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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Siegel (Heinr.) - Siegellack
Im Orient enthalten die S. meist Sprüche des Ko-
rans. Die S. selbst werden nach den vorgestellten
Gegenständen, nach ihrem Material, oder nach der
Größe u. s. w. eingeteilt. Die Form der S. ist in
der Regel rnnd, doch war z. V. im Mittelalter eine
fast dreieckige Form nicht ungewöhnlich.
Der Zweck der S. war ursprünglich, einer Urkunde
oder Schrift mehr Glaubwürdigkeit zu geben als
durch bloße Unterschrift. Zu diesem Zwecke wurde
das S. ursprünglich auf die Urkunde gedrückt, fpäter
an einer Schnur oder einem Pergamentstreifen, die
durch die Urkunde gezogen wurden, angehängt und
in der Schrift selbst dies erwähnt. Auch diente das
S. zum Verschließen von Briefen u. s. w., also zur
Sicherheit. War das S. in einer besondern Kapsel,
um es vor Beschädigung zu schützen, eingeschlossen
oder in Metall ausgedrückt, so nannte man dies
eine Bulle (s. d.). Einfache Schutzkapseln von Holz
kamen im 16., solche von Eisen im 17. Jahrh. auf.
Um die S. vor Verfälschung zu bewahren, wurde oft
ein Gegen- oder Sekretsiegel (contra^Filwm)
auf den Nucken des größern S. gedruckt, und dieser
kleinern S. bediente man sich in der Folge bei min-
der wichtigen Ausfertigungen. Die Aufbewahrung
der Staats- und Regentensiegel war in der Regel
einem der höchsten Beamten anvertraut, oder es
waren dazu eigene Beamte bestellt, wie bei den
griech. Kaisern die Logotheten, bei den Merowin-
gern die Referendarien, bei den Karolingern und den
spätern Kaisern und Königen die Kanzler (s. d.). Im
alten Deutschen Reiche hatte der Kurfürst von Mainz
als Erzkanzler die Reichssiegel zu verwahren, die
von ihm dem Rcichsvicekanzlcr ausgehändigt wur-
den. Auch in Frankreich war der Kanzler ursprüng-
lich Bewahrer der Reichssiegel. Da aber das Kanz-
leramt dem, der einmal damit bekleidet war, nicht
genommen werden konnte, so wurde, wenn ein
Kanzler in Ungnade siel, ein eigener (^aiäs äes
sceaux ernannt, der in Rang, Amtskleidung und
Amtsbefugnissen jenem gleichstand. Der Groß-
siegelbewahrerin Frankreich hatte, wie im alten
Deutschen Reiche der Kurfürst von Mainz bei den
Reichskanzleien, die Ernennung aller Kanzleibeamten
(01i3.nc6ii6ri68) in ganz Frankreich. Alle Erlasse im
Namen des Königs mußten ihm zum Siegeln vorge-
legt werden. Später sank der Name Grohsiegelde-
wahrer zum bloßen Titel des Iustizministers herab.
In England sind seit der Königin Elisabeth die
Ämter des Lord-Kanzlers von England und des
Großsiegelbewahrers (I^orä Keeper ok tlw l^reat
86^1) in der Regel vereinigt. (S. I^orä ^Iiancelior.)
Für das kleine königliche S. besteht noch ein eigener
Beamter, I^orä I<66p6r ol tlw ?riv^ 86a1, meist
I,0i'ä?riv^ 3ea1 genannt. (S. Siegelkunde.)
Siegel, Heinr., Jurist, geb. 13. April 1830 zu
Ladcnburg in Baden, studierte zu Bonn und Heidel-
berg, habilitierte sich 1853 in Gießen und wurde
1857 außerord., 1862 ord. Professor des Rechts in
Wien. Von der dortigen Akademie der Wissenschaf-
ten 1861 zum korrespondierenden, 1862 zum wirk-
lichen Mitglied ernannt, wirkte er 1875-90 als
deren Generalsekretär. 1891 wurde er ins Herren-
haus berufen. Außer zahlreichen in den Sitzungs-
berichten der Wiener Akademie veröffentlichten Unter-
suchungen erschien von ihm "Das deutsche Erbrecht
nach den Rechtsqucllen des Mittelalters" (Hcidelb.
1853), "Geschichte des deutschen Gerichtsverfahrens"
(Bd. 1, ebd. 1857), "Das Versprechen als Verpflick-
tungsgrund" (Berl. 1873), "Lehrbuch der deutschen
Rechtsgeschichte" (ebd. 1886; 3. Aufl. 1885). Mit
K. Tomaschek gab er als Bd. 1 der "Osterr. Weis-
tümer" heraus: "Die Salzburgischen Taidinge"
Siegelbaum, s. si^Maria. KWien 1870).
Siegelbewahrer, s. Siegel und Kanzler.
Siegelcylinder, Siegelsteine, Cylinder-
gemmen, die bei den alten Assyrern, Babyloniern
und Persern üblichen kleinen Steincylinder aus
Onyx, Sardonyr, Jaspis, Achat, I^api3 I^axuli, mit
eingravierten Inschriften oder Figuren, die beson-
ders zum Siegeln benutzt, dann aber auch als Amu-
lette getragen wurden. Ihre Größe wechselt zwi-
schen 0,i5 bis 10 cm. Die eingravierte Schrift ist
meist Keilschrift, doch finden sich auch phöniz. und
aramäische Schriftzeichen; die Figuren haben ent-
weder symbolische oder mytholog. Bedeutung. Treten
beide Gravierungen gemeinschaftlich auf, so ist in
der Regel die eine Hälfte mit Figuren geziert, die
andere freigelassen, um auf dieser die Namensbe-
zeichnung des Besitzers des S. in Keilschrift anzu-
bringen. Die Gravierungen sind natürlich verkehrt,
damit sie im Abdruck richtig erscheinen. Zum Siegeln
waren die S. mit einer Handhabe versehen, so daß
sie, um ihre Achse drehbar, in Wachs oder weichen
Thon abgerollt werden konnten und so der Abdruck
in einem Viereck zur Geltung kam. Berühmte Stücke
sind der S. des Darms I., des Muschisch-Ninib (in
der assyr. Stadt Tarbis gefunden), des Ur-Ba'u von
Ur (3000v. Chr.), des Dungi von Ur (aus Nippur).
- Vgl. Menant, (^linärkä orientaux äu cadinet
i-oM dos mkäiuiikL a la Havo (Haag 1878); ders.,
1^68 piei'res Arave68 ä6 la Haute-^8i6. Tl. 1: <^>
Iincli'68 äs 1a, (^1ia1ä66 (Par. 1883); Fischer und
Wiedemann, über babylon. Talismane (Stuttg.
1881); Pinches,Uad^1onian and ^.88^lian cvlinäer-
86al8 (Lond. 1885); Horn und Stcindorsf, Sassani-
dische Siegelsteine (mit 6 Taf., Verl. 1891).
Siegelerde, s. Volus.
Siegelgebühren (frz. äroitg äs 8C6au), in
Frankreich und Elsaß-Lothringen eine Abgabe für
die Verleihung von Adelstiteln, Städtewappen, für
Namensänderungen und gewisse Dispense.
Siegelgenoffen, s. Siegelmäßigkeit.
Siegelkunde oder Sphragistik (vom grch.
8pIn-aFi8, Siegel), die Kenntnis der Siegel (s. d.),
im besondern der Urkundensiegel. - Vgl. die Werke
von Heineccius, Manni, Gercken und Vüsching, Gro-
tefends Über Sphragistik (Bresl. 1875) und Seylers
Geschichte der Siegel (Lpz. 1894).
Siegellack, eine zum Zusiegeln von Briefen
und Paketen dienende Masse, die hauptsächlich aus
harzigen Stoffen besteht, und zwar der feinere
aus Schellack und Terpentin, oft unter Zusatz von
Storar, Tolubalsam, Venzoeharz, wodurch er wohl-
riechend wird, der geringere bloß aus Kolophonium
mit etwas Terpentin. Außerdem setzt man dem S.
noch erdige Körper zu, wie Kreide, Zinkweiß, Baryt-
weih; diese Körper verhindern das zu schnelle Ab-
tropfen des S. Ferner sind die meisten Siegel-
lacksorten noch gefärbt. Roter S. ist in den feinsten
Sorten durch Zinnober, in den geringern durch
Mennige und rotes Eisenoxyd gefärbt. Anders ge-
färbte Sorten erhält man durch Zusatz von Grün-
span, Chromgelb, Ultramarin, gebranntes Elfen-
bein. Die Stangengestalt erhält der S. durch Gie-
ßen in Formen. Die Portugiesen sollen den E. in
Ostindien kennen gelernt und in Europa verbreitet
haben, woher sich auch der Name Spanisches
Wachs, wie man den S. früher oft nannte, erklärt.