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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Spanische Kunst

Das goldene Zeitalter der span. Plastik reicht von der Mitte des 15. bis zum ersten Viertel des 17. Jahrh., das 15. Jahrh. gehört noch der Gotik, das 16. der Renaissance an. Zu den vollendetsten Werken der ersten Zeit zählen die Hochaltäre der Kathedrale von Saragossa und Tarragona; die umfangreichsten sind die hoch aufgetürmten Riesenretablos von Sevilla (Dancart) und Toledo (Egas); mit verschwenderischer Ornamentik ausgestattet sind Altar und Grabdenkmäler der Kartause von Burgos (Gil de Siloe). Aus dieser Zeit stammen auch viele meisterhafte Bildnisstatuen auf Grabdenkmälern, deren alle großen Kirchen besitzen. Der Stil der ital. Renaissance wurde seit dem letzten Jahrzehnt des 15. Jahrh. durch Künstler verschiedener Nationalität verbreitet, der bedeutendste Bildhauer und Ornamentist war wohl Felipe Vigarni aus Burgund (in Burgos, Toledo und Granada). Die schönen Motive der Frührenaissance wurden rasch verdrängt durch den phantastischen Stil, den die Überlieferung mit dem Namen Alfonso Berruguetes (s. d. und Taf. I, Fig. 2) verknüpft hat, obwohl Diego de Siloe, Covarrúbias, Xamete u. a. vielleicht noch größern Anspruch haben, hier genannt zu werden. Damals erhoben sich die von Riaño geplanten statuenbedeckten Prachträume der Sakristei und königl. Kapelle zu Sevilla sowie das Stadthaus. Leon und Pompeo Leoni schufen bronzene Bildnisstatuen des Kaisers, Philipps II. und der Ihrigen, darunter die im Chor des Escorial. Auch Florentiner Künstler kamen: Domenico Fancelli arbeitete das Denkmal des Prinzen Juan zu Avila und das Ferdinands und Isabellas zu Granada, Michele in Sevilla das des Kardinals Mendoza; Lombarden in Genua lieferten die prachtvollen Denkmale der Ribera in der Universitätskirche. Bartol. Ordoñez aus Barcelona schuf mit Hilfe lombard. und toscan. Bildhauer das Denkmal Philipps des Schönen und der Johanna von Castilien in Granada und das des Kardinals Ximenes zu Alcala u. a. Den ersten Platz in der span. Renaissanceskulptur nimmt jedoch Aragonien ein: die Reliefs der alabasternen Hochaltäre und die Chorschranken (s. Taf. I, Fig. 6) in der alten Kathedrale zu Saragossa und der Kathedrale von Huesca, die Façade des Klosters San Engracia; dann folgt Navarra: Ancheta und Vengoechea. Von da an aber arbeitet die Skulptur in die Breite, die sehr umfangreichen Retablos (Altarwände) nötigten zur Holzskulptur, bei der auf Vergoldung und Bemalung gerechnet wurde. Der Stil ist der der Hochrenaissance und Michelangelos, ihr bedeutendster Vertreter Gaspar Becerra (Retablo von Astorga, 1569), ferner Juan de Juni (Pietà in der Kathedrale zu Segovia) und Gregorio Hernandez (s. Taf. I, Fig. 4). Diese Estofadoskulptur wurde um 1600 in Sevilla vertreten durch Montañes (s. Taf. I, Fig. 3), dessen klassisch-edle Gestalten ihre vollendetste Leistung sind. Sein Schüler war Alonso Cano (s. d. und Taf. I, Fig. 5). Auch im Zeitalter des Barockstils hat die span. Bildnerei ernste und bedeutende Arbeiten aufzuweisen, z. B. die naturalistisch durchgebildeten und tief empfundenen Statuengruppen des Salcillo (s. Taf. I, Fig. 7).

III. Malerei. Die ältesten Schöpfungen der span. Malerei sind die Miniaturen des 10. Jahrh.; Monumentalmalereien besitzen wir in den byzant. Gewölbemalereien im Pantheon von San Isidoro zu Leon, Ende des 12. Jahrh. Im Laufe des 14. Jahrh. drang mit der got. Architektur der damalige franz. Stil ein; am Hofe erschienen die Toscaner Dello und Starnina. Fresken zu Toledo (Kapelle San Blas), ein großer Tempera-Retablo in der alten Kathedrale zu Salamanca gehören dieser florentin. Schule an. In der zweiten Hälfte des 14. und im 15. Jahrh. gab es fast überall provinzielle Schulen, wie zahlreiche erhaltene Retablos beweisen, deren Stil den gleichzeitigen italienischen und niederrheinischen analog ist. Um die Mitte des 15. Jahrh. fand die flandr. Ölmalerei Eingang, zuerst durch Luis Dalmau in Barcelona (1445), meist aber durch eingewanderte Niederländer (Juan de Flandes), Miguel, durch den Handel und durch span. Nachahmer (Gallegos in Zamora, Sanchez de Castro und Alejo Fernandez in Sevilla). Nur vereinzelt kommt der Freskostil der ital. Quattrocentisten vor (Juan de Borgona in Avila, Toledo), auch der Hofmaler Pedro Berruguete (Avila) zeigt ital. Anklänge. Das durch den realistischen Zug in der Malerei des 15. Jahrh. geförderte nationale Element verschwand seit dem zweiten Drittel des 16. Jahrh. wieder vor dem röm.-florentin. Manierismus, den span. Maler aus Italien mitbrachten, und es begann eine Periode der Nachahmung: Alonso Berruguete und D. Correa in Castilien, der Freskomaler Vargas und der hispanisierte Brüsseler Campana in Sevilla, Morales in Badajoz, Pablo de San-Leocadia und Vicente Juan Macip in Valencia. Die Altarflügel der Kathedrale daselbst sind das Meisterwerk des Leonardoschülers Hernand Yañes und Ferrando de Llanos (1507). Dann folgte die ital. Malerkolonie des Escorial und deren dort zurückbleibender Anhang: die Carducho und Caxesi. Nur im Bildnis blieb man beim niederländ. Geschmack: dem Antonis Mor schlossen sich an Alonso Sanchez Coello (s. d. und Taf. III, Fig. 1) und Pantoja de la Cruz (gest. 1609). Gegen Ende des 16. Jahrh. erhob sich der nationale Geist von neuem; Venedig regte das koloristische Streben an: Fernandez Navarrete und Tizians Schüler El Greco in Toledo (seit 1575), dessen Schüler Luis Tristan und Maino eigene Wege gingen. Pedro Orrente wurde der span. Bassano genannt. Die eigentümlichen Elemente des span. Geschmacks: Verbindung des Realismus mit kath. Devotion, Betonung des Helldunkels, breiter, auf Gesamtwirkung zielender Vortrag, finden sich zuerst bei dem vielseitigen Juan de las Roelas in Sevilla (gest. 1625); an ihn schloß sich Herrera, der Lehrer des Velazquez. In Valencia vertrat diese neue Art Ribalta (gest. 1628). Die span. Malerei der goldenen Zeit des 17. Jahrh. verdankte ihre großen Meister den naturalistischen Grundsätzen; zu ihnen gehörten Zurbaran, Jusepe de Ribera (s. Taf. III, Fia. 2) aus Valencia, der sich aber in Italien weiter bildete und dort blieb; der große Bildnismaler Diego Velazquez (s. d. und Taf. III, Fig. 3), Alonso Cano, an den sich die Häupter der Schule von Granada anschlossen, endlich ihr berühmtester Maler Murillo (s. Taf. III, Fig. 4; s. auch die Chromotafel beim Artikel Murillo). Unter dem Einflusse der in den königl. Schlössern vereinigten Werke des Tizian und Rubens bildete sich im 17. Jahrh. zu Madrid eine Schule geschickter Koloristen: Cerezo, die beiden Rizi, Diego Polo, Escalante, Antonio de Pereda und Claudio Coello. Im 18. Jahrh. war die Malerei nur ein matter Widerschein der ital. und franz. Schule: Bayeu, Vanloo, R. Mengs und Tiepolo malten im königl. Palast. Erst in Goya y Lucientes lebte das span. Wesen wieder auf.