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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Schweinefinne - Schweineschneider
Rein erhält man das alte Landschwein wohl nur
noch in Bayern und vereinzelt in Hannover.
IV. Die engl. Schweineschläge, durch Vermischung
mit dem ind. Schwein und auch wohl mit dem
neapolit. Schwein hervorgegangen. Der Kopf ist
mittellang und breit, wobei Stirn und Rüssel einen
stumpfen Winkel bilden, Ohren sind aufrecht stehend,
Backen und Hals voll, der Rücken ist gerade mit
hohem Schwanzansatz, Schinken sind gut, die Brust
ist weit und tief, Beine sind kurz, Behaarung oft
mangelhaft. Die Tiere sind frühreif und mastfähig,
sie liefern viel, aber nicht fo wohlschmeckendes Fleisch,
weniger und weichen Speck, dabei sind sie weniger
fruchtbar (8-10 Ferkel) und schlechte Säuger. Die
früher unterschiedenen Rassen Aorkshire, Cumber-
land, Lincolnshire, Lancashire, Leicester, Suffolk sind
untereinander gekreuzt und bilden nur einen gro-
ßen, weißen Schlag (Fig. 7). Zu den mitt-
lern Schlägen zählen das schwarze Berkshire-
(Fig. 8) und das rote Tamworthschwein (Fig. 2),
ersteres ist härter als die weißen Rassen, aber we-
niger fruchtbar, letzteres ein verbessertes Landschwein
ohne Bedeutung. Die kleinen Schläge, wie Effer,
Eussex, Suffolk, sind sehr frühreif, aber wenig frucht-
bar und empfindlich.
V. In Amerika ist das schwarze Poland-China
das verbreitetste Schwein, hat aber grobfaseriges
Fleisch und schlechten, gelben Speck.
Die Schweinezucht, d. h. die Aufzucht,
Mästung und Verwertung des Hausschweins, bildet
einen wichtigen Zweig der landwirtschaftlichen Tier-
produktion. Es handelt sich hier nur um die Erzeu-
gung von Fleisch und Fett, was diejenigen Tiere am
besten leisten werden, die sich am schnellsten ent-
wickeln, viel Futter aufnehmen, ohne dabei wähle-
risch zu sein, und dasselbe möglichst hoch ausnutzen.
Rassen sind weniger wichtig als eine geeignete Auf-
zucht, und die weißen Schläge sind beliebter als die
schwarzen. Die wertvollsten Flcischparticn, Rücken,
Schinken, müssen am besten ausgebildet sein. Man
sollte auch bei den frühreifen engl. Tieren die weib-
lichen Tiere niemals unter 10 und die männlichen
nicht unter 9 Monaten zur Zucht benutzen. Die
Sau wirft gewöhnlich zweimal im Jahre, bei guter
Haltung in zwei Jahren fünfmal. Auf einen Eber
rechnet man 50 Muttertiere. In gewöhnlichen Zuch-
ten mästet man eine Sau mit drei Jahren, beim
Aufhören des Wachstums. Gute Eber müssen mög-
lichst lange gehalten werden. Zuchttiere müssen viel
Bewegung haben und Sommer und Winter ins
Freie kommen. Auf den Feldern verzehren Schweine
viel Ungeziefer (Engerlinge). Ferkel bleiben bei
gutem Beifutter 7-8 Wochen bei der Mütter. Die
männlichen Tiere, die frühzeitig gemästet werden
sollen, werden während der Säugezeit (Milch-
ferkel, Spanferkel, Spansau) kastriert und
heißen dann Borg (Bork, Bark); ein Kastrieren
der weiblichen Tiere (Nonnen) ist bei frühreifen
Rassen nicht notwendig. Nach dem Absetzen nennt
man die Schweine Läufer oder Fasel, in welcher
Zeit die Ernährung möglichst billig eingerichtet wer-
den muh. Nach vorheriger Gewöhnung an den Stall
werden die Läufer der frühreifen Rassen mit 5-6
Monaten zur Mast aufgestellt, die Kreuzungsschläge
mit einem Jahr und die alten Landschläge mit zwei
Jahren. Die Mast bei erstern beiden muß in drei
Monaten vollendet sein, um rentabel zu bleiben.
Die Verabreichung von eiweißhaltigen Futtermitteln
(wie Erbsen) giebt Fleisch, Kohlehydrate (Stärke und
Zucker) geben mehr Fett. Die beste Ware erzielt
man mit Erbsen, Gerste und Milch. Mais und
Reisfuttermehl erzeugen schwammiges Fleisch und
gelbliches und öliges Fett. Auch Erdnuß-, Palm-,
Baumwollsamenkuchen geben eine schlechte Ware.
Die jährlichen Futterkosten für ein Mutterschwem
betragen 50-80 M. Bei der Mast müssen gut ge-
züchtete Schweine täglich 625 3 zunehmen, min-
destens 500 3, welche Gewichtszunahme mit 26-
32 Pf. erreicht wird.
Außer den bereits genannten sind noch folgende
Benennungen gebräuchlich: für das männliche
Schwein Vaier, Bär, Hacksch, Hauer, Kämpe,
Keiler, das weibliche Bache, Docke, Kosel.
Eine Alterserkennung der Schweine ermög-
licht der Ausbruch und Wechsel der Zähne. Das
Schwein besitzt bei der Geburt nur die Milch-
hakenzähne. 14 Tage bis 4 Wochen später erschei-
nen die Zangen, die Milchmittelzähne im Unter-
kiefer nach 6 - 8 Wochen, im Oberkiefer nach
12-14 Wochen, der 2. Milchbackzahn nach 8-14
Tagen, der 1. nach 3 - 4 Wochen, der 3. nach
4 - 7 Wochen, außerdem der sog. Wolfszahn
(Überzahn) nach 6 Monaten. Der Zahnwechsel an
den Zangen hebt an mit dem 12.-15. Monat, an
den Mittelzähnen, den Eckzähnen und Haken dagegen
bereits mit dem 9. Monat. Die Milchbackzähne fallen
mit 12-15 Monaten aus, und der 4. Backzahn kommt
zum Vorschein mit 6 Monaten, der 5. mit 9-12
Monaten und der 6. mit 28 Monaten. Eine Be-
stimmung des Alters über diesen Zeitpunkt hinaus
ist bei S. ohne praktischen Wert.
Die Stallungder Schweine soll reinlich, warm,
solid gebaut, vor allem hinreichend trocken sein. Es
ist ein schädlicher Wahn, wenn man diesem Tiere
Reinlichkeit für nicht zuträglich hält, die vielmehr
den Fettansatz und das Wohlsein ungemein fördert.
Neben den Stallungen soll womöglich ein beson-
derer Schweinehof, im günstigen Falle mit einer
Schwemme, angebracht fein.
Die hauptfächlichsten Krankheiten der Schweine
sind der Rotlauf (s. d.), die Fmnenkrankheit (s. d.)
und die Trichinen (s. d.). Die ^chweineseuche (s. d.)
und -Pest sind aus dem Auslande eingeschleppt;
ein Mittel zur Heilung hat man nicht.
Die Produktion der Schweine ist fast überall
in steter Zunahme, so auch in Deutschland, wo 1873:
7124088, 1883: 9 206195 und 1892: 12174288
Stück gezählt wurden. Jedoch reichte diese Produk-
tion zur Ernährung der Bevölkerung nvch^ ans,
weshalb Deutschland 1893 für 95 Mill. M. lebende
Schweine, für 70 Mill. M. Schmalz und noch eine
Menge an Speck und Schinken einführte.
Die Hebung der deutschen Schweinezucht bezweckt
die "Vereinigung deutscher Schweinezüchter" mit
dem Sitz in Berlin.
Vgl. Baumeister, Anleitung zur Schweinezucht und
Schweinehaltung (5. Aufl., Verl. 1890); May, Die
Schweinezucht (3.Aufl., ebo.1891); Rohdes Schweine-
zucht (4. Aufl., ebd. 1892, mit 39 Rassebildern);
Hilfreich, Das kranke Schwein (Neudamm 1895).
Schweinefinne, s. Finnenkrankheit.
Schweinelaus (ilH6in3.t0piiiu3 Lnis ^.), eine
3-4,5 mm lange, braungelbe, dunkel gefleckte Laus,
schmarotzt beim Haus- und Wildschwein.
Schweinepest, s. Schwe'meseuche.
Schweineschneider, Schwein eka st rierer
oder Gelzer, Leute, die gewerbsmäßig die Kastra-
tion (s. d.) bei Schweinen ausführen.