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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Schwefelsäureanhydrid - Schwefelsäurevergiftung
äum Zulluricum IUNKI18) und die gewöhnliche
oder englische S. (^ciäum Inlknricum concen-
ti-Hwm). Die rauchende S. ist eine Auflösung von
Eckwefelsäureanbydrid in englischer S., ausdersckon
bei gewöhnlicher Temperatur die erstere, weiße Nebel
bildend, abdunstet. Sie wurde früber in Goslar
und wird noch jetzt in Böhmen durch Destillation
von schwefelsaurem Eisenoxyd dargestellt, ist eine öl-
ähnliche Flüssigkeit von 1,86 bis 1,89 spec. Gewicht,
aus der sich in der Kälte weihe Krystalle von P y r o -
schwefelsaure, der krystallisierten S. des
Handels, 8205(011)2, abscheiden. Die Pvroschwefel-
säure wird neuerdings meist durch Vermischen gleicher
Moleküle Sckwefelfäureanhydrid und englischer
S. erhalten. Man verwendet sie zum Auflösen von
Indigo und bei der Darstellung der Benzol-, An-
th-acen- und Nesorcinfarben.
Die englischeS., inihrerhöckstenKonzentration
die sog. gewöbnlicheS., 302(011)2, bildend, wird
im großartigsten Maßstabe nach einem um die Mitte
des 18. Jahrh, zuerst in England aufgekommeuen
Verfahren durch Oxydation von Schwefliger Säure
(s. d.) mittels Salpetersäure bei Gegenwart von
Wasserdämpfen dargestellt. Diese Methode wird
dadurch technologisch verwertbar, daß die zunäckst
in Neaktion gebracbte Salpetersäure zu Stickoryd
reduziert wird und letzteres, mit Luft zusammenge-
bracht, sich in salpetrige Säure oder ein Gemisch von
Stickoryd und Stickstoffdiorvd verwandelt, die beim
Zusammentreffen mit schwefliger Säure und Wasser-
dämpfen abermals S. und Stickoryd liefern. Letz-
tere Orydationswirkung kann mit Hilfe derselben
beschränkten Menge von Stickoryd beliebig oft wie-
derholt werden, wenn nur dafür gesorgt wird, daß
stets schweflige Säure, WasserdämM und atmosphä-
rischer Sauerstoff im richtigen Verdällnis vorhan-
den sind. Als Apparat für den fabrikmäßigen Be-
trieb dienen große Vleikammern (s. d.); die sich am
Boden dieser Kammern ansammelnde verdünnte S.
l Kammersäure) wird entweder, wie zu den Zwecken
der Sodabereitung, direkt verwendet oder konzen-
triert. Bis zu 1,75 (60" L.) wird sie durch Erhitzen
in flachen Bleipfannen oder im Gloverturm (s. d.),
bis zur Konzentration von 1,84 M" L.) in Glas-
retorten oder Platinapparaten konzentriert. Die im
Handel sich sindende S. ist selten reines Hydrat,
sondern enthält noch 4 - 6 Proz. Wasser. Sie ist
eine farblose Flüssigkeit von Qlkonsistenz und eine
der stärksten Säuren und treibt deshalb säst alle an-
dern Säuren aus ihren Verbindungen aus. Eine
bräunliche Färbung, die die Säure des Handels oft
zeigt, ist auf Berührung mit organischer Substanz
zurückzuführen. Zu beachten ist, daß die robe Han-
delssäure stets Bleisulfat enthält; serner häufig
Oryde des Stickstoffs und Arsens. Das reine Schwe-
felsäurehydrat bat das spec. Gewicht 1,357 bei 0^,
erstarrt in der Kälte zu Krystallen, die bei ^ 10,5°
schmelzen, giebt beim Erwärmen etwas Anhvdrid
ab und hinterläßt eine Säure H.^O^ -j- ^2 II.^,
die bei 338" unverändert destilliert. Die S. zeichnet
sich durch große Verwandtschaft zum Wasser aus,
mit dem sie unter heftiger Wärmeentwicklung ver-
schiedene chem. Verbindungen eingeht. Man benutzt
sie deshalb zum Trocknen von Gasen und festen und
flüssigen Körpern (Ersiccatoren der ckem. Labora-
torien). In der Rotglühhitze zersetzt sich die E. in
schweflige Säure und in Sauerstoff. Der mächtige
Aufschwung, den die chem. Industrie seit 25 Iabren
genommen, ist eine Folge der Vervollkommnung der
E cbwefelsäurefabrikation, denn es giebt keinen Zweig
der Großindustrie, woran nicht die S. direkt oder
indirekt Anteil hat. Sie findet unter anderm An-
wendung zur Darstellung der meisten Säuren (Sal-
petersäure, Salzsäure, schwefligen Säure, Kohlen-
säure, Citronensäure, Weinsäure, Phosphorsäure,
Stearinsäure), zum Aufschließen der Phosphate zu
Düugerpraparaten, zur Bereitung des Phosphors,
des Glaubersalzes und der Soda, der Pottasche, des
Alauns und der Vitriole, zur Scheidung des Goldes
vom Silber durch Affinierung (s. d.), zur Entsilbe-
rung des Schwarzkupfers und des Kupfersteins, zum
Raffinieren des Rüböls, Petroleums und Paraffins,
in der Stärkezuckerfabrikation, zur Herstellung des
Pergamentpapiers, bei der Vereitung vieler Teer-
sarben, zum Verseisen der Fette und Ole und neben
Salpetersäure bei der Bereitung der Nitroverbin-
dungen, wie Schießbaumwolle, Nitroglycerin und
! Dynamit, Nitrobenzol, Pikrinsäure u. s. w.
! Hauptproduktionsländer für S. sind England,
! Deutsckland, Österreich und Frankreich. In Deutsch-
! land gewinnen besonders die fiskalischen Hütten-
werke des Harzes (Goslar) und des sächs. Erzgebirges
S. als Nebenprodukt aus den dortigen Schwefel-
erzen. 189-1 betrug in Deutschland die Produktion
523000 t im Werte von 15^ MM. M., die Ein-
suhr 9019 t (Wert: 0,63 Mill. M.), die Ausfudr
19954 t (Wert: 1,4 Mill. M.). Der Preis der S.
! ist in den letzten Iabrzebnten stetig gesunken. 1895
kosteten 100^8 im Großhandel 7 M.
Die S. bildet mit den Vasen schwefelsaure
Salze oder Sulfate. Die neutralen Salze sind
sämtlich in Wasser löslich, mit Ausnahme des schwe-
! felsauren Baryums, Strontiums, Calciums und
^ Bleioxyds, von denen sich das erste gar nicht, die
> andern drei nur sehr schwer lösen. <^ie bildet als
i zweibasiscke Säure neutrale und saure Salze. Über
z die wichtigsten dieser Salze s. die Einzelartikel: Alaun
(konzentrierter), Ammoniumsulsat, Anhydrit, Ba-
ryumsulfat, Bittersalz, Vleisulfat, Cölestin, Eisen-
sulfate, Gips, Glaubersalz, Kadmiumsulfat, Ka-
liumsulfate , Kupfersulfat, Quecksilberoxydsulfat,
Eilbersulfat, Strontiumsulfat, Zinksulfat.
Vgl. Lunge, Handbuch der Schwefelsäurefabrika-
tion ^2. Aufl., Braunschw. 1893', Bd. 1 des "hand-
bucks der Soda-Industrie")', Iurisch, Handbuch der
^chwefelsäurefabrikation (Stuttg. 1893).
Schwefelsäureanhydrid, s. Schwefelsäure.
Tchwefelsäuremonochlorhydrm, s. Chlor
sulfonsäure.
Schwefelfäurevergiftung, Sulfoxysmus,
eine der häusiger vorkommenden Vergiftungen,
^ weil die Schwefelsäure auffallend oft in den nie-
dern Volksklassen, namentlich von Dienstboten, Ge-
werbetreibenden u. dgl. zu Selbstmordversuchen ver-
wendet wird; doch geben nicht selten auch zufällige
Verwechselungen Anlaß zur S. Nach dem Genuß
von konzentrierter Schwefelsäure erfolgt sofort eine
' ausgedehnte Anätzung und Verschorfung der Mund-,
Nachen-, Speiseröhren- und Magenschleimhaut und
unter deftigen brennenden Schmerzen, anhaltendem
i Würgen und Erbrechen fchwarzblutiger Massen tritt
^ der Tod oft schon nach wenigen Stunden ein. Bei
' der verdünnten käuflichen Schwefelsäure (Vitriolöl,
' Oleum) ist die Ätzwirkung zwar geringer, doch er-
folgt auch hier häusig binnen 21-36 Stunden unter
Vlutbrecken und Durchbohrung der Magenwandung
ein tödlickcr Ausgang. Unterliegt der Kranke nicht
! der Einwirkung des Giftes, so kommt es während