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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Stanley (Henry Morton)

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Stanley (Henry Morton)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Stanley (Frederick Arthur)'

kammer, dann bis zum Sturz Disraelis 1880 Kriegsminister. Unter Salisbury bekleidete er Juni 1885 bis Febr. 1886 das Staatssekretariat für Kolonien und unter Erhebung zum Lord S. von Preston Aug. 1886 bis Febr. 1888 die Präsidentschaft des Handelsamtes. Darauf wurde er Generalgouverneur von Canada. Als sein Bruder, der fünfzehnte Graf Derby, 21. April 1893 kinderlos starb, erbte er dessen Titel und Besitzungen.

Stanley (spr. stännlĕ), Henry Morton, eigentlich James Rowland, Afrikareisender, geb. 28. Jan. 1841 bei Denbigh in Wales, Sohn des Farmers John Rowland, wurde im Armenhaus bis zu seinem 13. Jahre erzogen, ging dann als Schiffsjunge nach Neuorleans, wo ihn ein Kaufmann Namens S. zu sich nahm, in den Handelsgeschäften unterrichten ließ und schließlich adoptierte. Später diente S. als Freiwilliger in der Armee der Nordstaaten. Nach dem Friedensschluß bereiste er als Zeitungskorrespondent die Türkei und Kleinasien und nahm 1867 als Berichterstatter für die Zeitung «New York Herald» am Feldzuge der Engländer gegen Theodor von Abessinien teil. 1869 gab ihm der Eigentümer jenes Blattes, Gordon Bennett jun., den Auftrag, den verschollenen Livingstone in Afrika aufzusuchen; zuvor sollte er der Einweihung des Sueskanals beiwohnen, Ägypten bereisen, dann Konstantinopel, die Krim, das Kaspische Meer, Bagdad, Persien und Indien besuchen. Im Jan. 1871 kam S. in Sansibar an. Nach längerm Aufenthalt an der Küste trat er mit einer sehr großen Eskorte von Eingeborenen die Reise nach dem Innern an, erreichte auf unbetretener Route unter außerordentlichen Schwierigkeiten 3. Nov. Ujiji am Tanganikasee und fand hier Livingstone, der kurz zuvor aus Manjema eingetroffen war. Im Dezember trat er mit Livingstone eine Reise um das nördl. Ende des Tanganika an. Am 18. Febr. 1872 erreichten die Reisenden Unjanjembe, wo Livingstone blieb, um Mittel zur Fortsetzung seiner Forschungen zu erwarten, während S. zurückkehrte. Im Mai 1872 erreichte er wieder die Küste. Über seine Reise, die etwa 10000 Pfd. St. gekostet hatte, berichtete er in der Aufsehen erregenden Schrift «How I found Livingstone» (Lond. 1872; deutsch, 2 Bde., Lpz. 1879; 3. Aufl. 1891; auch in Reclams «Universalbibliothek»); außer seinen eigenen Beobachtungen brachte er überaus wertvolle Berichte Livingstones über das von letzterm erforschte See- und Flußsystem im Südwesten und Westen des Tanganika. 1873–74 wohnte S. dem brit. Feldzug gegen den König der Aschanti, Koffi Kalkalli, bei. Eine Schilderung dieses Feldzugs findet sich in dem Buch «Coomassie and Magdala» (Lond. 1874).

Im J. 1874 vereinigten sich die Eigentümer des «New York Herald» und des Londoner «Daily Telegraph», um auf gemeinschaftliche Kosten S. eine neue Afrikareise machen zu lassen. Im November verließ er mit 300 Soldaten und Trägern Bagamojo und erreichte Febr. 1875 den Ukerewesee (Victoria-Njansa). Im Jan. 1876 zog er nach der Residenz des Königs Mtesa von Uganda am Nordufer des Sees, der ihm 2000 Speerträger für eine Reise durch das feindliche Land Unjoro zum Albertsee, dem andern großen Quellsee des Nils, zur Verfügung stellte. S. erreichte 11. Jan. einen mächtigen See, den er für eine große Bucht am südl. Albertsee hielt und Beatricebai nannte; nach spätern Aufnahmen durch den ägypt. Oberst Mason-Bei und durch seine eigene ↔ Reise 1889 ist jedoch festgestellt worden, daß S. nicht den Albertsee (Mwutan), sondern den Albert-Eduard-See fand. S. konnte ihn wegen Ungehorsams der Begleitung nicht befahren und kehrte nach Uganda zurück. Von hier wandte er sich südwärts nach dem Lande Karagwe am Westufer des Ukerewe und versuchte vergebens, zum Albertsee vorzudringen. Dagegen erforschte er den Fluß Kagera (auch Alexandranil genannt). Dann wandte sich S. zum Tanganikasee, den er ebenfalls (Juni und Juli 1876) vollständig umfuhr und dessen Karte er verbesserte. Den von Cameron entdeckten Ausfluß des Tanganika nach Westen, den Lukuga, hielt S. für einen verschlammten Zufluß des Sees. Auf seiner weitern westwärts gerichteten Reise gelangte S. zunächst nach Njangwe in Manjema, brachte hier seine sehr zusammengeschmolzene Begleitung wieder auf 210 Mann, schiffte sich dann 5. Nov. 1876 auf dem Lualaba ein und langte nach einer gefahrvollen Stromfahrt, zahlreiche Katarakte und Schnellen überwindend, und unter aufreibenden Kämpfen mit den Eingeborenen 8. Aug. 1877 in Boma am untern Kongo an, so die Identität des Lualaba mit dem Kongo feststellend. Dadurch wurden über 5000 km Wasserstraßen, schiffbar bis in das Innerste von Afrika, dem Verkehr erschlossen, welche nur durch einige größere Strecken von Katarakten und Stromschnellen unterbrochen werden. Schon vier Monate nach seiner Rückkehr veröffentlichte S. ein Werk über diese Reise u.d.T. «Through the dark Continent» (Lond. 1878; deutsch von Böttger, 2 Bde., Lpz. 1878; 3. Aufl. 1891).

Als 1878 unter den Auspizien des Königs Leopold II. von Belgien das Comité d'etudes du Haut Congo gegründet war, welches es sich zur Aufgabe stellte, die Möglichkeit des Handelsverkehrs mit Centralafrika nachzuweisen und dauernde Niederlassungen längs des Kongo zu errichten, wurde S. mit der Leitung einer Expedition betraut. Am 3. Dez. 1881 hatte die Expedition mit dem ersten Dampfer den Stanley Pool erreicht, nachdem längs des untern Kongo seit 1879 ein Transportweg mühselig angelegt und eine Reihe von Stationen errichtet und umfangreiche Strecken Landes angekauft worden waren. S. gründete dann an der Mündung des Kwa (Kassai) die Station Kwamouth, fuhr den Kwa aufwärts und entdeckte einen ungefähr 2000 qkm großen See, dem er den Namen Leopolds II. gab. Seit Nov. 1882, während des J. 1883 und der ersten Hälfte von 1884 wieder am Kongo thätig, errichtete er Stationen im Thal des Kuilu, erwarb neue Landstrecken und begründete Niederlassungen bis zu den Stanleyfällen. Im Aug. 1884 nach Europa zurückgekehrt, nahm er als technischer Kommissar des amerik. Bevollmächtigten an der in Berlin tagenden Westafrikanischen Konferenz teil. Die Gründung des Kongostaates schilderte S. in dem Werke «The Congo and the founding of its free state« (deutsch von H. von Wobeser, 2 Bde., Lpz. 1885; 2. Aufl. 1887).

Ende 1886 übernahm S. die Organisation einer auf Kosten der ägypt. Regierung und einiger engl. Privatleute auszurüstenden Expedition angeblich zum Entsatz Emin Paschas. Im Jan. 1887 verließ S. England, warb in Sansibar Eingeborene für die Expedition an und traf 18. März am Kongo ein. Seine Begleitung bestand aus 9 Europäern, 620 Sansibarleuten und 407 Trägern aus Manjema, welche ihm der arab. Sklaven- und Elfenbeinhändler Tippo-Tip stellte. Am 30. April dampfte die Expedition von

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 253.