wolle.

Unterdessen hatte die dän. Armee an der Eider und dem Danewerk Stellung genommen, und Dänemark verweigerte hartnäckig die Wiederaufhebung des dän.-schlesw. Grundgesetzes vom 18. Nov. So verbündeten sich Österreich und Preußen durch die Konvention vom 16. Jan. 1864 zur Inpfandnahme Schleswigs und eroberte bis zum Juli ganz Jütland (s. Deutsch-Dänischer Krieg von 1864), worauf 18. Juli zu Christiansfeld eine vorläufige Waffenruhe abgeschlossen wurde. Am 1. Aug. wurden die Friedenspräliminarien zu Wien unterzeichnet, wodurch Christian IX. alle seine Rechte auf S. und Lauenburg an Österreich und Preußen abtrat. Dagegen bewilligten die deutschen Großmächte einen Waffenstillstand auf drei Monate, während Jütland von den alliierten Truppen besetzt bleiben sollte.

Die internationale Seite der schlesw.-holstein. Frage war damit in der Hauptsache gelöst; aber desto größer wurden die anderweitigen Verwicklungen. Neben dem Erbprinzen von Augustenburg war als zweiter Prätendent der Großherzog Peter von Oldenburg aufgetreten, und der Deutsche Bund hatte unter dem Druck der beiden deutschen Großmächte auf eine selbständige Politik verzichten müssen. Tumultuarische Vorgänge zwischen preuß. und hannov. Soldaten in Rendsburg gaben die Veranlassung, daß die Preußen 21. Juli die Bundestruppen nötigten, diese Festung zu räumen. Inzwischen hatten die Verhandlungen 30. Okt. auf Grundlage der Präliminarien zum Frieden zu Wien geführt. (S. Wiener Friedensschlüsse.) Derselbe enthielt eine durchgreifende Grenzregulierung; es wurden die dän. Enklave Mögeltondern (acht Kirchspiele) nebst der dän. Insel Amrum und den dän. Teilen der Inseln Föhr, Sylt und Röm mit S. vereinigt, wogegen die schlesw. Insel Arröe und zwölf Kirchspiele im äußersten Nordosten und Nordwesten des Landes (bei Kolding und Ripen) an Dänemark fielen. S. und Lauenburg sollten ferner von der dän. Gesamtschuld 29 Mill. dän. Thaler und die Rückerstattung der Kriegskosten an die deutschen Großmächte übernehmen. Am 1. Dez. stellten Österreich und Preußen beim Bundestage den Antrag auf Zurückziehung der Exekutionstruppen, der 5. Dez. angenommen ward. Am 7. Dez. 1864 legten die Bundeskommissare ihr Amt nieder und übergaben die Verwaltung Holsteins und Lauenburgs an die österr.-^[folgende Seite]