Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

738

Thal

zwei Engen zu mehr oder weniger kreisförmiger Weitung zurück, so begrenzen sie einen Thalkessel (Bassin, Becken, Cirkus). Oft besteht ein T. ganz aus solchen seebeckenartig erweiterten Stellen, welche durch Engen oder Schluchten (Thalschlünde, wenn sie lang, Thalkehlen, wenn sie kurz sind) miteinander in Verbindung stehen. Thalweitungen umschließen häufig einen oder mehrere Seen oder tragen deutliche Spuren, daß sie einst Seebecken gewesen. Die Thalgehänge verlaufen selten einfach und ungegliedert. Sie bieten in der Regel einen Wechsel von aus- und einspringenden Winkeln, die miteinander "korrespondieren", so daß dem Thalvorsprung der einen Thalseite ein Thalwinkel der andern gegenüber liegt. Weit vorspringende Felskanten heißen Thalsporen. Sowohl die Hänge als auch die Sohle eines T. können Abstufungen zeigen. Die der Gehänge, Thalleisten oder, wenn sehr breit, Terrassen genannt, haben als Ursache die verschiedene Wassermenge des das T. durchziehenden Wasserlaufs, ihr Vorhandensein weist darauf hin, daß in der Entstehungsgeschichte des T. länger dauernde Perioden der Ablagerung und der Erosion miteinander abgewechselt haben. Abstufungen der Thalsohle nennt man Thalstufen oder Thalabstürze, gewöhnlich durch einen Wasserfall bezeichnet, solche T. selbst Stufenthäler. Wo Thalweitungen und Thalengen wechseln, da findet sich häufig ein solches etagenmäßiges Übereinanderliegen der erstern, so daß das Wasser in den Engen eine Stufe herabfallen muß, wie z. B. im T. von Gastein. Wo ein flacher oder auch ein hoher, mächtiger Felsenwall von einer Thalwand zur andern hinübersetzt, da liegt gewöhnlich die Thalsohle nach oben hin niedriger als nach dem Thalende hin. Solche Thalriegel oder Thaldämme veranlassen daher oberhalb die Entstehung eines Sees, indem sie das Wasser aufstauen. Derartige Thalseen bleiben erhalten, bis der abdämmende Thalriegel von dem ablaufenden Wasser so weit durchnagt ist, daß das Gefälle desselben ein normales geworden ist. Eine solche Durchbruchsstelle eines T. findet sich z. B. bei den "Ösen" der Salzach oberhalb Golling. Von dem T. unterscheidet sich die Schlucht oder Thalschlucht eigentlich nur graduell, durch besonders schmale Sohle, steile Böschung der Wände und gewöhnlich durch geringere Länge, durch unwegsamen wilden Charakter. Entspringt ein T. oder eine Schlucht aus einem steilwandigen Felskessel oder Felstrichter, so hat man es hier mit Karbildungen (s. Kare) oder Kesselthälern (s.d.) zu thun. T. besonderer Art sind Caldera, Barranco, Maare (s. d.).

^[Leerzeile]

^[Abb. Thalquerprofile bei gestörter Schichtenfolge des Gebirges (Längsthäler).

a Mulden- oder Synklinalthal, bSattel- oder Antiklinalthal, c Scheide- oder Einbruchsisoklinalthal, d Scheide- oder Erosionsisoklinalthal, e Grabenthal.]

^[Leerzeile]

Nach der mittlern Richtung der T. unterscheidet man Längsthäler (Longitudinalthäler), die in der Richtung des Gebirges oder einzelner seiner Ketten verlaufen, Querthäler (Transversalthäler), die mehr oder weniger senkrecht dazuliegen, und Diagonalthäler, deren allgemeine Erstreckung eine zwischen jenen beiden vermittelnde Richtung einhält. Erstere zeichnen sich gewöhnlich durch einen geradlinigen Verlauf aus, sind in der Regel länger, geräumiger, von mildern Formen begrenzt und erlauben weite Blicke. Die Querthäler sind kürzer und ihre Thalsohle steigt weit rascher auf. Bezeichnend ist für sie die Abwechselung von Thalengen mit weiten Becken und die Abstufung der Sohle. Selbst an ihrem obersten Ende zeigen sich oft Mulden, welche z. B. in den Alpen mit den die Gletscher speisenden Firnmassen angefüllt sind. Solche T. machen gewöhnlich einen ernsten, großartigen, ja schauerlichen Eindruck. Die wichtigste Art der Querthäler sind die Durchbruchthäler, die eine oder mehrere Gebirgsketten durchschneiden und vorzugsweise die Verkehrsstraßen zwischen den beiden Seiten des Gebirgswalles bilden. Oft ist die obere Strecke eines T. ein Längenthal, bis dasselbe umbiegt und als Querthal sich fortsetzt, ja dieser Wechsel kann sich, wie z. B. im Schweizer Jura und in den Alleghanies, mehrfach wiederholen. Zur bessern Übersicht unterscheidet man von den Hauptthälern, welche sich vom Rücken des Gebirges bis zum Fuße desselben erstrecken, alle übrigen als Nebenthäler verschiedener Ordnung. T. unterster Ordnung sind die im wesentlichen nur als kurze und steile Rinnen in den Gehängen erscheinenden Runsen, Tobel, Klingen u. a.

In der Frage der Entstehungsweise der T. ist wohl zu beachten, daß die Erosion dabei überall thätig war oder noch ist. Doch trennt man von den Erosions- oder Skulpturthälern, die nur durch Erosion entstanden, ohne daß die Richtung des Thallaufes schon vorher durch natürliche Senkungen vorgezeichnet war, die tektonischen T., die durch Faltung, Spaltung oder Verwerfung der Erdkruste vorgebildet und dann erst durch Erosion weiter ausmodelliert wurden. Ob die Erosion durch das Wasser oder das Eis erfolgt ist, das ist in den einzelnen Fällen verschieden und überhaupt sind die Ansichten hierüber noch nicht ganz geklärt. (S. Erosion.) T., deren Wasserlauf infolge von Einsinken in den Boden oder durch Klimawechsel verschwunden ist, heißen Trockenthäler; solche sind in Karstlandschaften und Wüsten häufig. Die Auswaschung durch das Wasser kann auch unterirdisch erfolgt sein. So giebt es namentlich in Kalkgebirgen, z. B. im Karst bei Triest (s. Dolmen) und in Griechenland T., die dadurch entstanden, daß unterirdische, in Spalten und Höhlen ablaufende Gewässer diese nach und nach so weit ausgewaschen haben, bis die Decke einstürzte und sich dadurch eine Reihe von