Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Städtereinigung'
noch die Kosten und die event. Verwendung der Stoffe zu landwirtschaftlichen Zwecken in Betracht. Da von allen Abfallstoffen
nur die menschlichen Exkremente einen erheblichen Dungwert besitzen, während die großen Massen der flüssigen Abgänge, der
Haus- und Küchenwässer u. s. w. für den Landwirt unbrauchbar sind, so hat man die sog.
Abfuhrsysteme, bei denen die Fäkalien getrennt von den übrigen Abfallstoffen beseitigt
werden, eingeführt. Die einfachste Form dieser Methoden stellt das sog. Grubensystem
dar, bei welchem die Fäkalien in einer in der Nähe des Hauses gelegenen Grube aufgesammelt und zeitweise abgefahren
werden.
Die Abfuhr geschieht oft noch durch die wenig reinliche Handarbeit mit Eimern, indem die
Leerung der Gruben (s. Senkgrube) durch Arbeiter geschieht, welche in die Gruben hinabsteigen und die
gefüllten Eimer in Transportwagen entleeren. Praktischer und geruchloser sind die mechan. Verfahren zur Entleerung der
Gruben. Bei der einen Methode wird eine fahrbare Hand- oder Dampfpumpe, durch Schlauchleitung einerseits mit der Grube,
andererseits mit dem Transportgefäß verbunden, das dann ein eiserner, auf Rädern liegender Cylinder ist. Ein anderes Verfahren
besteht darin, daß man vorher luftleer gemachte Fässer mit der Grube in Verbindung setzt, so daß die Jauche direkt in die
Fässer gesogen wird. Die Luftleere wird erzeugt durch eine fahrbare Pumpe mit Handbetrieb, welche die aus dem Fasse
gesaugte übelriechende Luft durch ein Kohlenfeuer in einen Schornstein drückt. Leistungsfähiger sind die Systeme von Talard,
Lokomobile mit Luftpumpe, angewendet in Straßburg, Metz, Karlsruhe, München, Hannover, sowie von Lenoir und Schneitler,
welche die Jauche in ein neben der Luftpumpe stehendes, vorher luftleer gemachtes Blechgefäß steigen lassen und von hier in
die Transportfässer drücken, wodurch für letztere die luftdichten Wandungen erspart werden, und der Dampfstrahlapparat von
Keller-Philippot, zwar einfacher als die Luftpumpen und ohne bewegliche Teile, aber gefährlich wegen seiner hohen
Dampfspannung und teuer wegen hohen Brennstoffverbrauchs, angewendet in Straßburg und Mülhausen. Zweckmäßig ist auch
die Luftleermachung der Transportgefäße außerhalb der Städte auf bestimmten Stationen. In Münster und Bremen wird hierzu
Dampf benutzt, der eingelassen und dann kondensiert wird. Klein, Schanzlin + Becker in Frankenthal befestigen an jedes
Transportgefäß eine kleine Luftpumpe, welche durch eine Kraftübertragung mit der Wagenachse verbunden ist, so daß die
Pumpe beim Fahren des Gefäßes in Bewegung gesetzt werden kann (billige Betriebskraft für die Luftpumpe, aber hohe
Anschaffungskosten).
Ein großer Übelstand der angeführten Abfuhr ist das Ansammeln der Exkremente in den Gruben bis zu dem Termin der
Entleerung, welches eine Verschlechterung des Untergrundes durch Einsickern, Verunreinigung der Luft in den Häusern und
Verminderung des landwirtschaftlichen Wertes der Jauche bedingt. Deshalb ist man dazu veranlaßt worden, die Exkremente in
kleinern und beweglichen Behältern zu sammeln, welche in ganz kurzen Zwischenräumen entleert werden, also offene Eimer
direkt unter den Abtrittsitz gestellt, welche z. B. in Bremen und Groningen vor dem Hause in Wagen entleert und über dem
Rinnstein gereinigt werden, in Kiel, Rostock, Emden, Amsterdam fest verschlossen und mit dem Inhalt abgefahren werden.
Letzteres ↔ Verfahren, welches allerdings einen doppelten Satz von Tonnen erfordert, ist dem erstem
vorzuziehen, besonders bei dem sog. Heidelberger Tonnensystem
(s. Tonnensystem), das gut verschlossene, schnell wechselbare Gefäße
(s. Heidelberger Tonnen) anwendet und gut angelegte Fallrohre mit Wasserverschluß besitzt, welche
geruchfrei mit dem Abtrittsitz und der Tonne verbunden sind. Die diesen Systemen anhaftenden Nachteile, einerseits die
Ansammlung der Jauche in den Gruben, andererseits die Umständlichkeit der Tonnenabfuhr, haben dazu geführt, die
Exkremente durch ein Netz unterirdischer Röhren zu entfernen unter Zuhilfenahme von Luftdruck, also Transport auf
pneumatischem Wege. Liernur legt außerhalb der Stadt ein Centralreservoir mit Luftpumpe
an, von welchem sog. Magistralröhren nach mehrern in der Stadt verteilten, voneinander gesonderten Bezirksreservoirs, je für
2–3000 Einwohner, führen. Von den Reservoirs gehen Straßenröhren von etwa 300 m Länge aus, an welche die Hausröhren
angeschlossen sind. Das Centralreservoir wird luftleer gemacht und mit Hilfe desselben durch die Magistralröhren nacheinander
die Bezirksreservoirs. Alsdann werden die Hähne der Hausröhren geöffnet und der des betreffenden Straßenrohrs, wodurch die
gleichzeitige Entleerung der Abtritte der angeschlossenen Häuserreihe in das Bezirksreservoir erfolgt. Dieser Vorgang wird so
oft unter jedesmaliger Luftleermachung des Bezirksreservoirs wiederholt, bis die sämtlichen Straßenröhren des Bezirks
angeschlossen gewesen sind. Nun erst wird das gefüllte Bezirksreservoir durch sein Magistralrohr in das Centralreservoir
entleert. Es können also die Abtritte einer ganzen Stadt täglich entleert werden, ein großer Vorteil dieses Systems.
Die gleichzeitige Entleerung aller Häuser einer Straßenröhre im Verein mit der von Liernur bisher angewendeten
Anschlußvorrichtung der Hausröhren, welche eine vollständige Leerung des Röhrennetzes nicht erreichen können, haben
Berlier dahin geführt, unter sonstiger Beibehaltung des Liernurschen Röhrennetzes eine
selbstthätig wirkende Vorrichtung in jedem Hause unter Aufstellung eines sog. Aufnehmers und damit verbundenen Entleerers
anzubringen, bei welcher das Ventil, welches die Haus- mit der Straßenröhre verbindet, gehoben wird, wenn der mit ihm
verbundene Schwimmer, welcher in der sich sammelnden Fäkalmasse schwimmt, eine bestimmte Höhe erreicht hat. Es schließt
sich also jedes Haus selbst nach Bedarf an die Straßenröhre an, und die Anzahl der Hähne wird verringert, jedoch ist die
Reinigung und Unterhaltung der automatischen Vorrichtung mit Schwierigkeiten verknüpft. Das Liernursche System besteht in
Stadtteilen von Prag, Amsterdam, Leiden und Dordrecht, das von Berlier versuchsweise in einer Kaserne in Paris.
Die Verwertung der Exkremente erfolgt durch Verkauf direkt an den Landwirt oder an
Unternehmer, oder Abfuhrgesellschaften. Größere Städte sind gezwungen, entweder Sammelgruben außerhalb der Stadt
anzulegen (Straßburg und Karlsruhe besitzen solche Gruben, welche die Exkremente von drei Monaten aufzunehmen im stande
sind), oder Bahntransporte einzurichten, z. B. von Stuttgart aus 70–90 km weit. Dann ist die Anlage von Fäkalbahnhöfen
notwendig, auf welchen die Faßwagen durch Röhren in die tiefer stehenden Bahnwagen entleert werden, welche, wie in München,
Dresden, Leipzig, je einen Behälter bis 10 cbm Inhalt ent-
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 233.