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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Schweiz

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Schweiz (Wohlthätigkeitsanstalten. Verfassung und Verwaltung)

der Amts-, Anzeige-, Kurs- und Fremdenblätter, sind 237 in franz., 23 in ital., 3 in roman. und 5 in nichtschweiz. Sprachen geschrieben. Die wichtigsten Zeitungen sind in der französischen S. das «Journal de Genève» und die «Gazette de Lausanne». in der deutschen die «Basler Nachrichten», die «Nationalzeitung» und die «Allgemeine Schweizerzeitung» (Basel), «Der Bund» (Bern), die «Neue Zürcher Zeitung» und die «Züricher Post» (Zürich), «Vaterland» (Luzern). «Bund», «Basler Nachrichten», «Nationalzeitung» und «Züricher Post» sind radikal, «Journal de Genève», «Gazette de Lausanne», «Neue Zürcher Zeitung» sind liberal, «Allgemeine Schweizerzeitung» (protestantisch) und «Vaterland» (katholisch) konservativ. Die socialdemokratische Partei besitzt in der deutschen S. 5 (Zürich, Basel, Bern) und in der französischen S. 1 Blatt. Die ältesten Zeitungen sind die «Zürcher Freitagszeitung», schon im 17. Jahrh. gegründet, die «Neue Zürcher Zeitung», 1788 gegründet. Elf der jetzt noch bestehenden Zeitungen und Zeitschriften wurden im 18. Jahrh. gegründet. Die bedeutendsten litterar. Blätter sind die «Bibliothèque universelle», gegründet 1796 in Genf und 1866 nach Lausanne verlegt, sowie die «Schweizerische Rundschau», seit 1891 in Zürich erscheinend. Eine ähnliche Stellung nimmt in der deutschen S. ein die «Schweizerische Rundschau» (Zürich, seit 1891). An die Stelle des Witzblattes «Postheiri», das früher in Solothurn erschien, ist nun der «Nebelspalter» von Zürich getreten. Die welsche S. zählt zwei Witzblätter in Genf. Die illustrierten Zeitungen haben neben der Konkurrenz Deutschlands und Frankreichs schweren Stand; die wissenschaftlichen und Fachzeitschriften stehen in engster Wechselbeziehung zu der entsprechenden Litteratur dieser beiden Länder. Gewerbliche Fachzeitschriften erscheinen 35, religiöse Blatter 20 und Kalender 48.

Wohlthätigkeitsanstalten. Die Armenpflege ist in den meisten Kantonen Sache der Bürgergemeinde (heimatliches Armenversorgungsprincip), in Neuenburg und Bern (deutscher Kantonsteil) Sache der Wohngemeinde (territoriales Princip), im jurassischen Kantonsteil Bern Sache der Freiwilligkeit; in Basel-Stadt endlich beruht sie auf Stiftungen und Freiwilligkeit (freiwillige Armenpflege). Das Bundesgesetz vom 22. Juni 1875 macht den Kantonen die Sorge für unbemittelte Angehörige anderer Kantone, die erkranken, und deren Rückkehr in ihre Heimatgemeinde nicht geschehen kann, zur Pflicht. Armen, die dauernd der öffentlichen Wohlthätigkeit zur Last fallen, und deren Heimatgemeinde oder Heimatkanton keine angemessene Unterstützung gewähren, kann die Niederlassung verweigert oder entzogen werden (Art. 45 der Bundesverfassung). Die amtliche Armenpflege wird ergänzt durch die private Wohlthätigkeit; der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (gegründet 1810) stehen kantonale gemeinnützige Gesellschaften zur Seite. Die älteste ist die Baseler Gesellschaft zur Beförderung des Guten und Gemeinnützigen (gegründet 1777). Unter den zahlreichen wohlthätigen Anstalten seien genannt: die Waisenhäuser und Armenerziehungsanstalten (1893: 168), Erziehungsanstalten für Schwach- und Blödsinnige (8), für Blinde (5), für Taubstumme (15), Rettungs- und Zwangserziehungsanstalten (33), Heilstätten für Trinker (3), für Epileptische (2), Spitäler für Kinder, für Augenkranke, Ferienkolonien und Luftkurorte, Vereine und Stiftungen zur Verteilung von Milch, Brot, Suppe, Kleidern und Schuhen an arme Kinder, Arbeitshütten, Armenherbergen und Verpflegungsstationen, Asyle u. s. w., Schutzvereine und Arbeitslokale für entlassene Sträflinge u. s. w., Witwen- und Waisen-, Kranken- und Todesfallkassen u. a. m. Neben den Hospitälern u. s. w. sind noch die von Basel, Bern, Zürich seit 1895 im Hochgebirge errichteten Sanatorien für unbemittelte Lungenkranke zu erwähnen. Zur Bekämpfung und Vorbeugung der Trunksucht und deren Folgen verabfolgt der Bund aus den Erträgnissen der eidgenössischen Alkohol-Monopolsverwaltung seit 1887 Beiträge (z. B. 1893: 5958001 Frs.). Der Bund bezahlt auch Subventionen an ein von den Arbeitervereinen und Gewerkschaften errichtetes und bestelltes deutsches und franz. Arbeitersekretariat, das sich mit Erhebungen und Bearbeitung socialer Fragen des Arbeiterstandes beschäftigt.

Verfassung und Verwaltung. Der Territorialbestand der für neutral erklärten und in ihrer Neutralität völkerrechtlich gewährleisteten S. wurde auf dem Wiener Kongreß nach Aufnahme der drei neuen Kantone Genf, Neuenburg und Wallis festgestellt und später durch den Vertrag vom 16. März 1816 in Bezug auf die Grenzen gegen Sardinien berichtigt. Eine innere Veränderung trat ein durch Trennung des Kantons Basel (1833) in zwei souveräne Halbkantone, wonach für Basel ein ähnliches bundesrechtliches Verhältnis geschaffen wurde, wie es seit Jahrhunderten für Unterwalden und Appenzell besteht. Außerdem wurde 1848 das dem König von Preußen unterstehende Fürstentum Neuenburg in eine Republik verwandelt. Die äußern Grenzen der Eidgenossenschaft blieben, abgesehen von einigen kleinen Grenzberichtigungen gegen Frankreich, Deutschland und Italien, ungeändert. Durch die Bundesverfassung vom 12. Sept. 1848, wodurch der Bundesvertrag vom 7. Aug. 1815 seine Kraft verlor, noch mehr durch die revidierte Verfassung von 1874, hat der frühere eidgenössische Staatenbund den Übergang zum Bundesstaat vollendet. Die wichtigsten Bestimmungen der neuen Bundesverfassung sind folgende: Behauptung der Unabhängigkeit des Vaterlandes nach außen, Handhabung von Ruhe und Ordnung im Innern, Schutz der Freiheit und der Rechte der Eidgenossen und Beförderung ihrer gemeinsamen Wohlfahrt. Die Kantone sind souverän, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist. Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich. Besondere polit. Bündnisse zwischen den Kantonen sind untersagt. Dem Bunde allein steht das Recht zu, Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, Bündnisse und Staatsverträge mit dem Auslande einzugehen. Jeder Schweizer ist wehrpflichtig. Die Gesetzgebung über das Heerwesen, der gesamte Militärunterricht und ebenso die Bewaffnung ist Sache des Bundes. Dem Bunde steht das Recht zu, im Interesse der Eidgenossenschaft oder eines großen Teils derselben auf Kosten der Eidgenossenschaft öffentliche Werke zu errichten oder solche zu unterstützen. Der Bund hat das Recht der Oberaufsicht über die Wasserbau- und Forstpolizei im Hochgebirge, über Jagd und Fischerei und der Gesetzgebung über Bau und Betrieb der Eisenbahnen. Der Bund ist befugt, außer der bestehenden Polytechnischen Schule eine Universität und andere höhere Unterrichtsanstalten zu errichten oder solche Anstalten zu unterstützen. Jeder Kantonsbürger ist Schweizerbürger. Das Recht jedes