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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Thronrede; Thronsiegel; Thronzelt; Thschang-kiang; Thschöng-tu-fu; Thuanus; Thubalkain; Thucydides; Thudichum

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Thronrede - Thudichum

inhabers an einer derartigen gesetzlichen Vorsorge fehlen, dann würde die Volksvertretung berufen sein, den Thron durch Wahl eines neuen Monarchen wieder zu besetzen. - Vgl. Schulze, Das deutsche Fürstenrecht (im 1. Teil von von Holtzendorffs "Encyklopädie der Rechtswissenschaft", 5. Aufl., Lpz. 1890); G. Meyer, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts (4. Aufl., ebd. 1895), §. 85.

Thronrede, die Rede, welche der Monarch bei Eröffnung der Sitzungen der Landesvertretung, vor dem Thron stehend, von seinen Ministern und Würdenträgern umgeben, an die versammelten Mitglieder des Landtags oder Parlaments zu halten pflegt. In dieser Rede werden die zu verhandelnden Gegenstände bezeichnet, bisweilen auch ein kurzer Abriß des Standes der Staatsverhältnisse und der von dem Fürsten im Einvernehmen mit seinen Ministern befolgten und weiter zu befolgenden Politik gegeben. Die T. wird daher als ein polit. Programm des Ministeriums angesehen und giebt der Landesvertretung Gelegenheit, sogleich beim Beginn ihrer Sitzungen sich in der Adresse (s. d.) über ihre Stellung zu diesem System auszusprechen. In Vertretung des Monarchen kann die T. auch vom Ministerpräsidenten oder einem andern Mitgliede des Ministeriums im Namen des Monarchen verlesen werden.

Thronsiegel, s. Siegel.

Thronzelt, in der Heraldik, s. Wappenmantel.

Thschang-kiang, anderer Name des Jang-tse-kiang.

Thschöng-tu-fu, chines. Stadt, s. Sze-tschwan.

Thuanus, s. Thou.

Thubalkain, Tubalkain, s. Lamech.

Thucydides, griech. Geschichtschreiber, geb. etwa um 460 v. Chr. zu Athen, war der Sohn des Olorus (eines Abkömmlings des thraz. Fürsten Olorus, dessen Tochter Hegesipyle im J. 515 Miltiades geheiratet hatte: auch T.' Mutter hieß angeblich Hegesipyle). Er besaß in Skapte Hyle, auf der thraz. Küste, der Insel Thasos gegenüber, Güter (besonders Bergwerke). In der Philosophie waren angeblich Anaxagoras, in der Redekunst Antiphon seine Lehrer; im ganzen steht T. unter dem Einfluß der um die Mitte des 5. Jahrh. siegreich vordringenden ältern Sophistik. 429 erkrankte T. an der Pest, genas aber und befehligte im Peloponnesischen Kriege 424 ein athenisches Geschwader bei Thasos. Da er zur Rettung von Amphipolis, welches damals durch den Spartaner Brasidas überrumpelt wurde, um einige Stunden zu spät anlangte, wurde er von den Athenern wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Er entzog sich der ungerechten Strafe durch freiwillige Verbannung. In dieser Verbannung, die er an verschiedenen Orten (unter anderm hielt er sich im Peloponnes und in Sicilien auf) verlebte, sammelte T. den Stoff zu seinem unsterblichen Geschichtswerke über den Peloponnesischen Krieg; teilweise scheint er es auch schon ausgearbeitet zu haben. 403 nach Athen zurückberufen, widmete er sich ganz der Ausarbeitung seines Werkes, wurde aber bald nach 400 durch den Tod, angeblich von Mörderhand, an der Vollendung gehindert. In dem Grabe des Kimonischen Geschlechts zu Athen wurde er beigesetzt. T.' Werk behandelt den Hauptteil (431-411) des Peloponnesischen Krieges (431-404), dessen Bezeichnung und Umgrenzung eben von T. herrührt. Über die Abfassungszeit der einzelnen Bücher herrscht Streit. Die lange herrschende Ansicht F. W. Ullrichs, daß I, 1-IV, 48 nach dem Frieden des Nikias (421), IV, 49-VIII nach dem Ende des Peloponnesischen Krieges abgefaßt seien, hat manche Bedenken. Wahrscheinlich ist die Reihenfolge der Entstehung: Buch VI und VII (sicil. Expedition), Buch II-IV (erste Hälfte des Peloponnesischen Krieges), I (Einleitung), Buch V und VIII (zweite Hälfte des Krieges). T. ist der erste wirkliche und zugleich der größte Historiker des Altertums, lieferte auch die erste Darstellung selbsterlebter Ereignisse. Und dabei beschränkte er sich nicht bloß auf Erzählung und Unterhaltung, wie die meisten seiner Vorgänger, in vieler Beziehung auch noch Herodot, sondern legte mit tiefem Blick und scharfem Geiste die einzelnen Begebenheiten nach ihrem ursächlichen Zusammenhange dar und erörterte zugleich die Grundsätze und Beweggründe der handelnden Personen. Die Hauptvorzüge von T.' Werk sind strenge Wahrhaftigkeit, kritische Genauigkeit und große Schärfe und Feinheit der Charakterzeichnung; freilich sind seine Urteile zuweilen parteiisch. Für die Charakteristik der einzelnen Personen wie bestimmte Situationen sind besonders die in die Darstellung eingeflochtenen Reden von Bedeutung, in denen er zugleich gelegentlich seine eigenen Ansichten darlegt. Sein Stil ist streng und knapp, infolge der Kürze und des verwickelten Periodenbaues bisweilen ziemlich dunkel. Eine Fortsetzung von T.' Werk lieferte unter anderm Xenophon (s. d.) in seinen "Hellenika".

Eine umfassende Gesamtausgabe des T. (mit den Kommentaren früherer Herausgeber) ist die von Poppo (11 Bde., Lpz. 1821-51), von dem auch eine Handausgabe erschien (4 Bde., Gotha und Erfurt 1843-56; neue, zum Teil 3. Aufl., fortgesetzt von Stahl, Lpz. 1866-86). Zu den besten Handausgaben gehören ferner die von Bekker (3 Bde., Oxf. 1821; in einem Bande zuletzt Berl. 1868), Krüger (3. Aufl., 2 Bde., Berl. 1860), Böhme (4. u. 5. Aufl., 2 Bde., Lpz. 1874-85), Stahl (2 Bde., ebd. 1873-74) und Classen (4. Aufl., von Steup, 8 Bde., Berl. 1897 fg.). Von deutschen Übersetzungen ist die beste die von Heilmann (Lemgo 1760; neueste Überarbeitung von Bredow, 1823). - Vgl. Krüger, Untersuchungen über das Leben des T. (Berl. 1832; mit Nachtrag 1839); Röscher, Leben, Werk und Zeitalter des T. (Gött. 1842); Ullrich, Beiträge zur Erklärung des T. (Hamb. 1846); ders., Beiträge zur Kritik des T. (Abteil. 1-3, ebd. 1850-52); Wilamowitz, Die Thucydides-Legende (im "Hermes", 1877); Schöll, Zur Thucydides-Biographie (im "Hermes", 1878); Müller-Strübing, Thucydideische Forschungen (Wien 1881); Herbst, Erklärungen und Wiederherstellungen zu T. (2 Bde., Lpz. 1892-93); Michaelis, Die Bildnisse des T. (Straßb. 1877); Kirchhoff, T. und sein Urkundenmaterial (Berl. 1895).

Thudichum, Friedrich Wolfgang Karl, Jurist, geb. 18. Nov. 1831 zu Büdingen in der Wetterau, studierte in Gießen, besuchte nach bestandener zweiter jurist. Staatsprüfung zu seiner weitern Ausbildung die Universität Berlin und 1855 England und Frankreich, arbeitete dann zwei Jahre im hess. Justiz- und Verwaltungsdienst und habilitierte sich 1858 in Gießen für deutsches Recht. Er wurde 1862 außerord., 1871 ord. Professor in Tübingen. Seine Hauptwerke sind: "Die Gau- und Markverfassung in Deutschland" (Gieß. 1860), "Der altdeutsche Staat" (mit Übersetzung und Erklärung der Germania des Tacitus, evd. 1862), "Über unzulässige Beschränkungen des Rechts der Verehelichung"