Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Syrien'
nur vikariierende Lokalrassen; aber in dem heißen Jordanthal mischen sich einige tropische Elemente, wie Nektarinien, hinzu. Im
Nahr-Zerka giebt es Krokodile; von Schlangen wurden 19 Arten gesammelt, darunter fünf giftige, z. B. die Cobra und die Hornschlange.
Die verschiedenen Fischarten, nur im See Genezareth, schätzt man auf 42. Unter den niedern Tierformen giebt es über 40 Species von
Heuschrecken, viele Käfer, besonders Bodenformen, wilde und zahme Bienen sowie zahlreiche, die Dürre liebende Landschnecken.
Die Bevölkerung, nach Abstammung und Religion gemischt, ist größtenteils semitisch. Die
Mehrzahl besteht aus Mohammedanern, worunter viele eingewanderte Araber, mit Einschluß der Beduinen an den Grenzen des Landes,
wenige Türken, die Herren des Landes, und einige im Norden des Landes umherziehende Turkomanen- und Kurdenstämme. Sehr
zahlreich sind auch die Christen. (S. Syrische Kirche.) Sie sprechen sämtlich Arabisch, was überhaupt als die
Landessprache zu betrachten ist, denn die Syrische Sprache (s. d.) ist in S. fast ganz ausgestorben. Außerdem
giebt es in S. viele zum Teil aus den europ. Ländern eingewanderte Juden, namentlich in Palästina, wo sie noch geschlossene, auch
ackerbauende Gemeinden bilden; ferner Nossairier (s. d.). Endlich giebt es in den Städten als Handelsleute
Griechen und Franken, in den kath. Klöstern europ. Mönche, schließlich amerik. Missionare und deutsche Ansiedler
(s. Tempelgesellschaft), herumziehende Kurbâd oder Zigeuner.
Im Altertum war die Fruchtbarkeit, dank der sorgfältigen Kultur und namentlich der künstlichen Bewässerungsanlagen, eine viel größere;
selbst in der Wüste gab es noch über Palmyra hinaus blühende Städte und Oasen. Heutzutage zählt ganz S. etwa
2,6 Mill. E. (Über die polit. Einteilung s.
Osmanisches Reich, Verfassung und Verwaltung.) Die
bedeutendsten Städte sind Damaskus mit 150000, Aleppo (Haleb) mit 110000, Beirut mit 85000, Jerusalem mit 33851 E., ferner Jaffa,
Akka, Hamah, Saida, Tripoli, Alexandrette und Mersina. Der Schiffsverkehr in den sieben Häfen betrug 7000 Schiffe mit
2,4 Mill. Registertons. Dem Landverkehr dient seit 1895 die Syrische Eisenbahn
(s. d., Bd. 17).
Geschichte. Der älteste Kulturstaat im nördlichen S., den wir kennen, ist das Reich Naharina oder
Mitanni, wie es nach den ägypt. und den einheimischen Urkunden heißt. Dieses wurde um 1400 v. Chr., nachdem es sich im 16. und 15.
vorchristl. Jahrhundert entfaltet hatte, durch die aufstrebende Macht der nichtsemit. Hethiter (s. d.) vernichtet, die
nun die leitende Stellung in Nordsyrien einnahmen, bis sich ihr Reich in eine Reihe kleiner Fürstentümer auflöste. Die Hethiter wurden
schon sehr früh von semit. Einwanderern beeinflußt, aber in vielfach wechselndem Grade, so daß die Urbevölkerung an manchen Orten
sich physisch fast völlig rein erhielt und nur semit. Sprache und Schrift annahm, in andern Gegenden aber sich auch physisch stark
veränderte. So finden sich in der frühesten histor. Zeit «semitische» Aramäer über ganz S. verbreitet, im Süden und an der Küste die
Kananäer, Phönizier und Hebräer, die zur Zeit Davids und Salomos auch die aramäischen Staaten von Damaskus, Zoba und den von
Hamath von sich in Abhängigkeit brachten. Nach Salomo wurden diese Aramäer wieder selbständig, und namentlich die von Damaskus
bildeten eine bedeutende Macht. Aber den (seit Tiglathpileser I., ↔ 1130–1100) nach Westen vordringenden Assyrern
erlagen allmählich alle diese syr. Staaten und Städte, zuerst die Fürstentümer der Hethiter, deren einheimische Dynastien sich bis gegen
700 v. Chr. erhielten, um dann erst durch assyr. Statthalter ersetzt zu werden, später die Aramäer und Hebräer. Weiterhin wurde S.
nacheinander dem babylon., pers., macedon. Weltreich einverleibt, bis die Seleuciden ein eigenes Reich in S. stifteten. Nach dessen
Sturze kam S. unter die Herrschaft Roms und blieb mit seinem nördl. und westl. Teile auch unter dem oström. Kaisertum eine Provinz
von diesem, während in seinem südöstl. Teil mehr oder minder unabhängige Araberfürsten (wie die Ghassâniden) sich festsetzten. Bei
der Ausbreitung des Islam wurde es 635 dem Chalifenreich einverleibt. Die christl. Herrschaften, welche die Kreuzfahrer eine Zeit lang im
Mittelalter in S. gründeten, bildeten nur ein kurzes Zwischenspiel in der mohammed. Herrschaft, die seitdem über S. nicht aufgehört hat.
Denn bald kam das Land unter die Sultane von Ägypten und die Mamluken, unter deren Herrschaft es furchtbar von den Mongolen
verwüstet wurde. Im 16. Jahrh. eroberten es (1518) die osman. Türken, seit welcher Zeit es fortwährend einen integrierenden
unmittelbaren Teil des Osmanischen Reichs ausgemacht hat, bis auf die kurze Zeit der Herrschaft des Vicekönigs von Ägypten,
Mehemed Ali (1833–40). Infolge dieses unaufhörlichen Wechsels der Herrschaften, der verheerenden Kriege, deren Schauplatz das Land
fast fortwährend war, und der Barbarei der Herrscher ist es von seiner alten Blüte ebenso in polit. und socialer wie physischer Hinsicht
heruntergebracht. Während S. im Altertum ein von gewerbthätigen und handeltreibenden Völkern bewohntes, mit einer Menge blühender
Städte bedecktes, wohlangebautes, fruchtbares Land war, ist es jetzt im ganzen nur noch eine schwach bevölkerte, mehr mit Ruinen als
mit Wohnungen bedeckte, schlecht bebaute, dürre und deshalb unfruchtbare Öde, in der nur die von den Drusen und Maroniten
bewohnten Teile des Libanons und die unmittelbarste Umgebung der größern Hafenorte eine Ausnahme machen. Nach der Restauration
der türk. Herrschaft hat die Verwilderung und Unsicherheit nur einen neuen Aufschwung genommen, wie die häufigen blutigen Zwiste
zwischen den Drusen und Maroniten und das furchtbare Blutbad unter den Christen und die Verbrennung ihres Stadtviertels in
Damaskus im Juli 1860 beweisen. Neuerdings sind für die Kenntnis der ältesten Geschichte von Nordsyrien die Ausgrabungen von
Sendschirli (s. d.) von großer Bedeutung geworden.
Vgl. Ritter, Erdkunde von Asien, Bd. 17, Tl. 1 und 2 (Berl. 1854–55); Cowper, Sects in Syria (Lond.
1860); Burton und Drake, Unexplored Syria (2 Bde., ebd. 1872); Zwiedineck von Südenhorst, S. und
seine Bedeutung für den Welthandel (Wien 1873); de Vogüé, Syrie, Palestine, Mont Athos (2. Aufl.,
Par. 1879); Sachau, Reise in S. und Mesopotamien (Lpz. 1883); Lortet, La Syrie d'aujoud'hui (Par.
1884); Baedeker, Palästina und S. (4. Aufl., Lpz. 1897); Hull,
Memoir of the geology and geography of Arabia Petraea, Palestine and the adjoining districts (Lond.
1886); Diener, Beitrag zur Geographie von Mittelsyrien (in den «Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Wien», 1886); Meyers
Reisebücher, Palästina und S. (3. Aufl., Lpz. und Wien 1895). Die polit. Geschichte S.s behandeln de Salverte,
La Syrie avant 1860
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 555.