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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Spiritusfabrikation

die Reinheit der Schlempe, d. h. die Abwesenheit von Alkohol festzustellen. Die zum Abtreiben erforderlichen Dämpfe treten durch den Dampfregulator H in den untern Teil der Maischsäule A, strömen der Maische entgegen und gelangen mit Alkohol angereichert in den Teil B, um hier einer vorläufigen Dephlegmation durch entgegenströmende Maische unter gleichzeitiger Vorwärmung derselben unterworfen zu werden; die eigentliche Dephlegmation findet in den Dephlegmator E statt, welcher aus einem viereckigen Kasten mit wagerecht eingelegten, von Wasser durchströmten Kühlrohren besteht; der Alkoholdampf umströmt im Innern des Dephlegmators die Wasserrohre und wird hierdurch verstärkt und gereinigt. Um die vom Dampf berührte Oberfläche zu vergrößern und die Dephlegmation zu verstärken, sind die Zwischenräume der Rohre mit Porzellankugeln gefüllt. Der aus dem Dephlegmator austretende, alkoholreiche Dampf tritt dann in den Kühler I über und wird hier zu Spiritus verdichtet. Neuerdings hat Ilges seine Apparate mit einem besondern Fuselölabscheider versehen, so daß man mit dem "Feinspritautomat" direkt aus der Maische fuselfreien Feinsprit erzielen kann, während alle andern Destillierapparate nur Rohspiritus, also ein mehr oder weniger unreines Produkt liefern, dessen Verunreinigungsgrad im allgemeinen um so größer ist, je schwächer das gewonnene Destillat ist. Da die kontinuierlichen Apparate, bei denen die Rektifikation und Dephlegmation stärker ist als bei den Blasenapparaten, einen höherprozentigen Alkohol, bis zu 94 Volumproz., liefern als die Blasenapparate, ist auch der mit den erstern gewonnene Rohspiritus im allgemeinen der reinere. Der mittlere Prozentgehalt von alkoholischen Verunreinigungen (Fuselöl) ist bei Kartoffelrohspiritus 0,3 Proz., auf 100 Proz. Alkohol berechnet.

Die weitere Reinigung des Rohspiritus geschieht in den Rektifikationsanstalten oder Spritfabriken. Der auf 40-50 Volumproz. verdünnte, für die Gewinnung feinster Marken vorher durch ausgeglühte, in metallenen hohen Cylindern befindliche Holzkohle filtrierte Spiritus wird in großen Blasenapparaten einer sehr langsamen Destillation unterworfen; diese Rektifizierapparate tragen eine aus einer sehr großen Anzahl von Siebböden zusammengesetzte, stark wirkende Rektifikationskolonne, ähnlich der bei den kontinuierlichen Apparaten verwendeten. Die bei der Rektifikation zuerst übergehenden Anteile des Produkts, welche die dem Rohspiritus beigemengten, leicht siedenden Nebenbestandteile (Aldehyd) enthalten, bilden den Vorlauf, die zuletzt übergehenden, die mit den höher siedenden alkoholischen Verunreinigungen, wie Amylalkohol (Fuselöl), Propylalkohol, Butylalkohol, Furfurol, vermischt sind, den Nachlauf. Der zwischen der Abscheidung des Vor- und Nachlaufs gewonnene Anteil des Produkts ist der eigentliche Sprit. Je schärfer die Trennung der einzelnen Destillationsanteile (die Fraktionierung) ausgeführt wird, um so feiner ist der gewonnene Sprit. Die Sprite werden je nach ihrem Reinheits- und Feinheitsgrade als Weinsprit, Feinsprit und Primasprit bezeichnet, so daß also der feinste, von allen nachweisbaren alkoholischen Verunreinigungen (Vor- und Nachlaufbestandteilen) und Geruchstoffen freie als Weinsprit gilt. Derselbe ist für den Verschnitt feiner Weine und für Liqueure besonders geeignet. Noch jetzt werden, trotz des Wettbewerbes ausländischer Spritfabriken, die Weinsprite der deutschen, namentlich der Berliner Rektifikationsanstalten (premières marques de Berlin), im Auslande für diese Zwecke zu höhern Preisen gekauft.

Neben Kartoffeln kommen als stärkemehlhaltige Rohmaterialien hauptsächlich Mais und Roggen in Betracht. Ein Unterschied bei der Verarbeitung dieser Rohprodukte kommt gegenüber der Verarbeitung von Kartoffeln eigentlich nur bei der Verkleisterung (Dämpfen) vor. Mais wird entweder ungeschrotet, also im ganzen Korn, in den Henzedämpfern unter Zusatz von Wasser 2-8 Stunden bei einem Druck von 3½ bis 4 Atmosphären gedämpft, oder er wird in geschrotetem Zustande in horizontalliegenden, mit Rührwerk versehenen Dämpfern unter weniger hohem Druck verarbeitet. Roggen und auch Weizen werden meistens nur in Kornbrennereien und Hefefabriken zur Erzeugung von Trinkbranntweinen verarbeitet. Da hier die Verarbeitung unter Kochdruck auf den Geschmack des Erzeugnisses nachteilig einwirkt, wird das geschrotete Material mit Wasser im Maischapparat eingeteigt und durch Dampfeinleitung gekocht, dann auf Verzuckerungstemperatur abgekühlt, mit Malz verzuckert und später ähnlich weiter behandelt wie Kartoffeln. - Bei Melasseverarbeitung fällt die Verzuckerung fort; die Melasse wird, zum Teil unter Zusatz von etwas Schwefelsäure, aufgekocht, mit Wasser auf die erforderliche Konzentration gebracht und mit einer aus Roggenschrot oder Mais und Darrmalz bereiteten Kunsthefe, an einzelnen Stellen wohl auch mit Bierhefe, zur Gärung gebracht. Bei der Verarbeitung von Obst, Früchten, Trestern u. s. w. wird das nach Bedarf zerstampfte Material einer Selbstgärung überlassen. Über die Denaturation des Spiritus s. Denaturieren.

Die Ausbeute an Spiritus richtet sich nach dem Gehalt des Rohmaterials an Stärke oder Zucker. Theoretisch giebt 1 kg Stärkemehl 716,1 ccm absoluten Alkohol, 1 kg Rohrzucker 678,3 ccm. In der Praxis werden aber selbst bei gutem Betriebe nicht erheblich mehr als 80 Proz. der theoretischen Ausbeute erzielt, da ein Teil der verarbeiteten Stärke (0,5-3 Proz.) sich der Aufschließung entzieht, ein Teil (4-12 Proz.) unvergoren bleibt und endlich ein Teil (7,2-12 Proz.) durch die Unreinlichkeit der Gärung verloren gehen. Es werden daher in der Praxis, je nach der Güte der Betriebsleitung, von 100 kg Rohstoff folgende Mengen absoluten Alkohols gewonnen:

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100 kg Rohstoff Absoluter Alkohol in Litern

Stärke (eingemaischt) 56-60

Mittelgute Kartoffeln 10-12

Roggen 32-34

Mais 34-36

Melasse 26-28

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Statistik. Im J. 1895/96 waren im Deutschen Reiche im ganzen 60 703 Brennereien im Betriebe, darunter 5683 Kartoffelbrennereien, 7729 Getreidebrennereien (1036 gleichzeitig mit Preßhefefabrikation verbunden), 29 Melasse- und Rübenbrennereien und 47 322 Brennereien, die andere nicht mehlige Stoffe verarbeiteten. Von der Gesamtzahl der Brennereien erzeugten 50 391 (darunter 45 062 Materialbrennereien) weniger als 1 hl, 3675 zwischen 1 und 10 hl, 2332 zwischen 10 und 100 hl, 2052 zwischen 100 und 500 hl, 1272 zwischen 500 und 1000 hl, 1083 zwischen 1000 und 2000 hl und 152 über 2000 hl. Die größte Brennerei lieferte über 30 000 hl.