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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Stadterweiterungen

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Stadterweiterungen

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Städtereinigung'

halten. Die Empfänger zapfen dann die Jauche auf den betreffenden Stationen in ihre tiefer aufgestellten Abfuhrwagen ab. Da der Verkauf der Exkremente wegen der vielen in ihnen enthaltenen, für die Landwirtschaft wertlosen Stoffe auf Schwierigkeiten stößt, ist auf mannigfaltige Weise versucht worden, die wertvollen Bestandteile auszuziehen und als Poudrette (s. d.) in eine geeignete Form zu bringen.

Mit Rücksicht sowohl auf die besprochenen Schwierigkeiten des Verkaufs der Fäkalien, als auch auf die dringende Notwendigkeit, auch die Spülwässer u. s. w., die meist hygieinisch bedenklicher sind als die Fäkalien, in sicherer und rascher Weise zu beseitigen, entledigen sich viele größere Städte der Fäkalien durch ein unterirdisches Kanal- und Röhrennetz zugleich mit den sämtlichen Abwässern (s. d.). Hierdurch wird eine sehr starke Verdünnung der Jauche erzielt, die Verunreinigung der Röhren und Kanäle auf ein Minimum beschränkt und der große Vorteil erreicht, daß die Fäkalien sich innerhalb weniger Stunden nach ihrem Abgang außerhalb der Stadt befinden, ein Umstand, der in sanitärer Beziehung außerordentlich hoch anzuschlagen ist. Über dieses System der Entwässerung, die sog. Schwemmkanalisation, s. Kanalisation. Einen Nachteil bereitet oft die Unterbringung der Schwemmmasse, die entweder auf Rieselfelder (s. d.) geleitet oder auf chem. Wege und durch Klärung in besondern Anlagen gereinigt wird. (S. Wasserreinigung.)

Noch ein dritter Weg wird häufig eingeschlagen, eine Verbindung von Abfuhr und Kanalisation, indem die flüssigen Bestandteile der Abfallstoffe durch Kanäle, die festen durch Abfuhr beseitigt werden. Die Scheidung erfolgt bei Anwendung von Wasserklosetts durch Überläufe in den Abtrittsgruben (Amsterdam, Wiesbaden, Baden und in engl. Städten). Die Anwendung von Scheidetonnen (Diviseurs), namentlich in Paris und Zürich im Gebrauch, ist in gesundheitlicher Beziehung empfehlenswerter; eine in der Tonne befindliche durchlöcherte Scheidewand bewirkt die Trennung der flüssigen und festen Teile, welche erstern hierbei schneller, also in frischerm Zustand wie bei den Überläufen, abgeführt werden und infolgedessen einen größern Wert besitzen. Zu erwähnen sind noch die in Stockholm und andern Städten Schwedens eingeführten sog. schwedischen Klosetts, bei welchen die flüssigen Bestandteile der Exkremente gleich beim Entstehen von den festen durch Trichter oder Scheidewände getrennt werden; erstere laufen dann in die Straßenkanäle, letztere werden in Tonnen gesammelt und abgefahren, wodurch zwar die Abfuhrmenge eine sehr geringe wird, aber auch ihr Wert bei längern Abholterminen vermindert wird. Alle diese Systeme stellen jedoch in Anbetracht der geringen Vorteile, welche durch Verwendung der Fäkalien als Dünger erreicht werden können, nur unnütze Komplikationen der einheitlichen Schwemmkanalisation dar, die die Beseitigung der Abfallstoffe in idealster Weise erfüllt.

Der Hausmüll und Straßenkehricht werden meist gemeinsam beseitigt; die hygieinische Bedeutung beider ist aber sehr verschieden, indem der Hausmüll sehr oft Infektionserreger enthält, während der Straßenkehricht meist ganz unbedenklich ist. (Über die Methoden der Kehrichtbeseitigung s. Straßenreinigung.)

Ferner sind als Einrichtungen, welche die Reinigung der Städte in hohem Grade fördern, die ↔ öffentlichen Schlachthäuser (s. d.) und Markthallen (s. d.) zu nennen. Nicht verwendbare Teile von Schlachttieren und Tierkadaver werden nach der Abdeckerei geschafft.

Litteratur. Bürkli, Anlage städtischer Abzugskanäle und Behandlung der Abfallstoffe (Zür. 1866); Barrentrapp, über Entwässerung der Städte (Berl. 1868); Virchow, Kanalisation oder Abfuhr (ebd. 1869); Reinigung und Entwässerung Berlins (13 Hefte und 3 Anhangshefte, ebd. 1870–79); Bisser, Die Reinlichkeit in den Städten (Lpz. 1876); Pettenkofer, Vorträge über Kanalisation und Abfuhr (Münch. 1876); Sommaruga, Die Städtereinigungssysteme in ihrer land- und volkswirtschaftlichen Bedeutung (Halle 1874); Liernur, Das Kanalisieren auf getrenntem Wege (Frankf. 1879); Kaftan, Reinigung und Entwässerung der Städte (Wien 1880); Eulenburg, Handbuch des öffentlichen Gesundheitswesens (2 Bde., Berl. 1882); Heiden, Die menschlichen Exkremente (Hannov. 1882); Fischer, Die menschlichen Abfallstoffe (Braunschw. 1882); Hobrecht, Beiträge zur Beurteilung des gegenwärtigen Standes der Kanalisations- und Berieselungsfrage (Berl. 1883); Liernur, Rationelle Städteentwässerung (4 Bde., ebd. 1883–91); Heiden, Müller und von Langsdorff, Die Verwertung der städtischen Fäkalien (Hannov. 1883); Blasius und Büsing, Die S. (Jena 1894); Büsing, Die S. (Stuttg. 1897); Weyl, Die S. (Jena 1897).

Stadterweiterungen, planmäßige Anlagen neuer Straßen und Bauplätze außerhalb des bisherigen Bebauungsgebietes der Städte; sie haben infolge der starken Bevölkerungszunahme der modernen Großstädte und Industrieorte (s. Stadt) eine allgemeine socialpolit. Bedeutung gewonnen. Während die historisch gewordenen Verhältnisse der ältern innern Bezirke der Großstädte auf eine intensive Benutzung der Bauflächen hindrängen, ist für die neu entstehenden Stadtteile durch allgemeine gesetzliche und baupolizeiliche Vorschriften die Möglichkeit geboten, solche Straßen- und Häuseranlagen vorzusehen, welche den modernen gesundheitlichen und ethischen Anforderungen in befriedigendem Maße entsprechen (s. Wohnungsfrage). Neuerdings sind in dieser Beziehung von verschiedenen Seiten beachtenswerte Vorschläge gemacht worden, die unter anderm auch darauf hinausgehen, in Gemeinden mit stark geteilten, zersplitterten Grundbesitzverhältnissen genügend große, für die Durchlegung von Straßen und die Bebauung verfügbare Flächen zu schaffen. Nach dem Vorgang einzelner deutscher Städte (Mainz, Hamburg) und der belg. Gesetzgebung ist im preuß. Herrenhause in der Session 1892/93 seitens des Oberbürgermeisters Adickes (Frankfurt a. M.) ein Gesetzentwurf betreffend die Erleichterungen von S. eingebracht worden. Die Hauptpunkte sind: «Behufs Erschließung von Baugelände in einem überwiegend unbebauten Teile des Gemeindegebietes mit zerteiltem Grundbesitz kann in Stadtgemeinden mit mehr als 10000 E. nach endgültiger Feststellung eines Fluchtlinienplans (Gesetz vom 2. Juli 1875) die zwangsweise Zusammenlegung (Konsolidation) von Grundstücken verschiedener Eigentümer verfügt, sowie das der Gemeinde zustehende Recht der Enteignung auf das neben öffentlichen Straßen und Plätzen belegene Gelände ausgedehnt werden. Die Zusammenlegung kann sich sowohl auf den gesamten Bereich eines Bebauungsplans, als auch auf einen durch natürliche Begrenzung, bestehende und

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 234.