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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Schweiz

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Schweiz (Ältere Geschichte bis 1798)

war daher für diese nur günstig. Die Erzählung von einer beabsichtigten gewaltsamen Unterwerfung der Urkantone durch König Albrechts Vögte Geßler und Landenberg sowie vom Schwur auf dem Rütli und dem Tell (s. d.) beruht auf einer im 15. und 16. Jahrh. aus volkstümlichen alten Überlieferungen und gelehrter Kombination entstandenen Sage. Albrechts Nachfolger, Kaiser Heinrich VII., bestätigte den Waldstätten ihre Freiheiten und gab auch Unterwalden (1309) einen Freibrief. In dem Thronstreit zwischen Kaiser Ludwig dem Bayer und Friedrich von Österreich hielten die Waldstätte zu ersterm. Friedrich erklärte sie deshalb in die Acht und sandte zu deren Vollstreckung seinen Bruder Leopold in die S. Dieser wurde 15. Nov. 1315 am Morgarten geschlagen, und die Waldstätte erneuerten nun 9. Dez. zu Brunnen den «ewigen Bund». Wie diese, so hatten auch andere Länder und Städte der S. sich der Angriffe der Habsburger zu erwehren. Dies führte neue Glieder dem Bunde zu; so Luzern 1332, Zürich 1351, Glarus und Zug 1352 (definitiv erst 1368 und 1389), Bern 1353. Auf diese Verbündeten, die sog. acht alten Orte, wurde in der Folge der Name des hervorragendsten Ortes unter den Waldstätten «Schwyz», «Schwyzer» übertragen. Die junge Eidgenossenschaft dieser acht Orte, die bis 1481 die einzigen vollberechtigten Bundesglieder blieben, verstärkte sich bald durch Bündnisse einzelner Orte mit benachbarten Städten und Landschaften. Dagegen suchte auch Österreich seine Besitzungen zu erweitern und der Ausbreitung der Eidgenossenschaft entgegenzuwirken; aber ohne Erfolg, denn im Kyburger Kriege (1382-84) wurden die mit Österreich eng verknüpften Grafen von Neu-Kyburg gezwungen, ihre meisten Besitzungen an Bern und Solothurn zu verkaufen; durch die Schlacht von Sempach 1386 sicherten die Waldstätte und Luzern, durch die bei Näfels 1388 die Glarner ihre Unabhängigkeit. Durch diese Erfolge ward die Macht Österreichs in der S. gebrochen, und in dem 1389 für 7, 1394 für 20 Jahre geschlossenen Frieden mußte es die Eidgenossenschaft anerkennen. Schon waren neben den lokalen auch allgemeine Bünde unter den sieben oder acht Orten geschlossen worden, wie der Pfaffenbrief von 1370 zur Sicherung des Landfriedens und zugleich der Jurisdiktion gegenüber Geistlichen und der Sempacherbrief von 1393 zur Wahrung der Kriegsdisciplin. Während der nun folgenden Friedensjahre blühten die acht Orte kräftig auf und erweiterten auf friedliche Weise ihr Gebiet, wobei aber die erkauften Herrschaften nicht frei, sondern wie die spätern Eroberungen Unterthanenländer wurden. Bald aber gingen die Eidgenossen aus der Stellung der Angegriffenen in die der Angreifenden über. Trotz des 1412 mit Österreich geschlossenen 50jährigen Friedens eroberten sie 1415 im Auftrag Kaiser Sigismunds den Aargau.

Durch einen Zwist um das Erbe des letzten Grafen von Toggenburg (gest. 1436) wurde Zürich zunächst mit Schwyz, dann auch mit den übrigen Orten verfeindet und durch verblendete Führer zum Bündnis mit Österreich getrieben. Der dadurch verursachte «alte Zürichkrieg» (1436-50), in welchem die Züricher 1442 bei St. Jakob an der Sihl geschlagen wurden und die Eidgenossen durch ihre heldenmütige Tapferkeit bei St. Jakob an der Birs (26. Aug. 1444) das Vorrücken der mit Zürich und Österreich verbündeten Armagnaken unter Führung des franz. Dauphin Ludwig verhinderten, endete damit, daß Zürichs Bund mit Österreich aufgelöst wurde. Nun erstarkte die S. zusehends. Sie erweiterte ihr Gebiet durch Eroberungen, z. B. 1460 des Thurgaus, und schloß neue Bündnisse und Verträge (mit Appenzell, beiden St. Gallen (Stadt und Abt) u. s. w. Mit Österreich folgte 1474 in der «Ewigen Richtung» (s. d.) ein definitiver Ausgleich. In den Burgunderkriegen 1474-77 brach die Eidgenossenschaft mit Hilfe ihrer Verbündeten aus Lothringen, Elsaß und Vorderösterreich die Macht Karls des Kühnen (s. d.) durch die Schlachten von Granson, Murten und Nancy. Eben dieser Krieg, speciell das Aufnahmegesuch der Städte Freiburg und Solothurn in den Bund, veranlaßte eine innere Krisis, die durch Nikolaus von der Flües (s. d.) Zuthun auf dem Tage zu Stans 1481 in dem Sinne geschlichtet wurde, daß Freiburg und Solothurn unter beschränkender Bedingung in den Bund aufgenommen wurden und daß die acht Orte unter sich einen neuen Bund schlössen zur Stärkung der Regierungsgewalt (Stanser Verkommnis). Je mehr aber in der S. eine eigentümliche Staatsform ausgeprägt wurde, um so mehr drängte die Entwicklung zu einer Lösung vom Reich. Im Schwabenkrieg von 1499 erfocht sie ihre faktische Unabhängigkeit und Trennung vom Deutschen Reiche, deren völkerrechtliche Bestätigung allerdings erst 1648 im Westfälischen Frieden erfolgte. Damit war die Eidgenossenschaft auf dem Gipfel ihrer Macht angelangt. Die Höfe von Frankreich, Mailand und selbst Österreich wetteiferten um ihre Freundschaft und Hilfe. Der ausländische Kriegsdienst (Söldnerdienst, Reislaufen), der schon früher begonnen hatte, nahm bedeutend zu. Ganze eidgenössische Heere wurden bald Frankreich, bald Mailand, dann wieder dem Papst und der Republik Venedig zugeführt. 1512 eroberten die Schweizer durch den großen Pavierzug für Maximilian Sforza als Gegner Frankreichs die ganze Lombardei, schlugen neuerdings 1513 bei Novara die Franzosen, wurden aber 1515 bei Marignano (s. Melegnano) von diesen besiegt. Durch den Ewigen Frieden mit Frankreich behielten sie 1516 das Tessin, wovon sie einzelne Teile schon früher erobert hatten, und für die verbündeten Graubündener das Veltlin und nahmen im franz. Solde auch in der Folge an den ital. Kriegen teil, bis ihnen die Niederlagen von Bicocca 1522 und Pavia 1525 die Einmischung in die großen Welthändel verleideten. Von da an hörte der Gebrauch auf, mit ganzen schweiz. Heeren für andere Mächte ins Feld zu ziehen. Man begnügte sich, einzelne Regimenter oder Fahnen kriegslustiger Freiwilliger für einen oder mehrere Kriege ins Ausland zu verdingen.

So stark nach außen die Eidgenossenschaft am Anfang des 16. Jahrh. erschien, nachdem sie sich noch durch die Aufnahme von Basel, Schaffhausen (1501) und Appenzell (1513) zum Bunde der 13 Orte erweitert hatte, so uneinig und zerrüttet war sie im Innern. Die Üppigkeit und Verderbtheit, die durch das Reislaufen und das damit verbundene Unwesen, vom Auslande Pensionen und Jahrgelder zu beziehen, immer mehr einriß, die Eifersucht zwischen Städten und Ländern waren ebenso viele Keime innerer Zersetzung. Die größte Spaltung aber bewirkte die Reformation, die in Zürich seit 1519 durch Ulrich Zwingli, in Basel durch Ökolampadius, in Bern durch Berthold Haller, in der französischen S. durch Calvin, Farel, Viret u. a. gepredigt wurde (s. Reformierte Kirche) und in den meisten städtischen Kantonen und deren Unterthanenländern