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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Scholastiker - Schöll (Adolf)

sophie unter die Kirchenlehre zum Gesetz erhob und dessen Lehre ganz in einer vermeinten philos. Unterstützung derselben aufgeht. Etwas freier steht der zugleich wieder dem Nominalismus sich nähernde Abälard (s. d.) dem Dogma gegenüber, er fordert wenigstens, daß der Glaube, um seiner selbst gewiß zu werden, sich vor der Vernunft rechtfertige; doch mußte er seine rationalistischen Neigungen mit der Verurteilung durch zwei Synoden büßen. Platonischer und neuplatonisch-mystischer Einfluß fehlen übrigens auch in der Folgezeit nicht.

Ihre Blüte erreichte die Scholastik seit 1200 hauptsächlich infolge der vollständigern Kenntnis der Aristotelischen Schriften, die den westl. Völkern um jene Zeit hauptsächlich, durch Araber und Juden zugeführt wurde. Die arab. Philosophie, deren Häupter Avicenna (s. d.) und Averroës (s. d.) waren, hatte sich früher, selbständiger und allseitiger an Aristoteles angeschlossen, namentlich dessen Physik und Metaphysik, in Verbindung mit griech. Mathematik, Astronomie und Medizin, sich zu eigen gemacht und mit dem Monotheïsmus zu verschmelzen gesucht; auch hier fehlen die neuplatonischen Einwirkungen nicht, unter denen namentlich Averroes sich einem entschiedenern Pantheïsmus nähert. Auch die jüd. Philosophie (s. Gabirol und Maimonides), die von mehr neuplatonischer zu einer entschieden aristotelischen Richtung allmählich übergegangen war, wirkte um dieselbe Zeit auf das christl. Abendland ein. Diese zusammentreffenden Einflüsse bewirkten die formale und materiale Vollendung des scholastischen Charakters der Philosophie des christl. Mittelalters. Albertus Magnus (s. Albert) ist der erste, dessen Philosophie wesentlich in einer kommentierenden Paraphrase des Aristoteles, mit gleichzeitiger Umbildung desselben im Sinne der Kirchenlehre, besteht, wobei nur bestimmte Dogmen (wie das von der Dreieinigkeit) von der rationalen oder philos. Theologie ausdrücklich ausgenommen werden. Ganz nach gleichem Princip verfuhr Thomas (s. d.) von Aquino, dessen Lehre die volle Billigung seitens der Kirche erhielt und in neuester Zeit von Leo XIII. zur offiziellen Philosophie des Katholicismus erhoben worden ist. Während diese Männer glaubten, zwar nicht die ganze Kirchenlehre, aber doch eine Reihe ihrer wichtigsten Grundlagen durch Vernunft beweisen zu können, neigt Johannes Duns Scotus (s. d.) der Auffassung zu, daß Glaubenssätze durch Vernunft nicht eigentlich zu beweisen seien, verhält sich also gegen die in der Grundrichtung der Scholastik liegende Harmonisierung des Glaubens mit der Vernunft (d. h. der Kirchenlehre mit Aristoteles) skeptisch, daher die von ihm ausgegangene Richtung der Scotisten, im Gegensatz zu den Thomisten, eine kritischere Stimmung wach zu erhalten geeignet war. Mehr seitab stehen Roger Baco (s. d.) mit seinem entschiedenen Dringen auf eigenes, unabhängiges Naturstudium, und Raimundus Lullus (s. d.) mit seiner ziemlich phantastischen "Erfindungskunst".

Im 14. Jahrh. wird dann, besonders durch Wilhelm Occam (s. d.), der Nominalismus erneuert, zugleich der scotistische Antirationalismus strenger durchgeführt; man unterwirft sich zwar in gehorsamem Glauben der Kirchenlehre, aber verzichtet grundsätzlich darauf, sie durch Vernunft zu erweisen. Von da war denn nur ein Schritt zum vollen Konflikt zwischen Philosophie und Kirchenlehre: die grundsätzliche Scheidung zwischen "philosophischer" und "theologischer Wahrheit" mußte mehr und mehr zur Auflösung des innigen Bundes zwischen Philosophie und Theologie, auf dem das Wesen der Scholastik beruhte, führen. Nach der formalen Seite sind freilich gerade die Nominalisten scholastischer als ihre Gegner; doch finden sich bei ihnen, neben der auf die Spitze getriebenen Subtilität, doch auch wirkliche Keime eines gesunden Empirismus. Befördert wurde der Verfall der Scholastik durch die ästhetische Wiedergeburt des Renaissancezeitalters, durch die neu erwachte Begeisterung für das gesamte Altertum, welche denn auch zu vielseitiger Erneuerung antiker Philosophie, zum reinern Verständnis des Plato und Aristoteles, und schließlich zur Weckung selbsteigenen Forschens diente; ferner, nach theol. Seite, durch die Reformation. Entscheidend wurde aber für den Sieg des neuen Geistes erst die Neubegründung der mathem. Naturwissenschaften von Kopernikus bis Galilei und Descartes. Unter den noch sehr zahlreichen Vertretern der Scholastik im 15. und 16. Jahrh. verdient Franz Suarez (gest. 1617) hauptsächlich genannt zu werden. Auch seitdem ist die Scholastik keineswegs ganz verschwunden; noch das ganze 17. Jahrh. (selbst Locke und Leibniz) befindet sich im Kampfe mit ihr; der Jesuitismus hat fortwährend an ihr festgehalten, und in neuester Zeit ist sie (seit Leos XIII. Encyklika "Aeterni Patris", 4. Aug. 1879) in ungeahnter Stärke wieder aufgeblüht.

Von Werken über die gesamte Scholastik sind zu erwähnen: Hauréau, De la philosophie scolastique (2 Bde., Par. 1850); ders., Histoire de la philosophie scolastique (2 Bde., ebd. 1872 u. 1880); Kaulich, Geschichte der scholastischen Philosophie (Tl. 1, Prag 1863); Stöckl, Geschichte der Philosophie des Mittelalters, Bd. 1-3 (Mainz 1864-67); Werner, Die Scholastik des spätern Mittelalters (Bd. 1-3, Wien 1881-83); Prantl, Geschichte der Logik im Abendlande, Bd. 2 (2. Aufl., Lpz. 1885), 3 u. 4 (ebd. 1867 u. 1870); Reuter, Die Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittelalter (2 Bde., Berl. 1875 u. 1877); Maywald, Die Lehre von der zweifachen Wahrheit (ebd. 1871); Löwe, Der Kampf zwischen dem Realismus und Nominalismus im Mittelalter (Prag 1876); von Eicken, Geschichte und System der mittelalterlichen Weltanschauung (Stuttg. 1887). Unter den Kompendien der Geschichte der Philosophie (s. d.) behandelt das von Erdmann (Bd. 1, 3. Aufl. 1878) die Scholastik eingehend.

Scholastĭker, s. Scholastik. - S. heißt auch eine Klasse der Jesuiten (s. d., Bd. 9, S. 906 a).

Scholastĭkus (lat.), in Kollegiat- und Domkapiteln dasjenige Mitglied, welchem die Aufsicht über die Stiftsschule obliegt.

Scholĭen (grch.), die Anmerkungen besonders altgriech. oder röm. Grammatiker zu den von ihnen behandelten Schriftstellern; Scholiást, Verfasser von S.

Schöll, Adolf, Archäolog und Kunstschriftsteller, geb. 2. Sept. 1805 zu Brünn, widmete sich zu Tübingen und Göttingen mytholog. und archäolog. Studien, habilitierte sich 1832 in Berlin und wurde hier 1835 Lektor der Kunstmythologie an der Akademie der Künste. 1842 wurde er Professor der Archäologie zu Halle, 1843 Direktor der Kunstanstalten in Weimar, wo er 1861 Oberbibliothekar wurde und 26. Mai 1882 starb. Außer vielen Beiträgen zu Zeitschriften sowie einer Übersetzung des Herodot (2 Bdchn., Stuttg. 1828 u. ö.) veröffent-^[folgende Seite]