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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Stadtadvokat; Stadtältester; Stadtamhof

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Stadtadvokat - Stadtamhof

rühmten Städterepubliken hervor. In Italien erwuchs Rom unter Beibehaltung städtischer Verfassungsformen zur Herrin der Mittelmeerwelt und prägte seinem Reiche vorwiegend den Charakter städtischer Kultur auf. In dem ganzen Bereich röm. Herrschaft wurden S., wo solche nicht bereits bestanden, neu angelegt, so namentlich auch seit Kaiser Augustus in den unterworfenen Teilen von Deutschland, da den Germanen im Gegensatz zu den Kelten die Sitte des städtischen Zusammenwohnens verhaßt war. Eine große Zahl der S. im westl. und südl. Deutschland, von Köln bis Basel und von Augsburg bis Wien, verdankt so röm. Lagern und Kastellen ihre Entstehung. Die Stürme der Völkerwanderung bereiteten den meisten den Untergang; aber nach der Errichtung des Frankenreichs erstanden sie mit dem Vordringen des Christentums und den Anfängen von Handel und Gewerbe zu neuem Leben, während der Andrang der slaw., normann. und magyar. Feinde im 9. und 10. Jahrh. auch im übrigen Deutschland die Errichtung von festen Plätzen veranlaßte, unter deren Schutz allmählich städtisches Leben erwuchs. Zu ihnen gesellte sich schließlich im 12. und 13. Jahrh. die nicht minder zahlreiche Gruppe der fürstl. Neugründungen, sowohl im Innern von Deutschland (Freiburg i. Br., Bern u. a.) als auch in den den Slawen abgewonnenen Gebieten, an den Ostseegestaden von Lübeck bis Reval, in den Landen zwischen Elbe und Weichsel und in Schlesien. Jede ältere S. wurde anfangs durch herrschaftliche Beamte (Grafen oder Vögte) verwaltet, hatte aber nicht eher volle rechtliche Selbständigkeit, als bis sich in ihr eine eigene Verfassung und Verwaltung ausgebildet hatte, an deren Spitze Bürgermeister und Räte standen. Doch konnte diese Selbstverwaltung meist nur durch Kampf mit den Stadtherren, insbesondere den Bischöfen, errungen werden. Die neuen Verhältnisse in den S., die sich hiernach ausbildeten, wurden dann durch besondere Statuten oder Stadtrechte (s. d.) geregelt.

Am frühesten trat diese Entwicklung in Italien ein. Als das reformierte Papsttum im 11. Jahrh. daran ging, die Selbständigkeit des Episkopats zu brechen, verbündete es sich mit der Pataria (s. d.) zum Sturz der bischöfl. Herrschaft in den S. und erreichte diesen Zweck unter heftigen Kämpfen. Die Bischöfe verloren ihre Rechte, und Verwaltung wie Gerichtsbarkeit gingen seit Ausgang des 11. Jahrh. an selbstgewählte Vorsteher (Consules) der S. über. Gleichzeitig vereinigten sich die S. zu Städtebünden, die diese Errungenschaften gegen Bischöfe und Kaiser verteidigen sollten, und nach hundertjährigem Kampfe erzwang der Lombardische Bund 1183 den Frieden von Konstanz, der zwar die Zugehörigkeit der S. zum Reich anerkannte, ihnen jedoch die Selbständigkeit im Innern sicherte.

Von Italien griff die städtische Bewegung alsbald nach Süd- und Nordfrankreich, Flandern und Deutschland hinüber. Doch gelangten die S. im allgemeinen nur in Deutschland zu derselben selbstherrlichen Stellung wie in Italien, teils durch Abschüttelung der bischöfl. Herrschaft, teils durch den Wegfall der herzogl. Gewalt, wie in Schwaben nach dem Aussterben der Staufer, teils durch die Zerrüttung der königl. Macht. Während aber die ital. Republiken ihre Freiheit seit dem 13. Jahrh. durch innere Parteiungen zu Gunsten einzelner Herren einbüßten, gelang es den deutschen S., zum Teil mit Hilfe umfassender Bünde (Hansa, Rheinischer Städtebund, Schwäbischer Bund), sich die Selbständigkeit über das Mittelalter hinaus zu erhalten (s. Reichsstädte und Freie Städte). Auch ihre Blüte erlosch sowohl infolge der Entdeckung Amerikas und der Auffindung neuer Handelswege, als infolge der Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges und der Erstarkung der fürstl. Gewalt. Die im Mittelalter weniger bedeutsamen holländischen und dann die englischen S. traten im 17. und 18. Jahrh. an die Spitze der gesamtstädtischen Entwicklung, und erst im 19. brach die Städteordnung (s. d.) des Freiherrn vom Stein vom 19. Nov. 1808 dem Städtewesen zunächst in Preußen neue Bahn, das seitdem durch die veränderten Produktions- und Verkehrsverhältnisse wiederum einen gewaltigen Aufschwung nahm.

Litteratur. Hüllmann, Städtewesen im Mittelalter (4 Bde., Bonn 1825-29); Warnkönig, Flandr. Staats- und Rechtsgeschichte (3 Bde., Tüb. 1834-39); Hegel, Geschichte der Städteverfassung in Italien (2 Bde., Lpz. 1847); Arnold, Verfassungsgeschichte der deutschen Freistädte (2 Bde., Gotha 1854); Nitzsch, Ministerialität und Bürgertum (Lpz. 1859); Chroniken der deutschen S. (hg. von der Münchener Historischen Kommission, Bd. 1-25, 1862-96); von Maurer, Geschichte der Städteverfassung in Deutschland (4 Bde., Erlangen 1869-71); G. Rümelin, S. und Land (in seinen "Reden und Aufsätzen", Bd. 1, Tüb. 1875); Wauters, Les libertés communales (2 Bde., Brüss. 1878); Gengler, Deutsche Stadtrechtsaltertümer (Erlangen 1882); Giry, Documents sur les relations de la royanté avec les villes en France, 1180-1314 (Par. 1885); Beloch, Die Bevölkerung der griech.-röm. Welt (Lpz. 1886); J. Jastrow, Die Volkszahl deutscher S. zu Ende des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit (Berl. 1886); Sitte, Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen (2. Aufl., Wien 1889); von Below, Die Entstehung der deutschen Stadtgemeinde (Düsseld. 1889); ders., Der Ursprung der Stadtverfassung (ebd. 1892); Sohm, Die Entstehung des deutschen Städtewesens (Lpz. 1890); Kallsen, Die deutschen S. im Mittelalter. I. Gründung und Entwicklung der S. (Halle 1891); Hegel, S. und Gilden der german. Völker im Mittelalter (2 Bde., Lpz. 1891); Heinr. Rauchberg, Der Zug nach der S. (in der "Statist. Monatsschrift", Wien 1893); A. Wirminghaus, S. und Land unter dem Einfluß der Binnenwanderungen (in den "Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik", 3. Folge, Bd. 9, Jena 1895); Oberrhein. Stadtrechte (hg. von der badischen Historischen Kommission, Heidelb. 1895fg.); Rietschel, Markt und S. in ihrem rechtlichen Verhältnis (Lpz. 1897); Boos, Geschichte der rhein. Städtekultur (Tl. 1., Berl. 1897).

Stadtadvokat, s. Hof- und Gerichtsadvokaten. Auch frühere Bezeichnung für Pensionär (s. d.).

Stadtältester, ein Ehrentitel, welcher nach der Preuß. Städteordnung für die sechs östl. Provinzen von 1853 Magistratsmitgliedern, welche ihr Amt mindestens 9 Jahre mit Ehren bekleidet haben, von dem Magistrat in Übereinstimmung mit der Stadtverordnetenversammlung verliehen werden kann. Unter ähnlichen Verhältnissen konnte auch im Königreich Sachsen 1832-73 der Titel S. verliehen werden.

Stadtamhof. 1) Bezirksamt im bayr. Reg.-Bez. Oberpfalz, hat 498,38 qkm und (1895) 40 216 (19 068 männl., 21 148 weibl.) E. in 69 Gemeinden mit