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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Siemens (Familie)

von Salpetersäure und Schwefelsäure praktisch brauchbar zu machen, worauf er mit der Leitung ausgedehnter Versuche mit diesem Material durch das preuß. Kriegsministerium betraut wurde; 1846 bereicherte er die elektrische Telegraphie mit einem von allen frühern wesentlich abweichenden Zeigertelegraphen mit Selbstunterbrechung. 1847 in die Kommission für Einführung elektrischer Telegraphen in Preußen berufen, schlug er dieser auf Grund seiner 1846 angestellten Versuche die Guttapercha als Isolationsmittel für unterirdische Leitungen vor und konstruierte auch zum Überziehen der Drähte mit Guttapercha die erste Schraubenpresse. 1848 legte er im Kieler Hafen mit seinem Schwager, Professor Himly, die ersten unterirdischen Seeminen mit elektrischer Zündung an und baute als Kommandant von Friedrichsort die 1849 berühmt gewordenen Batterien zum Schutz des Eckernförder Hafens. Im Herbst und Winter 1848/49 baute er im Auftrage der preuß. Regierung die erste große Telegraphenlinie auf dem Kontinent zwischen Berlin und Frankfurt a. M. Werner schied 1849 aus der Armee und nach Vollendung der Telegraphenlinien von Berlin nach Köln und Berviers sowie nach Hamburg, Breslau und Oderberg aus dem Staatsdienst überhaupt, um sich der Telegraphenbauanstalt zu widmen, die er schon 1847 mit dem (1867 wieder aus dem Geschäft getretenen) Mechaniker J. G. Halske (s. d.) in Berlin gegründet hatte. Diese bald viele Hunderte, jetzt mehrere Tausende von Arbeitern beschäftigende Firma (Siemens & Halske) erstreckt mit ihren Zweiggeschäften ihre Thätigkeit auf alle Weltteile. Das erste Zweiggeschäft ward, nachdem das Hauptgeschäft schon 1853 den Bau und die zwölfjährige Unterhaltung des russ. Telegraphennetzes übernommen hatte, 1855 in Petersburg gegründet und stand viele Jahre und auch jetzt wieder unter der Leitung des als Teilhaber in die Gesamtfirma Siemens & Halske aufgenommenen Bruders Karl S. (geb. 4. März 1829), der 1895 vom Kaiser von Rußland in den erblichen Adelstand erhoben wurde. Das 1858 mit Wilhelm S. unter der Firma Siemens, Halske & Comp. begründete Zweiggeschäft in London ward später unter der Firma Siemens' Brothers von Wilhelm und Karl geleitet. Es entwickelte sich bald zu einem selbständigen Weltgeschäft und hat allein sieben der Kabel zwischen Europa und Amerika aus seiner großen Kabelfabrik bei Woolwich geliefert und gelegt. Es hat die Form einer Aktiengesellschaft mit nicht übertragbaren Aktien erhalten und steht unter der Leitung von Alexander S. Das Zweiggeschäft in Tiflis (1863) wurde von dem preuß. Konsul, Walther S., geb. 11. Jan. 1832, und nach dessen Tode, 23. Juni 1808, von dem jüngsten, Dr. Otto S., geb. 30. Nov. 1836, geleitet, welcher 1871 starb; es war an dem von dem Hauptgeschäft geleiteten Bau der indo-europ. Telegraphenlinie, von London durch Norddeutschland und Rußland nach Teheran, beteiligt und betreibt noch jetzt bedeutende Kupferbergwerke, früher auch Petroleumquellen im Kaukasus. Ein Zweiggeschäft in Wien bestand seit 1858 einige Jahre und ward 1879 unter Leitung von Arnold S., des ältesten Sohnes von Werner S., wieder eröffnet. Es wirkt in gleicher Weise wie das Hauptgeschäft in Berlin und die Zweiggeschäfte in London und Petersburg namentlich für Einführung elektrischer Beleuchtung und elektrischer Bahnen in Österreich. Für diese Zweige hat das Berliner

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Hauptgeschäft eine besondere große Fabrik in Charlottenburg errichtet, in welcher auch die Kabel für unterirdische Leitungen, für elektrische Beleuchtung und für Telephonanlagen hergestellt werden. Am 1. Jan. 1890 übertrug Werner S. die Leitung der Berliner Firma Siemens H Halske seinen Söhnen Arnold und Wilhelm.

Werner S. entdeckte (1848) die sog. Flaschenladung isolierter Leitungen (Kabel) und die daraus entspringende Verzögerung des durch sie gesandten Stroms, gab Methoden zur Untersuchung solcher Kabel und zur Auffindung von Fehlern und Beschädigungen darin an; er stellte 1859 die genau definierte und leicht zu reproduzierende Siemenssche Quecksilber-Widerstandseinbeit auf und legte dadurch den ersten festen Grund zur Ausführung genauer und vergleichbarer elektrischer Messungen. Werner gab die erste Kabellegungstheorie und legte auch das erste gelungene Tiefseekabel (Bona-Cagliari) mit Bremse und von ihm erfundenem Kraftmesser; 1856 erfand er den Cylinderinduktor (s. d.), und 17. Jan. 1867 trat er mit dem epochemachenden Dynamoprincip (s. d.) hervor. Große Verdienste erwarb sich Werner um die Translation, die automatische Telegraphie, das Gegen- und Doppelsprechen u. s. f. Durch das von ihm verfaßte Gutachten der Berliner Handelskammer und den von ihm seiner Zeit begründeten und geleiteten Patentschutzverein legte er zu dem jetzigen deutschen Patentgesetz den Grund. Auch hat Werner S. auf die hochwichtige Möglichkeit hingewiesen, daß man in kommenden Zeiten mit Hilfe der Elektricität Lebensmittel aus ihren überall vorhandenen Elementen herstellen werde. Nachdem er den Reichsbehörden eine Schenkung von 500000 M. als Beitrag zur Gründung einer "Physikalisch-Technischen Reichsanstalt" (s. d.) angeboten hatte, erfolgte die Einrichtung einer solchen. Er war Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Vicepräsident des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleißes, Mitbegründer und erster Präsident des Elektrotechnischen Vereins daselbst: 1860 wurde er Ehrendoktor der Berliner, 1886 der Heidelberger Universität, 1885 erhielt er den Orden pour le mérite, und 1888 wurde er von Kaiser Friedrich in den Adelstand erhoben. Er starb 6. Dez. 1892. Er schrieb: "Positive Vorschläge zu einem Patentgesetz" (Berl. 1869), "Gesammelte Abhandlungen und Vorträge" (ebd. 1881), "Wissenschaftliche und technische Arbeiten" (2. Aufl., edd. 1889-91), "Lebenserinnerungen" (4. Aufl., ebd. 1895).

Wilhelm S., geb. 4. April 1823 zu Lenthe, studierte 1841-42 in Göttingen, trat 1842 in die Gräflich Stolbergsche Maschinenfabrik, ließ sich dann, nachdem er im Interesse seines Bruders Werner S. nach London gegangen war, 1851 in London als selbständiger Civilingenieur nieder. Er wurde bereits 1862 in die Royal Society aufgenommen, war unter anderm Präsident der British Association 1882, der Institution of Mechanical Engineers 1872-73 und 1873-74, des Iron and Steel Institute 1877, der Society of Telegraph Enegineers 1872 und 1878, Vorsitzender des Rats der Society of Arts zur Zeit seines Todes. Er war Ehrendoktor (1870) und wurde 1883 von der Königin von England als Sir William S. in den Ritterstand erhoben. Er starb 19. Nov. 1883. Wilhelm war seit 1857 mit seinem Bruder Friedrich S. (s. unten) mit der von letzterm zuerst vorgeschlagenen Einführung der