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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Thesiger; Thesis; Thesmophorien; Thesmotheten; Thespiä; Thespios; Thespis

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Thesiger - Thespis

der Sohn des Aigeus oder des Poseidon und der Aithra,der Tochter des Königs Pittheus von Trözen, bei welchem er erzogen wurde, bis er, herangewachsen, sich zu seinem Vater nach Athen begab. Schon auf diesem Wege bestand er mehrere Kämpfe: er erschlug den Periphetes, Sinis, Skiron, Kerkyon und Prokrustes. Bei seiner Ankunft in Athen wäre er im Hause seines Vaters beinahe auf Anstiften seiner Stiefmutter Medeia vergiftet worden, hätte nicht Aigeus ihn an seinem Schwerte erkannt. Er vertrieb nun die riesenhaften Söhne des Pallas, befreite das Land von dem marathonischen Stier (s. Herakles) und machte dem Tribut von Knaben und Mädchen, den Athen jährlich nach Kreta liefern mußte, durch Erlegung des Minotauros (s. d.) mit Hilfe der Ariadne (s. d.) ein Ende. Als Minos, seine Abstammung von Poseidon bestreitend, einen Ring ins Meer warf, holte ihn T. wieder herauf, brachte aber zugleich einen goldenen Kranz als Geschenk der Amphitrite mit, welchen er dann der Ariadne überließ. Nach der Heimkehr aus Kreta übernahm er, da Aigeus in der Meinung, sein Sohn kehre nicht zurück, sich ins Meer gestürzt hatte, die Herrschaft über Attika. Er vereinigte die Bewohner Attikas zu einem Staat um ein Prytaneion in Athen und stiftete das Fest der Synoikia und der Panathenäen. Die Amazonen, welche auf ihrem Heerzuge bis nach Athen vorgedrungen waren, besiegte er nach heißem Kampfe und nahm ihre Königin Antiope (oder Hippolyte) zum Weibe, die ihm einen Sohn, Hippolytos, gebar. Nach anderer Überlieferung zieht er in Begleitung des Herakles mit vor Themiskyra, und Antiope liefert die Stadt aus Liebe zu T. aus; oder er nimmt sie auf einem selbständig in das Land der Amazonen unternommenen Kriegszuge gefangen und führt sie mit sich nach Athen, weshalb die Amazonen den Einfall in Attika machen. Antiope kommt bei dem Einfall ihrer Schwestern um, T. aber heiratet die Phaidra (s. d.). Ferner nahm T. teil am Argonautenzuge und an der kalydonischen Jagd. Den Peirithoos, der ihm beim Raube der Helena beigestanden hatte, unterstützte er in seinem Kampfe gegen die Kentauren und stieg mit demselben in die Unterwelt, um die Kore (Persephone) zu entführen. Allein die Entführung mißlang, und beide wurden in der Unterwelt gefesselt zurückgehalten, bis Herakles den T. befreite. Inzwischen war seine Mutter Aithra von den Dioskuren, die zur Befreiung ihrer Schwester Helena herbeieilten, als Gefangene weggeführt worden. Als er wieder nach Athen kam, fand er das Volk gegen sich in Aufstand. Er floh daher nach Skyros zum König Lykomedes, der ihn aber von einem Felsen herab durch einen hinterlistigen Stoß ins Meer stürzte. In Athen hatte T. seit der Zeit des Kimon, der seine Gebeine aus Skyros zurückführte, einen Tempel im nordwestl. Teile der Stadt. Noch jetzt führt ein im Mittelalter als christl. Kirche, jetzt als Museum benutzter Tempel den Namen Theseion, aber jedenfalls mit Unrecht. Seit jener Zeit wurde auch das alte Ernte- und Totenfest der Theseen vom 7. bis 9. Pyanepsion (Anfang November) mit großer Pracht durch Opfer, Festschmaus und Wettkämpfe begangen. - Auf Kunstwerken ähnelt die Darstellung des T. der des Herakles, nur ist, abgesehen von Darstellungen älterer Zeit, seine ganze Erscheinung jugendlicher. Verhältnismäßig jung sind die seine Abenteuer auf dem Isthmus zur Anschauung bringenden Kunstwerke. - Vgl. Schell, De Thesei origine, educatione, itinere Athenas suscepto (Ofen 1860); Heydemann, Analecta Thesea (Berl. 1865); Schultz, De Theseo (Bresl. 1874); Gurlitt, Das Alter der Bildwerke und die Bauzeit des sog. Theseion (Wien 1875); Volkmann, Analecta Thesea (Halle 1880); Th. Kausel, De Thesei synoecismo (Dillenburg 1882); W. Müller, Die Theseusmetopen (Gött. 1888); O. Wulff, Zur Theseussage (Dorpat 1892).

Thesiger (spr. -dschĕr), Frederick, s. Chelmsford, Lord.

Thesis (grch.) oder These, ein Satz, namentlich ein zum Beweis aufgestellter. In der Musik heißt T. der Niederschlag oder der Teil, mit welchem der volle Takt anfängt; dagegen Arsis der Auftakt. In der Metrik findet der gerade entgegengesetzte Sprachgebrauch statt (s. Hebung und Rhythmus).

Thesmophorien, ein altes, hochheiliges Fest, das in verschiedenen Gegenden Griechenlands, besonders auch in Athen, zu Ehren der Demeter Thesmophoros ("der Gesetzgebenden") als der Begründerin der Grundlagen des Ackerbaues und des ehelichen Lebens begangen wurde. Die Feier lag ganz allein in der Hand der Frauen. Das Fest fiel in den Monat Pyanepsion (gegen Anfang November) und dauerte in Athen vom 9. bis 13. Die Ausgelassenheit, der sich die Weiber nicht selten bei diesem Feste ergaben, hat Aristophanes in seiner Komödie "Thesmophoriazusae" geschildert.

Thesmotheten (grch., "Rechtssetzer"), s. Archon.

Thespiä, alte Stadt in Böotien, am östl. Fuße des Helikon (s. d.), 15 km südwestlich von Theben, hatte ein ausgedehntes Gebiet, zu dem mehrere Flecken, wie Leuktra, Leontarne, Askra und der Hafenplatz Kreusis gehörten, und war ein Glied des Böotischen Bundes. (S. Böotien.) T. hatte eine streng aristokratische Verfassung; an der Spitze der Regierung standen jedes Jahr sieben Demuchen aus den ältesten Familien, die ihr Geschlecht auf Herakles und die Töchter des Stadtheros Thespios zurückführten. Bekannt ist, daß 700 Thespier zugleich mit den Spartanern unter Leonidas I. (s. d.) bei Thermopylä 480 v. Chr. fielen. Auch im 4. Jahrh. hielt T. zeitweise zu Sparta, wurde aber von Theben zum Anschluß gezwungen und nach der Schlacht von Leuktra (371) zerstört. Später wurde die Stadt wieder aufgebaut. Die größte Sehenswürdigkeit der Stadt war lange eine von Praxiteles gearbeitete Marmorstatue des Eros, der hier besondere Verehrung genoß; sie ward durch Kaiser Nero nach Rom gebracht und durch eine Kopie des athen. Bildhauers Menodoros ersetzt. Ruinen der alten Ringmauer finden sich bei Erimokastro.

Thespios, König von Thespiä, s. Herakles, I.

Thespis,ein aus dem attischen Flecken Ikaria gebürtiger Grieche, der 531 v. Chr. zu Athen die erste Tragödie aufführte, indem er in die dithyrambischen Chorgesänge bei den Dionysien (Bakchosfesten) monologische Darstellungen durch einen vom Chor getrennten Schauspieler und wahrscheinlich auch Dialoge zwischen diesem und dem Chorführer einfügte, wobei derselbe Schauspieler in einem Stücke hintereinander mehrere Rollen spielte. Diese Handlung machte Äschylus später zur Hauptsache. Schon zu den Zeiten des Plato und Aristoteles waren keine echten Stücke mehr von T. vorhanden, und es ist sogar wahrscheinlich, daß er nie etwas aufschrieb. Von der Sage, daß er seine Stücke von einem Wagen herab dargestellt und eine wandelnde Bühne gehabt habe, stammt der Ausdruck Thespiskarren.