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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Steinschneider

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Steinschneider

alten Ägyptern (s. Scarabäus), Babyloniern und Assyriern (s. Siegelcylinder) und Phöniziern. Bei den Juden wurde die Entwicklung auch dieser Kunst schon durch den Kultus verhindert; doch werden im Alten Testament Steine mit eingeschnittenen Namen und Siegelsteine erwähnt, und aus späterer Zeit sind Talismane mit dem siebenarmigen Leuchter u. a. vorhanden. Auch zur Anfertigung von Amuletten (s. d.) mußte die S. das Ihrige beitragen. Nach Griechenland kam die S. schon sehr frühzeitig, das beweisen Schliemanns Funde in Mykenä; aber ihre höchste Ausbildung erreichte sie erst in der Zeit Alexanders d. Gr., wo Pyrgoteles der berühmteste Steinschneider war. Große Liebhaber von geschnittenen Steinen waren die Seleuciden und die Ptolemäer, ebenso die röm. Großen, besonders hervorgerufen durch die Sitte Siegelringe zu tragen, in den letzten Zeiten der Republik und den ersten Zeiten des Kaiserreichs, wo Dioskorides den höchsten Ruhm als Steinschneider hatte. Vorzügliche Arbeiten aus jener Zeit sind auf uns gekommen (vgl. die Aufzählung derselben unter Gemme). Die damalige Vorliebe für geschnittene Steine artete bald in solche Leidenschaft aus, daß die Kunstliebhaber große Sammlungen (s. Daktyliothek) davon anlegten. Gleichzeitig entwickelte sich die S. auch nach der andern Richtung, in der Bearbeitung von Edelsteinen zu Gefäßen, die ausgeschliffen und mit erhabenen Figuren geschmückt wurden; die berühmtesten dieser aus dem Altertum erhaltenen Kunstwerke sind: das Mantuanische Onyxgefäß, mit der Darstellung eines Opferfestes, 15½ cm hoch, 6½ cm dick, das 1630 bei der Plünderung Mantuas geraubt, später in den Besitz der Herzöge von Braunschweig gelangte und sich jetzt im Museum zu Braunschweig befindet; ferner die Tazza Farnese, eine auf der Innen- und Außenseite mit schönen Reliefs geschmückte Onyxschale im Nationalmuseum zu Neapel. Mit dem Verfall der antiken Kunst sank auch die S.; sie wurde zwar besonders in Byzanz weiter betrieben, doch ohne bedeutenden Erfolg. Im übrigen bediente man sich im Mittelalter der aus dem Altertum erhaltenen geschnittenen Steine, teils zum Siegeln, dann vorzugsweise zum Schmuck und zur Verzierung kirchlicher Gefäße. Erst die Renaissance rief diese Kunst in antiker Weise wieder ins Leben und führte sie fast zur frühern Vollkommenheit zurück; wählend jedoch auf antiken Gemmen meist mytholog. Gegenstände dargestellt waren, spielten zur Zeit der Renaissance Porträtköpfe eine Hauptrolle (s. vorstehende Figur). Die berühmtesten Steinschneider in damaliger Zeit waren: in Italien Giovanni delle Carniole, Domenico Compagni dei Camei, Ambrogio Foppa, Giovanni Bernardi di Castel Bolognese, Valerio Vicentino; in Frankreich Julien de Fontenay, genannt Coldoré; in Deutschland Engelhart, Dollinger, Belzer, Lehmann. Nachdem dann die S. im 17. Jahrh. in Abnahme gekommen war, erhielt sie im 18. Jahrh. mit der erneuten antiken Richtung in Kunst und Wissenschaft einen neuen Aufschwung, besonders durch die nach Italien gezogene deutsche Familie Pichler (s. d.) und Joh. Lorenz Natter (1705-63). Seitdem ist sie, besonders bei ital. Künstlern und im Orient, in Übung geblieben. Im 19. Jahrh. waren berühmt die Italiener Girometti, Calandrelli, Berini, in Deutschland Facius, Böhm und Fischer. Gegenwärtig werden Steine vorzugsweise mit Wappen und Monogrammen zu Siegelringen oder Petschaften graviert; für Schmuckgegenstände wird gewöhnlich weicheres Material, insbesondere Muscheln oder Glas, verwendet.

^[Abb.]

Die Methode der Arbeit in der S. ist zu allen Zeiten ziemlich die gleiche gewesen. Die Werkzeuge bestehen aus Eisen oder Messing von verschiedenen Größen, die einen Rundsägen genannt, die andern Rundperlen. Sie arbeiten durch rasche Drehungen, in Bewegung gesetzt durch ein kleines stählernes Rad, welches in der Mitte des Arbeitstisches auf einem Fuße von Messing angebracht ist und in Verbindung mit einem unter dem Arbeitstische befindlichen hölzernen Rade steht, das durch den Fußtritt des Steinschneiders in Schwung gesetzt wird. Um in den Stein einzugreifen, ist das Werkzeug mit Schmirgel oder Diamantbort bestrichen. Der Schmirgel besteht aus Saphirmehl mit Olivenöl. Der Steinschneider macht sich zuerst sein Modell aus Wachs auf einer Schiefertafel, läßt sich den erwählten Stein vom Steinschleifer in die gewünschte Form zuschleifen, zeichnet mit einer kupfernen Nadel seine Komposition darauf und hält seinen Stein, je nach der Zeichnung, an die sich drehende Rundsäge und arbeitet aus dem Groben heraus, immer vorsichtiger verfahrend, je weiter und tiefer er kommt. Giebt es Stellen, wo er mit seinem Werkzeug nicht hingelangen kann, so bedient er sich zu weiterer Arbeit der Diamantspitze, die sich vorn an einem metallenen Stiel befindet. Mit diesem Instrument schneidend, gravierend, vertiefend, beendet er seine Arbeit.

Die Litteratur über S. ist zusammengestellt von H. Rollett in Buchers "Geschichte der technischen Künste", Bd. 1 (Stuttg. 1875 fg.). Vgl. ferner: King, Antique gems (Lond. 1860); Mariette, Traité des pierres gravées (2 Bde., Par. 1550); Natter, Traité de la méthode antique de graver en pierres fines, comparée avec la méthode moderne (Lond. 1754); Frischholz, Lehrbuch der S. (Münch. 1820).

Steinschneider, Moritz, Orientalist, geb. 30. März 1816 zu Proßnitz in Mähren, studierte in Prag, Wien und Berlin, kehrte 1842 nach Österreich zurück und wurde Lehrer an einer höhern jüd. Töchterschule in Prag. Seit 1845 lebt S. in Berlin, wo er seit 1859 Vorträge an der Veitel-Heine-Ephraimschen Stiftung hält und 1869-90 die Töchterschule der jüd. Gemeinde leitete. Zugleich war S. Hilfsarbeiter an der königl. Bibliothek und erhielt 1894 den Titel Professor. Er veröffentlichte