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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Schwedische Litteratur

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Schwedische Litteratur

ihnen gehören Choräus, als geistlicher Liederdichter, Kullberg und Valerius, als Verfasser von Liedern und Lehrgedichten, Stiernstolpe, der Übersetzer von Wieland und Blumauer, die Dramatiker Lindegren und Nordforß der Übergangsperiode an. Infolge des zu Anfang des 19. Jahrh. besonders durch den Philosophen Höijer in Upsala angeregten neuen Lebens bildete sich, zum Teil noch aus Studierenden, eine Gesellschaft der Freunde der schönen Wissenschaften, aus der 1807 der «Aurorabund» hervorging. Das argwöhnische Regiment Gustav IV. Adolfs hemmte diese Bestrebungen durch Verbote und harte Censur und stellte den neuen Ideen in dem von Wallmark redigierten «Allmänna journalen för litteratur och theater» ein Organ entgegen, das auf einige Zeit der eifrigste Vorkämpfer der Akademie und der alten klassischen Schule blieb. Als nach der Revolution von 1809 Buchhandel und Presse frei geworden waren, folgte der polit. Bewegung die litterarische schnell nach. Der Kampf gegen die veraltete Schule wurde gleichzeitig in zwei sich fast parallel entwickelnden Richtungen geführt, je nach den zwei Hauptelementen, dem idealistischen einerseits, dem vaterländischen andererseits, die überall in der neuern Romantik, bisweilen bis zum Extrem, hervortraten. Die erstere Richtung verschaffte sich seit 1809 Geltung durch die beiden Zeitschriften «Polyfem» (hg. in Stockholm von Askelöf) und «Phosphoros» (1810-14), der in Upsala von Atterbom redigiert wurde. Bald darauf begann Atterbom auch die Herausgabe eines «Poetisk Kalender» (1813-22). Nachdem der «Phosphoros», nach dem die Vertreter dieser Richtung den Namen Phosphoristen erhielten, eingegangen war, trat an dessen Stelle die «Svensk litteraturtidning» (1814-21). Die Häupter der Bewegung waren Atterbom, Elgström, Hedborn, Euphrosyne (Frau Nyberg) und Dahlgren als Dichter, Hammersköld, Palmblad, Graf Schwerin und Livijn als Prosaiker. Der Kampf zwischen Romantik und Klassicismus wurde lange Zeit mit großer Bitterkeit geführt. Doch drangen die neuern Ansichten allmählich selbst in die Akademie ein, und als Leopold, noch der einzige bedeutende Vertreter des Klassicismus, gestorben war (1829), ward Atterbom sogar selbst in die Akademie aufgenommen.

Die zweite Hauptrichtung, die sich in der Bewegung der schwed. Nationallitteratur geltend machte, aber auf neutralem Grunde stand und an dem Kampfe nicht teilnahm, waren die sog. «Goten». Im Anfange repräsentierte sie der «Gotenbund», der die Zeitschrift «Iduna» zu seinem Organ hatte. Wie die Phosphoristen, einem körperlosen Idealismus nachstrebend, allem wirklichen Boden sich zu entheben, ihren Stoff überall her, ihre Form aus jeder südländischen antiken und modernen Litteratur sich anzueignen suchten, so war das Streben der Goten ein in Sprache und Inhalt echt nationales, rein nordisches, auf nordischem Boden erwachsenes und durch ihn genährtes. Charakteristisch ist in dieser Beziehung Geizers Gedicht «Manhem». Hauptvertreter dieser Richtung waren Geijer und Tegnér, neben ihnen besonders Ling, der Begründer der schwed. Gymnastik, Afzelius, der jüngere Adlerbeth u. a. Anfangs war es im «Gotenbunde» Ling, der am meisten diejenigen in der damaligen Sturm- und Drangperiode anzog, die, alle ausländischen Tendenzen verwerfend, sogar die altnord. Mythologie wieder zu beleben sich bestrebten. Seine Genossen, wiewohl auch patriotische Dichter, hielten sich von dieser Gotomanie am meisten entfernt. Vielmehr kann man von Tegnérs weltberühmter «Frithjofsaga» behaupten, daß der Ton eher zu weich, modern und sentimental sei. Weniger glänzend, aber tiefer an Gemüt, gediegen und männlich-kräftig, verstand Geijer das Herz zu treffen und zugleich patriotische Gesinnungen zu erregen. Arvid August Afzelius hat wenig gedichtet, aber durch Sammlungen volkstümlicher Dichtung sich einen Namen erworben.

Der frühern Epoche der neuern S. L. gehört noch eine ganze Reihe von Dichtern an, die sich keiner bestimmten Schule anschließen laßen. Eine hohe Stelle unter ihnen gebührt Stagnelius, der, wiewohl sehr jung vom Tode dahingerafft, erstaunlich viel und zwar in allen Gattungen der Poesie hervorgebracht hat. Ihm geistig verwandt war Erik Sjöberg, der sich Vitalis nannte. Sein Freund Nicander war weniger originell, aber harmonischer durch Anmut, Wohlklang und stille Schönheit. Dramatiker ist Bernhard von Beskow, dessen «Torkel Knutsson» für das beste von allen bühnengerechten Schauspielen der S. L. gegolten hat. Auch die Tragödien von Börjesson und die dramat. Werke von Blanche, Jolin, Hodell, Hedberg, Alfhild Agrell, Michaëlsson, der Finländer G. von Numer u. a. erfreuen sich bleibenden Beifalls. Durch ganz Schweden bekannt sind die Wortspiele und Parodien von Fahlcrantz, der auch als Dichter witzig und tiefsinniq war, aber jetzt wenig gelesen wird. Wohl der beweglichste und vielseitigste der schwed. Dichter ist Almqvist, der zwar manches Gute geleistet hat, sich aber zu sehr in Sonderbarkeiten gefiel. Unter der spätern Generation von schwed. Dichtern ist es besonders der Finländer Runeberg, der sich der allgemeinen Beliebtheit erfreut hat; später auch sein Landsmann J.^[richtig: Z.] Topelius.

Der Roman war in Schweden bis auf neuere Zeit herab ein fast unbebautes Feld. Der histor. Roman wurde durch Nachahmung Walter Scotts auch in Schweden hervorgerufen. Dem Versuche des Pfarrers Gumälius («Thord Bonde») folgte ein Pseudonym O. K. (vielleicht C. O. Palmstierna) mit den Romanen «Snapphanarne» und «Der letzte Abend im Östanborg». Histor. Studium und gute Erfindung, beeinträchtigt durch die etwas breite Ausführung, entfalteten sich in des Grafen Sparre «Der letzte Freisegler» und «Adolf Findling». Die Romane Crusenstolpes bieten eine sonderbare Mischung von Wahrheit und Dichtung. Mehr Kunst besitzt Kullberg, z. B. in seinem «Hof Gustavs III.»: er versuchte sich auch in Paul de Kocks Manier. Die Romane Almqvists tragen mit wenigen Ausnahmen den Stempel einer bizarren Genialität und bisweilen des Kommunismus an sich. Sehr beliebt sind die Novellen Mellins. Überhaupt hatte der eigentliche histor. Roman nur eine kurze Blütezeit und mußte bald der Sittenschilderung aus der Gegenwart weichen. Hervorzuheben ist hier besonders Wetterbergh, der als Schriftsteller den Namen Onkel Adam führte und Genrebilder aus dem Mittelstand wählte. Schon genannt wurden die Novellen und Romane Palmblads, von denen besonders die letztern zu dem Besten dieser Gattung in der S. L. zählen. Talentvolle Feuilletonisten, doch auch Novellen- und Romanverfasser, oft in etwas burschikoser Manier, aber mit sprudelndem Witze, sind Sturzenbecher (Orvar Odd) und Blanche. Andere Romanschriftsteller sind Ridderstad, Kjellmann-Göranson («Nepomuk»), Adlersparre (Pseudonym Albano), von Zeipel, Bjursten, Jolin, Topelius, Rydberg, Strindberg, af Geijerstam und